Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 22.September 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Seidl als Schriftführer in der Strafsache gegen Adolf A wegen des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach § 125, 126 Abs. 1 Z 5 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14.März 1978, GZ. 5 d Vr 10256/77-16, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Schuhmeister und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Adolf A wird teilweise Folge gegeben, das Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der Unterstellung der dem Angeklagten zu Punkt 1. des Schuldspruches angelasteten Tat auch unter die Bestimmung des § 126 Abs. 1 Z 5 StGB sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Adolf A wird für die ihm nach den Punkten 1. und 2. des Schuldspruches zur Last fallenden Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB und des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 15, 269 Abs. 1
StGB und unter Bedachtnahme gemäß § 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 4.Juli 1978, AZ. 8 c E Vr 3449/78, nach dem ersten Strafsatz des § 269 StGB und § 28 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 6 (sechs) Monaten verurteilt.
Gemäß § 38 StGB wird die Vorhaft vom 24.September 1977, 17 Uhr 30 bis 24.September 1977, 23 Uhr 45, auf die Strafe angerechnet. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 29.Dezember 1947 geborene Mechaniker Adolf A der Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach § 125, 126 Abs. 1 Z 5
StGB (Punkt 1.) des Urteils) und des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den § 15, 269 Abs. 1 StGB (Punkt 2.) des Urteils) schuldig erkannt. Er hat nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen am 24.September 1977 in Wien 1. dadurch, daß er mit dem Fuß gegen den rechten vorderen Kotflügel des Funkwagens B/1 der Bundespolizeidirektion Wien trat, eine der öffentlichen Sicherheit dienende Einrichtung beschädigt;
2. dadurch, daß er mit der Faust gegen den Rücken des Polizeibeamten Wilhelm B, der im Begriffe war, Franz C festzunehmen, schlug, einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung zu hindern versucht (S 126/127).
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Soweit die Beschwerde unter Berufung auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO rügt, es wäre die Lösung der Frage der (abstrakten) Betriebsgefährdung nur auf Grund eines Sachverständigengutachtens möglich, das aber nicht eingeholt worden sei, wird damit nicht der angerufene, sondern der Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 4 StPO geltend gemacht; hiefür fehlt es dem Beschwerdeführer aber mangels eines von ihm in der Richtung dieser Beweisaufnahme zielenden, in der Hauptverhandlung gestellten, abgewiesenen oder nicht erledigten Beweisantrages an der Legitimation.
Hingegen sind die weiteren Beschwerdeausführungen, die sich gegen die Unterstellung der zu Punkt 1. des Urteils festgestellten Tat unter die Qualifikationsnorm des § 126 Abs. 1 Z 5 StGB richten, begründet.
Rechtliche Beurteilung
Den ziffernmäßig auf den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs. 1 Z 5 StPO gestützten Ausführungen des Beschwerdeführers, mit denen er jedoch der Sache nach die rechtliche Beurteilung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes rügt und somit den Nichtigkeitsgrund der Z 10 dieser Gesetzesstelle releviert, ist zuzugeben, daß das Erstgericht keine Feststellungen darüber getroffen hat, durch welche Beschädigungen die abstrakte Gefährdung der Betriebssicherheit des Fahrzeuges entstanden sei. Es hat nämlich als erwiesen angenommen, daß der Fußtritt lediglich eine etwa faustgroße Eindellung des Kotschützers an dessen äußeren, höchsten Seite zur Folge hatte (S 129). Daß etwa der Kotschützer am Rad geschleift hätte, hat es nicht angenommen und hätte dies nach Lagerung des Falles gar nicht feststellen können. Aber auch die denkbare Veränderung von Spur und Sturz des Vorderrades, auf die das Erstgericht hinweist, wurde nicht als Folge des Trittes des Angeklagten als eingetreten angenommen, sie vermag daher die Annahme abstrakter Möglichkeit einer Betriebsgefährdung deshalb gleichfalls nicht zu begründen; hat doch das Erstgericht ausdrücklich ausgesprochen, daß zwar hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, daß der Fußtritt auch das Rad getroffen habe, aber kein Nachweis dafür erbracht werden konnte (S 132). Auch der Hinweis in den Urteilsgründen auf den in der Nähe befindlichen Benzineinfüllstutzen (S 132) kann nicht als sachliche Grundlage für die Zurechnung einer eingetretenen Gefährdung angesehen werden.
Es mangeln dem Urteil sohin bereits Feststellungen, die die Grundlage für die Annahme einer durch die Beschädigung entstandenen, wenn auch nur abstrakten Betriebsgefährdung sein könnten. Den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 10 StPO auch ziffernmäßig anziehend, bringt der Beschwerdeführer zutreffend vor, die Qualifikation der Sachbeschädigung nach § 126 Abs. 1 Z 5 StGB könne nur dann vorliegen, wenn durch die Beschädigung zumindest abstrakt die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Betriebssicherheit des Fahrzeuges entstehe. Dies sei aber bei einer faustgroßen Delle am Kotschützer nicht zu befürchten.
