Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28.September 1978
unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Friedrich, Dr. Walenta und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schrammel als Schriftführers in der Strafsache gegen Hans A wegen des Vergehens nach dem § 1 Abs. 1 lit. a und c PornG. über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengerichtes vom 20.Dezember 1977, GZ. 1 b Vr 577/76-30, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Weber und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Karollus, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Kaufmann Hans A, der in Wien zwei Sex-Läden betreibt, des Vergehens nach dem § 1 Abs. 1 lit. a und c PornG. (BGBl. 97 aus 1950 in der derzeit geltenden Fassung) schuldig erkannt, weil er im März 1976 in Wien in gewinnsüchtiger Absicht Druckwerke (im Urteil namentlich angeführte Magazine, Bücher, Schallplatten und Kassetten, die vom Erstgericht als sog. 'harte' Pornographie beurteilt wurden) zum Zweck der Verbreitung vorrätig gehalten und anderen angeboten hat.
Den Schuldspruch bekämpft Hans A mit einer auf die Nichtigkeitsgründe nach dem § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund wendet sich der Beschwerdeführer mit der Behauptung eines Verfahrensmangels gegen die Abweisung seines Beweisantrages auf Einvernahme von (zwei) Zeugen (N. B und N. C, S. 137 verso) und führt hiezu aus, es wäre bei Durchführung der Einvernahmen hervorgekommen, daß die den Gegenstand des Schuldspruches bildenden Druckwerke in Deutschland der freiwilligen Selbstkontrolle unterzogen worden seien, deren Zweck es sei, sog. 'harte' Pornographie auszuschalten, und diese Kontrolle anstandslos passiert hätten. Der Beschwerdeführer sei deshalb der Meinung gewesen, daß die Druckwerke frei von solcher harter Pornographie und deshalb nicht unzüchtig seien.
Rechtliche Beurteilung
Der Verfahrensrüge kommt keine Berechtigung zu.
Durch eine allenfalls andere Beurteilung der Druckwerke in Deutschland wäre für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil diese Kontrolle durch deutsche Institutionen ihn keinesfalls der Verpflichtung enthebt, die von ihm feilgehaltenen Waren - hier Druckwerke - auch im Licht der österreichischen Vorschriften über Pornographie zu prüfen, zumal ihm nach seinem eigenen Vorbringen die Unterschiedlichkeit der Auffassungen über den Begriff strafbarer harter Pornographie geläufig waren. Eine Einvernahme der beiden in Deutschland lebenden Zeugen hätte also im für den Beschwerdeführer günstigsten Fall nur ergeben können, daß die Druckwerke in Deutschland von der freiwilligen Selbstkontrolle nicht beanstandet wurden, ein Umstand, der ohne Auswirkung für die nach österreichischem Recht vorzunehmende Beurteilung im Inland wäre. Im übrigen ist auch der im abweislichen Beschluß des Erstgerichtes vertretenen Ansicht, dem Beschwerdeführer komme bei seiner beruflichen Tätigkeit ein Rechtsirrtum über den Begriff der Unzüchtigkeit nicht zustatten, beizutreten.
Die Beweisanträge waren daher für die Sachentscheidung ohne Belang; durch ihre Abweisung wurden Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt.
Mit seinen auf den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO gestützten Ausführungen, die sachlich eine Rechtsrüge sind, ebenso wie in den ausdrücklich den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO relevierenden Ausführungen bringt der Beschwerdeführer vor, im deutschen Rechtsbereich, an dessen Definition strafbarer harter Pornographie sich der Oberste Gerichtshof nunmehr angeschlossen habe, sei die Darstellung homosexueller Beziehungen nicht strafbar. Bei der öhnlichkeit der gesellschaftlichen und rechtlichen Struktur der beiden Staaten müsse diese Ansicht auch von der österreichischen Rechtsprechung berücksichtigt werden, denn auch in Österreich sei nur die öffentliche Aufforderung zu oder die Anpreisung von (u.a.) gleichgeschlechtlicher Unzucht strafbar. Eine solche Aufforderung oder Anpreisung sei aber den inkriminierten Werken, in denen übrigens die heterosexuellen Arten (und Abarten) des Geschlechtslebens weit ausführlicher beschrieben seien, nicht zu entnehmen. Die in den Druckwerken enthaltenen Schilderungen homosexuellen Verhaltens seien weder aufreizend noch aufdringlich und deshalb, weil nicht gesellschaftsschädigend, auch nicht strafbar. Gesellschaftswertneutrale bloße Beschreibung homosexuellen Geschlechtslebens rechtfertige ein Einschreiten des Strafgerichtes nicht, zumal Gewähr dafür geboten gewesen sei, daß die Darstellungen weder Jugendlichen noch Personen, die damit nicht konfrontiert werden wollten, zugänglich wurden. Im übrigen seien im Zug dieses Verfahrens dem Beschwerdeführer eine Reihe von Werken als nicht strafbar pornographisch zurückgestellt worden, obwohl auch sie lesbische Darstellungen enthalten hätten.
Es hält auch die Rechtsrüge einer Überprüfung nicht stand. Zwar ist die Ansicht des Schöffengerichtes, jede Darstellung gleichgeschlechtlichen Sexualverhaltens bedeute dessen Propagierung und sei deshalb verboten und strafbar, im Hinblick auf die Spruchpraxis des Obersten Gerichtshofes (13 Os 39/77, 10 Os 30/78) nicht zutreffend, weil eine das Eingreifen des Strafrechtes rechtfertigende Störung der Rechtsordnung durch Pornographie nur dort anzunehmen ist, wo es sich um - auf sich selbst reduzierte und von Zusammenhängen mit anderen Lebensäußerungen gelöste, anreißerisch verzerrte - Darstellung von Unzuchtsakten handelt, die als solche ihrer Art nach verboten und strafbar sind. Darunter fallen auch Unzuchtsakte mit Personen des gleichen Geschlechtes, die - wenn auch als Handlungen nicht oder nur beschränkt strafbar - nicht propagiert werden dürfen (§ 220 StGB).
