TE OGH 1978/10/3 9Os131/78 (9Os132/78)

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Veröffentlicht am 03.10.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Oktober 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schrammel als Schriftführer in der Strafvollzugssache gegen Gottfried A wegen bedingter Entlassung aus einer Rahmenstrafe über die von der Generalprokuratur gegen die Beschlüsse des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 15. Juli 1970, GZ. 11 Ns 85/73-14, und vom 24. März 1977, GZ. 11 Ns 85/73-18, sowie den jeweils vor Beschlußfassung eingehaltenen Vorgang, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafvollzugssache gegen Gottlieb A wegen bedingter Entlassung aus einer Rahmenstrafe, AZ.

11 Ns 85/73 des Kreisgerichtes Wiener Neustadt, verletzen die Beschlüsse dieses Gerichtes vom 15. Juli 1976, GZ. 11 Ns 85/73-14, und vom 24. März 1977, GZ. 11 Ns 85/73-18, und der vor der Beschlußfassung jeweils eingehaltene Vorgang das Gesetz in den Bestimmungen der § 179, 180 Abs. 2 StVG.

Der erstangeführte Beschluß sowie die weiteren hierauf beruhenden Beschlüsse (insbesondere vom 24. März 1977, GZ. 11 Ns 85/73-18, sowie vom 5. Mai 1978, GZ.11 Ns 85/73-28) und Verfügungen werden aufgehoben.

Der Antrag der Staatsanwaltschaft (gestellt von der Staatsanwaltschaft Feldkirch am 29. März 1976 zum AZ. 14 Vr 865/71 des Landesgerichtes Feldkirch und von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt am 15. April 1976 zum AZ. 11 Ns 85/73 des Kreisgerichtes Wiener Neustadt), die mit Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 10. Mai 1973, GZ. 11 Ns 85/73-7, aus Anlaß der bedingten Entlassung des Gottlieb A bestimmte (dreijährige) Probezeit auf 5 Jahre zu verlängern, wird abgewiesen. Mit der von ihm gegen den Bechluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 5. Mai 1978, GZ.11 Ns 85/73-28, erhobenen Beschwerde wird Gottlieb A auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 16. Dezember 1971, GZ. 14 Vr 865/71-43, wurde der am 12. August 1956 geborene, damals mithin jugendliche Gottlieb A der Verbrechen des Raubes nach § 190, 193 StG. 1945

und des Diebstahls nach § 171, 174 I lit. d StG. 1945 sowie der übertretung nach § 467 b StG. 1945 schuldig erkannt und unter Einbeziehung eines Schuldspruches gemäß § 13 Abs. 1 JGG. (U 1639/70 des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 4. Februar 1971), also gleichzeitiger nachträglicher Festsetzung der Strafe gemäß § 13 Abs.2, 45 Abs.4 - jetzt 46 Abs. 4 -

JGG. zu einer Rahmenstrafe von eineinhalb bis dreieinhalb Jahren (str.Arr.) verurteilt.

Nachdem Gottlieb A ein Jahr, elf Monate und einen Tag der Freiheitsstrafe in der Sonderanstalt für Jugendliche in Gerasdorf verbüßt hatte, wurde er mit Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Vollzugsgericht vom 10. Mai 1973, GZ. 11 Ns 85/73-7, nach Kitzbühel, Högelrainmühlstraße 7, bedingt entlassen und eine Probezeit von drei Jahren bestimmt. Für die Dauer der Probezeit wurde er unter die Schutzaufsicht der Bewährungshilfe, Geschäftsstelle Innsbruck, gestellt. (Dieser Beschluß wurde nur auf den damals in Geltung stehenden § 12 BedVG. und nicht - auch - auf den bei der bedingten Entlassung aus einer Rahmenstrafe primär heranzuziehenden § 47 Abs. 2 JGG. gestützt).

Gottlieb A nahm seinen ordentlichen Wohnsitz in Kitzbühel; als Bewährungshelfer wurde ihm der gleichfalls dort wohnhafte Blasius B beigegeben.

Am 15. Jänner 1976 wurde Gottlieb A wegen eines am 2. Oktober 1975 begangenen Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 90 S (im Nichteinbringungsfall 20 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt (GZ. U 1279/75-10 des Bezirksgerichtes Kitzbühel). Die Staatsanwaltschaft Feldkirch beantragte daraufhin am 29.3.1976 eine Verlängerung der Probezeit auf 5 Jahre (S.