Die Qualifikation nach § 126 Abs. 1 Z 5 StPO liegt u.a. dann vor, wenn Sachen beschädigt werden, die der öffentlichen Sicherheit, der Verhütung oder Bekämpfung von Katastrophen, dem öffentlichen Gesundheitsdienst, der öffentlichen Versorgung mit Wasser, Licht, Wärme oder Kraft oder dem öffentlichen Verkehr dienen. Daß ein Funkstreifenwagen der Polizei eine Sache ist, die der öffentlichen Sicherheit dient, also zum Kreis der besonders geschützten Gegenstände gehört, ist zwar nicht zweifelhaft und wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten, doch bestand die Beschädigung des Fahrzeuges nach den erstrichterlichen Feststellungen nur in einer etwa faustgroßen Delle am Kotschützer; daß der Tritt auch das Rad getroffen hätte, hat das Erstgericht ebensowenig festgestellt, wie die Möglichkeit, daß der Kotflügel infolge der Eindellung am Rad gestreift oder den Lenkeinschlag behindert hätte. Nach Lagerung des Falles traf dies auch gar nicht zu. Nun ist aber Voraussetzung für die erhöhte Strafbarkeit, daß die Beschädigung ein für die Betriebssicherheit bedeutsames Ausmaß erreicht hat, d. h. jedenfalls geeignet ist, die Sicherheit des Fahrzeuges zumindest abstrakt zu beeinträchtigen; unwichtige und jederzeit ersetzbare Teile besonders geschützter Sachen genießen nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 126 Abs. 1 Z 5 StGB den erhöhten Schutz nicht (JBl. 1977/ 215 mit Judikatur- und Literaturhinweisen). Zwar kann nicht allgemein gesagt werden, daß der Kotflügel des Vorderrades eines Polizeikraftwagens ein unwichtiger, jederzeit ersetzbarer Teil einer besonders geschützten Sache sei und seine Beschädigung keinesfalls im Sinne des § 126 Abs. 1 Z 5 StGB zu qualifizieren sei, doch müßte eine derartige Beschädigung ein Ausmaß erreichen, das die Gefahr von Folgeschäden beim weiteren Betrieb des Autos hätte nach sich ziehen oder diesen Betrieb überhaupt hätte unmöglich machen müssen. Es bestand im vorliegenden Fall jedoch nicht einmal eine abstrakte Gefahr für die Betriebssicherheit des Fahrzeuges, weshalb es verfehlt war, die Tat (auch) § 126 Abs. 1 Z 5 StGB zu unterstellen und sie demgemäß als schwere Sachbeschädigung zu beurteilen. Für die Annahme eines Versuches der schweren Sachbeschädigung fehlt die Feststellung, der Täter habe mit dem Vorsatz gehandelt, durch die Beschädigung die Betriebssicherheit des Polizeifahrzeuges zu beeinträchtigen. Nach der Aktenlage hätte auch eine solche Feststellung nicht getroffen werden können. Nicht im Recht befindet sich die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch mit ihren gegen den Schuldspruch wegen Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den § 15, 269 Abs. 1 StGB gerichteten Einwendungen.
Ihrem auf Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Vorbringen ist zu erwidern, daß damit entgegen ihrer ausdrücklichen Behauptung kein Begründungmangel aufgezeigt, sondern lediglich unzulässig und damit unbeachtlich versucht wird, die freie richterliche Beweiswürdigung des Schöffensenates zu bekämpfen: Denn das Erstgericht ist auf Grund von im Beweisverfahren gedeckten lebensnahen Schlußfolgerungen zur überzeugung gekommen, daß der Beschwerdeführer den Schlag gegen den Rücken des Polizeibeamten B deshalb geführt hat, um diesen an der Amtshandlung, nämlich der Festnahme des Franz C, zu hindern (S 130). Ein Begründungsmangel haftet dem Urteil somit nicht an. Das weitere Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde unter Berufung auf den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 10 StPO, es handle sich bei dem Schlag gegen den Polizeibeamten nur um eine tätliche Ehrenbeleidigung nach § 115 StGB, für deren Verfolgung es an den Voraussetzungen des § 117 StGB mangle, geht nicht von der Urteilsannahme aus, daß der Angeklagte durch dieses Verhalten die Amtshandlung gegen C zu hindern suchte, und bringt daher den angerufenen oder einen anderen gesetzlichen Nichtigkeitsgrund nicht dem Gesetze gemäß zur Darstellung. Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde sohin gegen Punkt 2. des Schuldspruches wendet, war sie daher zu verwerfen.
Die Strafe war nach dem ersten Strafsatz des § 269
StGB und § 28 StGB neu zu bemessen. Gemäß § 31, 40 StGB war auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 4.Juli 1978, AZ. 8 c E Vr 3449/78, mit dem der Angeklagte wegen § 208, 218 StGB zu einer Geldstrafe in der Höhe von 240 Tagessätzen zu je 190,-- S, im Nichteinbringungsfall 120 Tage Freiheitsstrafe, verurteilt wurde, Bedacht zu nehmen.
Bei der Strafbemessung war erschwerend, das Zusammentreffen zweier Delikte, die einschlägigen Vorstrafen und daß der Angeklagte auch andere Personen zum Widerstand gegen die Staatsgewalt aufgehetzt hat, mildernd das es im zweiten Faktum beim Versuch geblieben ist und die Erregung des Angeklagten.
Unter Berücksichtigung des erheblichen Unrechtsgehaltes der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten, der zu Gewalttaten neigt, und bei dem auch mehrere Vorstrafen wirkungslos geblieben sind, ist eine Zusatzstrafe von 6
(sechs) Monaten angemessen. Aus diesen spezialpräventiven Erwägungen bedarf es im vorliegenden Fall der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe um den Täter von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Die Anwendung des § 37
StGB war daher ausgeschlossen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Anmerkung
E01512European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0120OS00121.78.0922.000Dokumentnummer
JJT_19780922_OGH0002_0120OS00121_7800000_000