TE OGH 1978/9/14 12Os96/78

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Veröffentlicht am 14.09.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.September 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Seidl als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl A wegen des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 (§ 83 Abs. 1; 88 Abs. 1 und 3 /81

Z. 2/; 269 Abs. 1) StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 7.Februar 1978, GZ. 9 b Vr 998/77-35, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt DDr. Peter Stern, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 7

(sieben) Monate herabgesetzt.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt hat am 17.November 1977 an das Kreisgericht Wr. Neustadt als Schöffengericht den auf den § 21 (Abs. 1) StGB. gestützten Antrag gestellt, den am 31.Jänner 1942 geborenen Gummiarbeiter Karl A in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher unterzubringen (ON. 23).

Als von Karl A am 15.Juli 1977 in Felixdorf unter dem Einfluß eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB.), der auf einer seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhe, begangene Taten bezeichnete die Anklagebehörde I.) die versuchte absichtliche schwere Körperverletzung der Hilde A durch zweimaliges Losfahren auf die Genannte mit einem Moped (: § 15, 87 Abs. 1 StGB.);

II.) den (nachfolgenden) Versuch des Karl A, den Gendarmeriebeamten Rev.Insp. Adolf B durch Schleudern einer Weinflasche gegen den Beamten an einer Amtshandlung, nämlich der Vorführung des Karl A zum Amtsarzt, zu hindern (§ 15, 269 Abs. 1, erster Fall StGB.). In der Begründung des Unterbringungsantrages (S. 162 d. A.) wird außerdem vorgebracht, daß Karl A III.) im Zuge des zu I.) bezeichneten Angriffes auf seine Ehefrau Hilde A diese auch durch Schläge ins Gesicht, auf den Kopf und die linke Schulter leicht verletzt hat.

In der über den Unterbringungsantrag der Staatsanwaltschaft vor einem Schöffensenat des Kreisgerichtes Wr. Neustadt durchgeführten Hauptverhandlung erörterte der Vorsitzende - nachdem der medizinische Sachverständige Primarius Dr. C und der psychiatrische Sachverständige Primarius Dr. D Gutachten erstattet hatten - unter Bezugnahme auf die Bestimmung des § 434 Abs. 1 StPO. mit den Parteien die Möglichkeit, daß Karl A wegen der in Rede stehenden Taten (s. Punkte I.) - III.) bestraft werden könne; eine Antragstellung hiezu unterblieb (s. S. 209 f. d.A.). Der öffentliche Ankläger hielt vielmehr den Einweisungsantrag gemäß dem § 21 Abs. 1 StGB. aufrecht, Karl A und sein Verteidiger beantragten den Schuldspruch des (nunmehrigen) Angeklagten nach dem § 287 Abs. 1 StGB. (s. S. 210 d.A.).

Mit dem sodann gefällten Urteil des Schöffengerichtes wurde Karl A des Vergehens der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen im Zustand voller Berauschung nach dem § 287 Abs. 1 StGB., mit Beziehung auf die Delikte nach den § 83 Abs. 1; 88 Abs. 1 und Abs. 3 /81 Z. 2/; 269

Abs. 1 StGB., schuldig erkannt und hiefür zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, weil er sich am 15.Juli 1977 fahrlässig in einen seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und in diesem Zustand seine Ehefrau Hilde A I.) durch Faustschläge vorsätzlich und II.) durch unkontrolliertes Zufahren mit dem Moped und durch Anprall gegen das Bein fahrlässig (leicht) verletzt, sowie schließlich III.) den Gend. Gruppeninspektor Adolf B durch Schleudern einer mit Wein teilweise gefüllten Doppelliterflasche gewaltsam an einer Amtshandlung, nämlich der Festnahme des Adolf B und dessen Vorführung zum Amtsarzt, gehindert hat. Der Einweisungsantrag der Staatsanwaltschaft wurde abgewiesen. Dieses Urteil wird vom Angeklagten im Schuldspruch nach dem § 287 Abs. 1 StGB. mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 8 und 9 (lit. b) des § 281 Abs. 1 StPO.

gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie im Strafausspruch mit Berufung bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist unbegründet.

Bei der aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 8 (sachlich auch Z. 9 lit. c) des § 281 Abs. 1 StPO. wegen angeblich fehlender Anklage erhobenen Rüge übersieht der Beschwerdeführer die vom Erstgericht zutreffend angewandte Bestimmung des § 434 StPO.; nach deren zweitem Absatz steht der - vorliegend von der Staatsanwaltschaft in ON. 23 gestellte - Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß dem § 21 Abs. 1 StGB. einer Anklageschrift gleich, wobei es dem Ankläger freisteht, diesem Antrag bis zum Beginn der Hauptverhandlung gegen eine Anklageschrift (förmlich) auszutauschen.