280 d.Akten 14 Vr 865/71 des Landesgerichtes Feldkirch - auch in Ablichtung erliegend zu S. 33 d. Akten 11 Ns 85/73 des Kreisgerichtes Wiener Neustadt). Zur Entscheidung über diesen Antrag trat das Landesgerichtes Feldkirch die Akten dem Kreisgericht Wiener Neustadt 'zu 11 Ns 85/73 zuständigkeitshalber als Vollzugsgericht (§ 16 Abs. 2 Z. 12 StVG.)' ab. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt begehrte - zur öußerung aufgefordert - am 15. April 1976 ebenfalls die erwähnte Probezeitverlängerung. Diesem Antrag entsprach das Kreisgericht Wiener Neustadt mit (rkr.) Beschluß vom 15. Juli 1976, GZ. 11 Ns 85/73-14, und zwar ungeachtet dessen, daß der Verurteilte nach der Entlassung zur Probe seinen Wohnsitz in Tirol genommen hatte. Sodann stellte es am 16. August 1976 die Akten 14 Vr 865/71 unter Anschluß einer Beschlußausfertigung (dort ON. 69) dem Landesgericht Feldkirch zurück (S. 281 jener Akten). Eine Anhörung des Bewährungshelfers ging der Beschlußfassung nicht voraus. Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 17. Jänner 1977, GZ. 17 E Vr 1877/76-7, wurde Gottlieb A des in der zweiten Hälfte des Jahres 1976 begangenen Vergehens nach § 7 Abs. 1 und Abs. 2 MilStG. schuldig erkannt und zu zwei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Das von dieser Verurteilung verständigte Landesgericht Feldkirch übermittelte wiederum die Akten 14 Vr 865/71 (mit den angeschlossenen Salzburger Akten) zur Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft vom 15. März 1977 auf Widerruf d. bed. Entlassung dem weiterhin hiezu für zuständig angesehenen Kreisgericht Wiener Neustadt (S. 289 d. A. 14 Vr 865/71), welches hierauf - neuerdings trotz des Tiroler Wohnsitzes des Verurteilten - mit Beschluß vom 24. März 1977, GZ. 11 Ns 85/77-18, in übereinstimmung mit der eingeholten -faktisch eine Zurückziehung des vorbezeichneten staatsanwaltschaftlichen Antrags bedeutenden - öußerung der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt vom Widerruf der bedingten Entlassung absah, wobei es auch diesmal den Bewährungshelfer nicht vorher hörte.

Am 28. April 1977 wurde Gottlieb A vom Bezirksgericht Kitzbühel wegen eines am 1. Jänner 1977 verübten Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB zu zwei Wochen Freiheitsstrafe verurteilt (GZ.U 341/77-5); das Landesgericht Innsbruck als Berufungsgericht änderte mit Urteil vom 1. Juli 1977, Bl 349/77 (GZ. U 341/77-9), diesen Strafausspruch auf eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 70 S (im Nichteinbringungsfall 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) ab. Obwohl die den Gegenstand des nunmehrigen Schuldspruchs bildende Tat nach der Zeit ihrer Begehung schon in dem zum vorigen Absatz bezeichneten Verfahren hätte abgeurteilt werden können und jene - bereits in der Strafregisterauskunft aufscheinende (S. 7 der Kitzbühler Akten) - Strafe, zu welcher A dort vom Landesgericht Salzburg am 17.1.1977, GZ.17 E Vr 1877/76-7,rechtskräftig verurteilt worden war,(demnach)schon aktenkundig gewesen ist, wurde in beiden Urteilen keine Zusatzstrafe im Sinne der § 31 und 40 StGB verhängt, allerdings dennoch durch die Summe beider Strafen das in der insoferne vorliegend maßgebenden Strafbestimmung des § 7 Abs. 2 MilStG. normierte Höchstmaß (von 1 Jahr) nicht überschritten. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt stellte wegen dieser Verurteilung (ausdrücklich) keinen Widerrufsantrag; das Kreisgericht Wiener Neustadt erachtete hingegen die Voraussetzungen des 1. Satzes des § 53 Abs. 1 StGB für gegeben und widerrief deshalb am 5. Mai 1978 nach Anhörung des Gottlieb A die bedingte Entlassung (S. 67 in 11 Ns 85/73). Auch hier bejahte es erneut stillschweigend seine örtliche Zuständigkeit; es hörte vor seiner Entscheidung zwar den Verurteilten (S. 63 f.), nicht aber seinen Bewährungshelfer und schaffte auch nicht die Akten 14 Vr 865/71 des Landesgerichtes Feldkirch bei.