Gerade um solche verzerrte, vergröbernde und anreißerische Darstellung gleichgeschlechtlicher Unzuchtsakte - und damit um absolut perhorreszierte, strafbare 'harte' Pornographie - handelt es sich im gegenständlichen Fall.
Dies wird - ohne daß die nun folgende Aufzählung den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben vermag - in folgenden Stellen besonders deutlich:
Pornospiele in Schweden: S. 30 ff., 36 (mit Anpreisung lesbischen Verhaltens), 82;
Ina kann's am besten: S. 118 ff., 145;
Schrei nach Lust: S. 82 f.;
Sexorgien der Madame S: S. 12 ff., 35 ff., 153 ff.;
homosexueller Verkehr zwischen Männern S. 120, 124 f.
Ich will Lust: S. 21 f., 46 ff., 68 f.;
Nachts werden die Geilen fleißig: S. 82 - 90, 93, 115;
Maria - Unschuld hat keinen Preis: S. 54, 61, 102 f.;
Die Lust - Swinger: S. 46 - 53;
Moana - liebestoll und unersättlich: S. 57 - 63;
Das Bettrennen: S. 111 - 115;
Pornospiele Nr. 7, 8, 12, 13, 14, 17; zahlreiche lesbische Szenen im Bild, Oralverkehr zwischen Frauen;
Tiefer, Liebling, tiefer: S. 20 - 24, 101 - 109;
Carmen von der Liebesküste: S. 95 f.;
Lesbisch und liebestoll: S. 22 - 34, 42 - 47;
Mach's mir, Baby: S. 7 - 25, 54 - 64, 110, 111;
Agenten, Sex und tolle Bienen: S. 29 - 36;
Gabys Sex-Pension: S. 127 - 136, wobei der Charakter des Buches
insgesamt lesbische Tendenzen aufweist;
Die Lust am Laster: S. 13 f., 35 - 38;
Die geilen Jungfrauen von Las Vegas: S. 80 - 85, 122 - 125;
Am Anfang war die Lust: S. 36 - 47, 111 - 118;
Eine nach der anderen: Auch hier zeigt das gesamte Buch lesbische Züge, die besonders auf den S. 28, 142
und in zwei Bildern (S. 37, 59) deutlich zu Tage treten;
Hunter jagt geile Puppen: S. 23 f., 39, 40, 70;
lesbische Bilder S. 63, 113.
Was die Schallträger anlangt, so hat das Schöffengericht zutreffend festgestellt, daß sich ihr Inhalt im selben Rahmen hält, was übrigens hinsichtlich der Kassette 'Black and White' vom Beschwerdeführer nicht bestritten wird.
Neben diesen homosexuellen Szenen findet sich aber auch die Darstellung von Gewalt beim Sex und Sadomasochismen (Mach's mir, Baby: S. 166 - 168; Am Anfang war die Lust: S. 22 - 27; Maria-Unschuld hat keinen Preis: S. 44, 45) sowie von Sex mit Unmündigen (Ina kann's am besten: S. 30). Die Einstufung der Druckwerke durch das Erstgericht als sogenannte harte Pornographie, die jedenfalls verboten ist, erfolgte somit ohne Rechtsirrtum; eben deshalb kann es auch außer Betracht bleiben, daß eine Konfrontation von Jugendlichen oder daran Desinteressierten mit den Druckwerken nicht erfolgt ist, weil deren Vertrieb auch in Sexshops unzulässig ist.
Daß aber ähnliche Darstellungen als nicht pornograhisch beurteilt wurden, vermag dem Beschwerdeführer nicht zum Vorteil auszuschlagen, weil Gegenstand des hier vorliegenden Verfahrens eben nur die schuldspruchgegenständlichen Druckwerke sind, deren Eignung im Sinn des § 1
PornG. das Erstgericht nach dem vorher Gesagten ohne Rechtsirrtum für gegeben erachtet hat.
Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten gemäß dem § 1 Abs. 2 PornG. (und in faktischer Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB) eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 200 S, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 90 Tagen. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend die einschlägige Vorstrafe, als mildernd hingegen das Geständnis des Tatsächlichen und den Umstand, daß der Angeklagte die inkriminierten Druckwerke vor dem Zugang Jugendlicher und uninteressierter Personen gesichert hatte.
Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung der Geldstrafe auf dreißig Tagessätze; die Bemessung des Tagessatzes der Höhe nach ließ er unbekämpft.
Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Zieht man in Betracht, daß der Angeklagte bereits einmal, nämlich mit dem Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 15.Jänner 1974, GZ. 1 b Vr 1116/73-13, des Verbrechens nach dem § 1 Abs. 1 lit. a und c PornG. schuldig erkannt und neben einer Geldstrafe zu einer bedingt aufgeschobenen Freiheitsstrafe verurteilt worden war und nunmehr neuerlich - und zwar innerhalb der ihm seinerzeit bis 14.Jänner 1977 gesetzten, sodann bis 14.Jänner 1979
verlängerten Probezeit - rückfällig geworden ist, so besteht keine Veranlassung, das Ausmaß der vom Erstgericht durchaus angemessen festgesetzten (bloßen) Geldstrafe herabzusetzen, zumal zu ihrer gebotenen Effizienz eine gewisse Empfindlichkeit verlangt werden muß.
Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E01516European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0130OS00062.78.0928.000Dokumentnummer
JJT_19780928_OGH0002_0130OS00062_7800000_000