Erachtet nun das Gericht im Verfahren über einen solchen Unterbringungsantrag nach dem § 21 Abs. 1 StGB., daß der Betroffene wegen der (Anlaß)Tat(en) doch - wegen möglicherweise gegebener Zurechnungsfähigkeit, oder unter dem Gesichtspunkt des § 287 StGB. - bestraft werden könnte, so hat es die Parteien hierüber zu hören. Dieser Bestimmung wurde vom Erstgericht - wie dargetan - in der Hauptverhandlung entsprochen. Damit waren aber die prozessualen Voraussetzungen für die (erfolgte) überleitung des Unterbringungsverfahrens in ein Strafverfahren gegeben. Im Unterbringungsantrag ON. 23 hatte der öffentliche Ankläger die dann vom Schuldspruch umfaßten Tathandlungen (I. - III.) mit ihren Begleitumständen und dem strafrechtlich relevanten Erfolg (beschreibend) bezeichnet; dieses (solcherart 'inkriminierte' /LSK. 1977/118; 9 Os 39/78/) Tatgeschehen ist mit den Schuldspruchfakten sachverhaltsident. Mithin lag angesichts der aufgezeigten, durch § 434 Abs. 2 StPO. normierten Gleichstellung von Unterbringungsantrag und Anklageschrift im Umfange des ergangenen Schuldspruches eine dem Anklageprinzip des Art. 90 Abs. 2 B-VG.

und den § 2 Abs. 1; 262, 267 StPO. entsprechende Anklage eines berechtigten Anklägers vor; eine Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. c bzw. Z. 8 StPO. ('Anklageüberschreitung') ist daher nicht gegeben.

Unter den Nichtigkeitsgründen der 'Z. 5 und 9' (gemeint wohl Z. 9 lit. b, sachlich indes Z. 10 /vgl.

EvBl. 1976/151 und LSK. 1978/158/) des § 281 Abs. 1 StPO. bemängelt der Beschwerdeführer, daß das Erstgericht beim Angriff auf den Gendarmeriebeamten (Faktum III.) dem Angeklagten in angeblichem Widerspruch zum Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Primarius Dr. D nicht einen seine (des Angeklagten) Zurechnungsunfähigkeit - und seine völlige Straflosigkeit - bewirkenden Verwirrtheitszustand infolge des unmittelbar vorher unternommenen Erhängungsversuches zugebilligt hat.

Auch mit diesem Einwand ist der Beschwerdeführer nicht im Recht:

In den in der Hauptverhandlung von den medizinischen Sachverständigen Prim. Dr. C und Prim. Dr. D erstatteten Gutachten (s. S. 205 ff. und 207 ff. d.A.) findet nämlich die dem Schuldspruch wegen Vergehens nach dem § 287 Abs. 1 StGB. zugrundeliegende Urteilsannahme (s. S. 224 ff. d.A.) eines auf abnormer (pathologischer) Alkoholreaktion beruhenden Vollrausches des Angeklagten, in dem dieser am 15.Juli 1977 die in Rede stehenden Rauschtaten (I. - III.) verübte, zunächst in tatsächlicher Richtung ihre zureichende Deckung. Da der Angeklagte diesen Rauschzustand schuldhaft, nämlich den Urteilsannahmen zufolge, fahrlässig (vgl. Leukauf-Steininger, 110/111; Kienapfel, Grundriß I, RN. 232) - durch erheblichen Weinkonsum, ungeachtet längerwährender Einnahme von Antabustabletten -

herbeigeführt hat, erfolgte aber auch die rechtliche Beurteilung des festgestellten Tatgeschehens nach dem § 287 Abs. 1 StGB. in Beziehung auf die im Rausch verübten, zutreffend vom Erstgericht den § 83 Abs. 1; 88 Abs. 1 und Abs. 3 /§ 81 Z. 2; vgl. Leukauf-Steininger 419 und 1144/

sowie 269 Abs. 1 StGB. unterstellten Taten frei von Rechtsirrtum. Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 287 (Abs. 1) StGB. eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten. Es berücksichtigte bei der Strafbemessung als erschwerend: die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen verschiedener Art im Zustand voller Berauschung, hingegen als mildernd: das Geständnis, den bisherigen ordentlichen Lebenswandel und die beim Angeklagten bestehende Grenzdebilität.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte unter Hinweis auf die vom Erstgericht angenommenen Milderungsgründe und den seiner Meinung nach geringer als vom Erstgericht zu veranschlagenden Schuldgehalt der in einer (einzigen) Berauschung begangenen Tat die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und die Gewährung der bedingten Strafnachsicht an.

Der Berufung kommt teilweise Berechtigung zu.

Auf der Basis der vom Erstgericht im wesentlichen richtig festgestellten Strafzumessungsgründe und der persönlichkeits- und tatbezogenen Schuld des Berufungswerbers (§ 32 Abs. 1 StGB.) erachtet der Oberste Gerichtshof eine siebenmonatige Freiheitsstrafe für angemessen, sodaß der Berufung in diesem Sinne Folge zu geben war.

Der Gewährung der bedingten Strafnachsicht nach dem § 43 Abs. 1 StGB. stehen jedoch spezialpräventive, in der Person des Rechtsbrechers begründete Erwägungen entgegen.

Demnach war der Berufung insoweit ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruche angeführte Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01524

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0120OS00096.78.0914.000

Dokumentnummer

JJT_19780914_OGH0002_0120OS00096_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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