TE OGH 1978/10/3 9Os104/78

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Veröffentlicht am 03.10.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Oktober 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schrammel als Schriftführer in der Strafsache gegen Günther A wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 6. April 1978, AZ. 1 a Bl 21/78, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Beschwerdegericht vom 6. April 1978, AZ. 1 a Bl 21/78, mit dem der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Graz gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 24. Jänner 1978, GZ. 2 U 1570/76-13, Folge gegeben und dieser dahin abgeändert wurde, daß vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht hinsichtlich der mit Urteil des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 9. März 1977, GZ. 2 U 1570/76-7, über Günther A verhängten Freiheitsstrafe in der Dauer eines Monats abgesehen wurde, verletzt insoweit, als überdies die Probezeit gemäß § 53 Abs. 2 StGB auf fünf Jahre verlängert wurde, das Gesetz in der letztgenannten Bestimmung.

Dieser Beschluß, der im übrigen unberührt bleibt, wird dahingehend abgeändert, daß der erwähnte Ausspruch über die Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre zu entfallen hat.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Leibnitz vom 9. März 1977, GZ. 2 U 1570/76-7, wurde der am 20. Februar 1940 geborene Elektriker (derzeit Versicherungsvertreter) Günther A des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB in bezug auf seinen außerehelichen Sohn Peter B (richtig: C) schuldig erkannt und nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat verurteilt. Gemäß § 43

StGB wurde die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Das Urteil ist am 14. März 1977 in Rechtskraft erwachsen. Schon im Urteil war Günther A (gemäß § 50, 51 StGB) die (nach § 494 StPO richtig in Beschlußform zu erlassende) Weisung erteilt worden, jeden Wechsel des Wohnortes und Arbeitsplatzes dem Gericht bekanntzugeben und einer geregelten Arbeit nachzugehen. In der Urkunde über die bedingte Strafnachsicht vom 17. März 1977 (StPO-Form.BedV 1), die dem Verurteilten am 10. Mai 1977 zu eigenen Handen zugestellt wurde (S. 23), erteilte das Bezirksgericht Leibnitz - nach der Aktenlage ohne Beschlußfassung im Sinne des § 494 StPO und auch ohne entsprechende Rechtsmittelbelehrung - dem Verurteilten weiters eine Weisung des Inhaltes: 'Der Unterhaltsrückstand ist nach Kräften zu erstatten; der Umfang der Erstattung ist jeweils am 1. Juni und 1. Dezember eines jeden Jahres dem Gerichte nachzuweisen. Umstände, die nach Ihrer Ansicht es nicht gestatten, einen monatlichen Betrag zur Abstattung des Rückstandes zu leisten, sind sofort dem Gerichte bekanntzugeben.' Am 16. Juni 1977 erklärte der Verurteilte beim Bezirksgericht Leibnitz zu Protokoll, daß er deshalb am 1. Juni 1977 keinen Erstattungsnachweis bezüglich des Unterhaltsrückstandes erbracht habe, 'weil er nur Arbeitslosenentgelt beziehe und zur Abdeckung des Rückstandes neben den laufenden Unterhaltszahlungen nicht in der Lage sei'; er räumte ein, durch Nichtbekanntgabe dieser Umstände dem letzten Satz der ihm schriftlich erteilten Weisungen zuwidergehandelt zu haben und wurde sodann vom Gericht (mündlich) 'förmlich ermahnt', den Weisungen nachzukommen. Gleichzeitig wurde ihm zum Nachweis der Abdeckung des Unterhaltsrückstandes eine weitere Frist bis zum 1. August 1977 gesetzt und ihm aufgetragen, die Einstellung des Arbeitslosenentgeltes dem Gerichte sofort bekanntzugeben. In weiterer Folge wies der Verurteilte zwar am 1. August 1977 in den Monaten April, Mai, Juni, Juli und August 1977 geleistete Zahlungen (in der Höhe des laufenden Unterhaltes für seinen minderjährigen Sohn Peter C und eines darüber hinausgehenden kleineren Betrages) nach, hielt aber den nächsten, für den 1. Dezember 1977 festgesetzten Termin zum Nachweis der Rückstandszahlungen nicht ein und meldete auch nicht die bereits im Herbst 1977 erfolgte Einstellung der Arbeitslosenunterstützung. Als er nach zweimaliger vergeblicher Vorladung am 10. Jänner 1978 zum Bezirksgericht Leibnitz vorgeführt wurde, wurde ihm zur Kenntnis gebracht, daß er trotz förmlicher Mahnung den erteilten Weisungen nicht nachgekommen sei und den Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu erwarten habe, worauf er eine Bestätigung über die am gleichen Tag erfolgte Einzahlung von 5.000 S als Unterhaltsbetrag vorlegte, sich gegen einen Widerruf aussprach und beantragte, allenfalls die Probezeit auf fünf Jahre zu verlängern.