Gegen den Widerrufsbeschluß erhob Gottlieb A rechtzeitig Beschwerde, mit welcher er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses begehrt; über das Rechtsmittel wurde noch nicht entschieden. Die Beschlüsse des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 15. Juli 1976, GZ. 11 Ns 85/73-14 (mit dem die Probezeit verlängert wurde), und vom 24. März 1977, GZ. 11 Ns 85/73-18 (womit vom Widerruf der bedingten Entlassung abgesehen wurde), sowie der vor der Beschlußfassung eingehaltene Vorgang stehen mit dem Gesetz in mehrfacher Hinsicht nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 179 StVG. (in der Fassung des StVAG. vom 11. Juli 1974, BGBl. 424 - Art. I Z. 45) geht mit dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die bedingte Entlassung und die damit zusammenhängenden Anordnungen die Zuständigkeit auf jenen Gerichtshof erster Instanz, in dessen Sprengel der Verurteilte seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nimmt, dann über, wenn - was hier zutrifft - dem Verurteilten im Zusammenhang mit der bedingten Entlassung (eine Weisung erteilt oder) ein Bewährungshelfer bestellt wird und der Wohnsitz (oder gewöhnliche Aufenthalt) nicht im selben Bundesland liegt wie das Vollzugsgericht. Gegen diese Vorschrift, die am 1. Jänner 1975 in Kraft trat (Art. VI Z. 1 StVAG.) und die zwingend einen übergang der örtlichen Zuständigkeit vorsieht, hat das Kreisgericht Wiener Neustadt bei der Fassung der Beschlüsse vom 15. Juli 1976 und vom 24. März 1977 (GZ. 11 Ns 85/73-14 und 18) - und übrigens auch mit dem noch nicht rechtskräftigen Beschluß vom 5. Mai 1978 (GZ. 11 Ns 85/73-28) - verstoßen.

Der Anordnung des § 180 Abs. 2 StVG. zuwider hat das Kreisgericht Wiener Neustadt es ferner unterlassen, den Bewährungshelfer des Gottlieb A vor seiner Entscheidung zu hören. Daß die Anhörung des Bewährungshelfers nicht etwa nur für den Fall des in Aussicht genommenen Widerrufs der bedingten Entlassung Platz zu greifen hat, sondern aus Anlaß jeder im Zusammenhang mit dieser Frage schlechthin möglichen Entscheidung und damit faktisch schon in Verbindung mit dem Eintritt eines jener Umstände, welche die Möglichkeit des Widerrufs eröffnen, folgt nicht zuletzt aus der Amtswegigkeit des Widerrufsverfahrens, in dessen Rahmen das Gericht an keine Parteienanträge gebunden ist, sodaß vor der (eigentlichen) Beschlußfassung, die vorliegend in einem Drei-Richter-Senat zu erfolgen hatte, nichts über das Ergebnis der zu treffenden Entscheidung (Widerruf, Verlängerung der Probezeit, Absehen von beidem) gesagt werden kann. Es wäre daher in jedem Fall vor der Entscheidung der Bewährungshelfer zu hören gewesen, gleichgültig, welche Anträge von der Staatsanwaltschaft und dem Verurteilten gestellt wurden (vgl. auch 12 0s 187, 188/76).

Die unterlaufenen Gesetzesverletzungen rechtfertigen über die bloße Feststellung hinaus in Ansehung des für den Verurteilten Gottlieb A wegen der vorgenommenen Verlängerung der Probezeit jedenfalls nachteiligen Beschluß vom 15. Juli 1976, GZ. 11 Ns 85/73-14, eine konkrete Maßnahme nach dem letzten Satz des § 292 StPO, welche zunächst in der Aufhebung dieser Entscheidung sowie der, weil darauf fußend, hiedurch ihrer Grundlage beraubten weiteren Beschlüsse vom 24. März 1977 und 5. Mai 1978 (GZ.11 Ns 85/73-18 und 28) und sodann in der Abweisung des Antrags der Staatsanwaltschaft auf Verlängerung der Probezeit zu bestehen hatte, da die Frist hiefür spätestens 6 Monate nach der am 15. Jänner 1976 erfolgten rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens U 1279/75 des Bezirksgerichtes Kitzbühel (also am 15. Juli 1976) abgelaufen war (§ 56 StGB). Mit seiner infolge der Kassierung des Beschlusses vom 5. Mai 1978 gegenstandslos gewordenen Beschwerde gegen eben diese Entscheidung war Gottlieb A auf das gegenständliche Erkenntnis zu verweisen. Es war daher in Stattgebung der von der Generalprokuratur nach § 33 Abs. 2 StPO erhobenen begründeten Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E01514

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0090OS00131.78.1003.000

Dokumentnummer

JJT_19781003_OGH0002_0090OS00131_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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