Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. September 1978
unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Schneider, Dr. Steininger und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Goldmann als Schriftführer in der Strafsache gegen Ferdinand A wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 19. April 1978, GZ. 18 Vr 1311/
77-8, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Schnatke und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 7 Monate herabgesetzt. Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16.November 1950 geborene Asphaltierer Ferdinand A der Vergehen der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB und der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 30.August 1977
in St. Pölten 1./ Otto B einen Faustschlag in das Gesicht versetzte, der eine an sich schwere Verletzung, nämlich eine Gehirnerschütterung mit mehrfachem Erbrechen und Bewußtlosigkeit, zur Folge hatte, und 2./ Eduard C durch Versetzen eines Schlages mit einem Holzpantoffel auf den Kopf eine Rißquetschwunde am Hinterkopf zufügte.
Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil im Schuldspruch mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu. Unter Berufung auf den ersterwähnten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer die Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Antrages, ein gerichtsärztliches Sachverständigengutachten darüber einzuholen, daß er nicht schuldhaft handelte bzw. daß ihm 'diese Handlung nicht voll zugerechnet werden kann' (vgl. S 72).
Durch den Abweisungsbeschluß wurde er jedoch in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt.
Eine eingehende Prüfung der Zurechnungsfähigkeit und damit die allfällige Beiziehung eines Sachverständigen ist nur erforderlich, wenn sich im Zuge des Beweisverfahrens objektive Momente ergeben, die bei gewissenhafter Würdigung die (biologische) Schuldfähigkeit des Angeklagten in Frage stellen (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer, III/1, Nr. 1 ff zu § 134 StPO). Derartige Anhaltspunkte sind jedoch im vorliegenden Verfahren nicht hervorgekommen. Insbesondere reichen die früher (1975) einmal erfolgte - nach seinen eigenen Angaben auf Volltrunkenheit zurückzuführende - vorübergehende Einweisung des Angeklagten in ein psychiatrisches Krankenhaus und die vom Angeklagten behauptete Einnahme von Medikamenten nicht aus, die Notwendigkeit einer psychiatrischen Begutachtung zu begründen. Aus der Tatsache, daß sich der Angeklagte - der zur Tatzeit nur leicht alkoholisiert war und selbst gar nicht behauptete, bei der Tatverübung zurechnungsunfähig gewesen zu sein - an den Tatvorfall im wesentlichen zu erinnern vermag und für die Tathandlung auch ein seinem Vorleben keinesfalls widersprechendes Motiv (Zorn) angab, konnte das Erstgericht vielmehr schlüssig folgern, daß ernsthafte (die Beiziehung eines Sachverständigen erfordernde) Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht bestehen (vgl. S 72 in Verbindung mit S 37, 79, 80).
Die Verfahrensrüge muß daher versagen.
Aber auch die Mängelrüge ist unberechtigt. Denn mit dem Hinweis auf einzelne, aus dem Zusammenhang gerissene - im Urteil nicht ausdrücklich erörterte - Sätze aus seiner Verantwortung bei der Polizei und in der Hauptverhandlung zeigt der Beschwerdeführer keine solchen formalen Begründungsmängel auf, wie sie zur Herstellung des Nichtigkeitsgrundes nach dem § 281 Abs. 1 Z 5 StPO erforderlich wären. Vielmehr unternimmt er nach dem Inhalt und nach der Zielsetzung seiner bezüglichen Ausführungen nur den im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen und daher unbeachtlichen Versuch, die gemäß dem § 258 Abs. 2
StPO erfolgte und auch hinreichend begründete freie Beweiswürdigung des erkennenden Gerichtes zu bekämpfen. Hiebei übersieht er vor allem, daß das Gericht, das die Beweismittel nicht nur einzeln, sondern auch in ihrem inneren Zusammenhang zu prüfen hatte (§ 258 Abs. 2 StPO), im Urteil keineswegs alle Details aus den Verfahrensergebnissen erörtern mußte, die (isoliert betrachtet) unter Umständen zu seinen Gunsten ausgelegt werden könnten. Nach dem § 270 Abs. 2 Z 5 StPO genügt es vielmehr, in 'gedrängter Darstellung' anzugeben, welche (entscheidenden) Tatsachen aus welchen (denkrichtigen) Gründen als erwiesen oder als nicht erwiesen angenommen wurden. Diesem Erfordernis aber hält das angefochtene Urteil, das sich ohnedies ausführlich mit der (in Richtung des § 3 StGB gehenden) Verantwortung des Angeklagten auseinandersetzt, auf Grund der Angaben der vernommenen Zeugen eine ihm zuzubilligende Notwehrsituation jedoch ausdrücklich verneint und feststellt, daß der Angeklagte aus (übrigens von ihm selbst zugegebenem) Zorn und mit Verletzungsvorsatz handelte, stand.