Nach Anhörung des Bezirksanwaltes, der erklärte, einer Verlängerung der Probezeit zuzustimmen (S. 31), widerrief das Bezirksgericht Leibnitz mit Beschluß vom 24. Jänner 1978, GZ. 2 U 1570/76-13, gestützt auf § 53 Abs. 3 StGB, wonach das Gericht die bedingte Strafnachsicht unter anderem dann zu widerrufen hat, wenn der Rechtsbrecher während der Probezeit eine Weisung des Gerichtes trotz förmlicher Mahnung aus bösem Willen nicht befolgt, die bedingte Strafnachsicht und ordnete die Vollziehung der Freiheitsstrafe an. In den Entscheidungsgründen wies es dabei darauf hin, daß eine Verlängerung der Probezeit nur erfolgen könne, falls trotz neuerlicher Verurteilung ein Widerruf nicht ausgesprochen wird, bei weisungswidrigem Verhalten des Verurteilten in der geschilderten Art hingegen der Widerruf zwingend vorgeschrieben und eine Verlängerung der Probezeit nicht möglich sei. Der Beschluß wurde dem Verurteilten am 27. Jänner 1978 durch Hinterlegung zugestellt und von ihm nicht bekämpft.

Gegen diesen Beschluß erhob die Staatsanwaltschaft Graz zu Gunsten des Verurteilten das Rechtsmittel der Beschwerde, in der sie unter Hinweis darauf, daß die am 10. Jänner 1978 erfolgte teilweise Abdeckung des Unterhaltsrückstandes gegen ein von bösem Willen getragenes weisungswidriges Verhalten des Verurteilten spreche, ein Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht beantragte. Das Landesgericht für Strafsachen Graz als Beschwerdegericht schloß sich der Auffassung der beschwerdeführenden Staatsanwaltschaft an, gab der Beschwerde mit Beschluß vom 6. April 1978, AZ. 1 a Bl 21/78, Folge und änderte den angefochtenen Beschluß dahin ab, daß vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht abgesehen und gemäß § 53 Abs. 2

StGB die Probezeit auf fünf Jahre verlängert wurde.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Graz verletzt insoweit, als die Probezeit auf fünf Jahre verlängert wurde, das Gesetz.

Nach § 53 Abs. 1 StGB hat das Gericht die bedingte Strafnachsicht oder die bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe zu widerrufen und die Strafe oder den Strafrest vollziehen zu lassen, wenn der Rechtsbrecher wegen einer während der Probezeit begangenen strafbaren Handlung verurteilt wird. Vom Widerruf ist jedoch abzusehen, wenn aus besonderen Gründen anzunehmen ist, daß der Rechtsbrecher trotz der abermaligen Verfehlung in Zukunft keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde.

Gemäß § 53 Abs. 3 StGB ist die bedingte Strafnachsicht (oder Entlassung) - zwingend und ohne die im Abs. 1 vorgesehene Möglichkeit einer Abstandnahme hievon - zu widerrufen und die Strafe (oder der Strafrest) zu vollziehen, wenn der Rechtsbrecher während der Probezeit eine Weisung des Gerichtes trotz förmlicher Mahnung aus bösem Willen nicht befolgt oder sich beharrlich dem Einfluß des Bewährungshelfers entzieht.

Die Bestimmung des § 53 Abs. 2 StGB, welche dem Gericht die Möglichkeit bietet, die Probezeit, falls sie kürzer bestimmt worden war, bis auf höchstens fünf Jahre zu verlängern, bezieht sich ausdrücklich und nach dem Gesagten zwangsläufig nur auf den Fall des § 53 Abs. 1 StGB, wenn nämlich der dort normierte Widerrufsgrund an sich vorliegt, jedoch wegen der dem Rechtsbrecher erstellten günstigen Prognose nicht widerrufen wird.

Die Verlängerung der Probezeit entbehrt daher vorliegendenfalls der gesetzlichen Grundlage.

Diese Gesetzesverletzung kann dem Verurteilten in der Zukunft zum Nachteil gereichen. Sie war daher über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zu beheben. Die dem Bezirksgericht Leibnitz anläßlich der Erteilung der Weisungen mehrfach unterlaufenen Gesetzesverletzungen konnten hingegen mangels Beschwerdeführung durch die Generalprokuratur nicht wahrgenommen werden.

Anmerkung

E01543

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0090OS00104.78.1003.000

Dokumentnummer

JJT_19781003_OGH0002_0090OS00104_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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