Es bleibt daher zu prüfen, ob das Erstgericht mit Recht angenommen hat, daß die dem Otto B zugefügte Verletzung - was der Beschwerdeführer mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO wegen der Kürze der Gesundheitsstörung bekämpft - an sich schwer war.
Ob eine an sich schwere Verletzung vorliegt, ist jedoch nach der Erheblichkeit des dem Körper zugefügten Nachteils und der herbeigeführten wichtigen, wenn auch nur kurzen Schädigung an der Gesundheit zu beurteilen (vgl. ÖJZ-LSK 1976/312).
Nach den Urteilsfeststellungen erlitt der vom Beschwerdeführer zu Boden geschlagene Otto B (unter anderem) eine Gehirnerschütterung, die mehrfaches Erbrechen und eine Bewußtlosigkeit nach sich zog, wurde am 30.August 1977 in noch bewußtlosem Zustand in das Krankenhaus St. Pölten eingeliefert, war dort bis zum 2.September 1977
in stationärer Behandlung und befand sich anschließend bis zum 14. September 1977 im Krankenstand. Die Bewußtlosigkeit, die einen - wenn auch nur relativ kurzen - stationären Krankenhausaufenthalt notwendig machte, zeigt, daß die ein lebenswichtiges, besonders empfindliches Organ (Gehirn) betreffende Verletzung keineswegs nur einen unerheblichen körperlichen Nachteil bzw. eine unwichtige Gesundheitsschädigung bewirkte. Vielmehr hat das Erstgericht die Rechtsfrage (vgl. ÖJZ-LSK 1975/214), daß die in Rede stehende, mit einer tiefen Bewußtlosigkeit verbunden gewesene Gehirnerschütterung eine an sich schwere Verletzung darstellt (in übereinstimmung mit dem in der Hauptverhandlung verlesenen Sachverständigengutachten ON
3) zutreffend (vgl. hiezu auch SSt 15/16 und ZVR 1967/79) gelöst. Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 84 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28
StGB eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, nach denen sogar die Voraussetzungen des § 39
StGB vorliegen, sowie die Wiederholung der Tathandlung und zog als mildernd die Provokation durch den Verletzten Otto B und die wahrheitsgemäße Schilderung des Sachverhaltes in Betracht. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Reduzierung des Strafausmaßes an.
Der Berufung kommt Berechtigung zu.
Wohl hat das Erstgericht die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig angeführt, es hat jedoch offenkundig den Milderungsgründen, insbesondere der Provokation des Angeklagten durch den Verletzten B, nicht die gebührende Bedeutung beigemessen. Eine entsprechende Würdigung aller für die Strafbemessung bedeutsamen Umstände läßt eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten dem Unrechtsgehalt der Tat und der Schwere der Schuld des Täters angemessen erscheinen.
Der Berufung war daher Folge zu geben und wie im Spruche zu erkennen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die angeführte Gesetzesstelle.
Anmerkung
E01526European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0110OS00097.78.0912.000Dokumentnummer
JJT_19780912_OGH0002_0110OS00097_7800000_000