Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Oktober 1978
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schrammel als Schriftführer in der Strafsache gegen Wolfgang A wegen des Vergehens der teils versuchten, teils vollendeten Täuschung nach § 108 Abs. 1 und Abs. 2, 15 StGB über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Jugendschöffengericht vom 5. April 1978, GZ. 9 Vr 609/
77-17, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Nesvedba und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20. Oktober 1959 geborene - zur Tatzeit noch jugendliche - Hilfsarbeiter Wolfgang A des Vergehens der teils versuchten, teils vollendeten Täuschung nach § 108 Abs. 1 (und Abs. 2) 15 StGB schuldig erkannt, weil er auf seinem nicht zum Verkehr zugelassenen Motorfahrrad Marke KTM Comet 50 RS die polizeiliche Kennzeichentafel O 128.932 montierte und mit diesem Fahrzeug, das die Zulassungsvoraussetzungen für Motorfahrräder nicht erfüllte, auf öffentlichen Straßen fuhr, wodurch er der Republik Österreich an ihrem Recht auf Ausschluß von nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen vom öffentlichen Verkehr 1.) am 14. September 1977 in Breitenaich, Gemeinde Scharten, absichtlich einen Schaden zufügte, indem er Straßenaufsichtsorgane durch die angeführte Täuschung über Tatsachen zur Duldung der Teilnahme am öffentlichen Verkehr mit dem nicht zum Verkehr zugelassenen Motorfahrrad verleitete, und 2.) am 21. September 1976 in Peuerbach absichtlich einen Schaden zuzufügen versuchte, indem er Straßenaufsichtsorgane durch die angeführte Täuschung über Tatsachen zur Duldung der Teilnahme am öffentlichen Verkehr mit dem nicht zum Verkehr zugelassenen Motorfahrrad zu veranlassen versuchte. Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a und 9 lit. b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Zum erstangeführten Nichtigkeitsgrund macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, das ihm angelastete Fahren mit einem nicht zum Verkehr zugelassenen und mit einem falschen Kennzeichen versehenen Kraftfahrzeug stelle noch keine Täuschungshandlung im Sinne des § 108 Abs. 1
StGB dar; eine solche könne erst in seinem - nachfolgenden - Verhalten gegenüber Straßenaufsichtsorganen gelegen sein. Falsche Angaben diesen gegenüber seien jedoch deshalb nicht strafbar, weil er auf Grund seiner (Beschuldigten-)Stellung im Verwaltungsstrafverfahren berechtigt gewesen sei, die Unwahrheit zu sagen.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerdeeinwand versagt.
Schon das Führen einer für ein bestimmtes Fahrzeug ausgegebenen Kennzeichentafel auf einem anderen nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichem Verkehr mit dem Ziel, einer Kontrolle bzw. Beanstandung im Zuge der Verkehrsüberwachung zu entgehen, stellt ein zur Täuschung von Straßenaufsichtsorganen geeignetes und auf eine solche Täuschung berechnetes Verhalten dar, das im Hinblick darauf, daß der Lenker eines Kraftfahrzeuges jederzeit mit der Wahrnehmung dieses Verhaltens durch ein Straßenaufsichtsorgan rechnen muß, auch dem Erfordernis der Ausführungsnähe im Sinne des § 15 Abs. 2 StGB entspricht (vgl. LSK 1977/362 u.a.) und daher - unter der Voraussetzung einer auf Schädigung eines konkreten staatlichen Rechts gerichteten Absicht des Täters - den Tatbestand der versuchten Täuschung erfüllt.
Deliktsvollendung tritt in einem so gelagerten Fall ein, sobald das zuständige Straßenaufsichtsorgan zufolge der Täuschungshandlung eine (Kontrolle und) Beanstandung unterläßt oder - wie hier im Schuldspruchfaktum 1.) -
im Falle der Anhaltung des Fahrzeuges im Zuge einer Verkehrskontrolle die Weiterbenützung des nicht verkehrszugelassenen Kraftfahrzeuges duldet. Weiterer Täuschungshandlungen, etwa in der Form, daß der Täter einem bestimmten Straßenaufsichtsorgan durch falsche Angaben oder Beweisanbote vorspiegelt, berechtigterweise mit dem Fahrzeug gefahren zu sein, bedarf es zur Verwirklichung des Tatbestandes der - versuchten oder vollendeten - Täuschung nicht. Die Frage, inwieweit ein solches Verhalten, wie vorliegend in Ansehung des Schuldspruchfaktums 1.) die Behauptung des Angeklagten, er habe den Zulassungsschein zu Hause vergessen (vgl. S. 64 d. A), für sich allein einen bloß der Hinderung der Ausübung der Verwaltungsstrafgewalt (des ius puniendi) gegen ihn dienenden, mithin straflosen Akt der Täuschung darstellt, kann daher hier auf sich beruhen (vgl. hiezu jedoch auch LSK 1978/112 und 113 = ZVR 1978/124 und 125).
Unstichhältig ist aber auch der Beschwerdeeinwand, es sei vorliegend dem Staat an konkreten Rechten deshalb kein Schaden zugefügt worden, weil in Ansehung des vom Angeklagten benützten Kraftfahrzeuges die materiellen Zulassungsvoraussetzungen ohnedies gegeben gewesen seien.
Nach den bezüglichen Urteilsfeststellungen wurde auf Grund einer Gendarmeriekontrolle am 5. Juli 1977 das Kennzeichen O 8.661 von der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis eingezogen, die Zulassung des betreffenden Motorfahrrades des Angeklagten gemäß dem § 44 Abs. 1 lit. a KFG (mangels Verkehrssicherheit) aufgehoben und dieses in der Folge nicht wieder zum Verkehr zugelassen (vgl. S. 63, 65 d. A), wofür nach der Aktenlage nicht nur der (die Erzielung einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h ermöglichende) Ausbau der Drosselklappe aus dem als Motorfahrrad zugelassenen Fahrzeug, sondern auch der Umstand herangezogen werden konnte, daß die Handbremshebelverschraubung gebrochen und nur mit Draht verbunden war (vgl. S. 5 und 7 d. A).
Dem Erstgericht ist beizupflichten, daß diese Entscheidung der Verwaltungsbehörde im Urteil nicht auf seine inhaltliche Richtigkeit zu überprüfen war. Denn die Bestimmung des § 5 Abs. 2 StPO, wonach der Strafrichter zivilrechtliche, strafrechtliche und verwaltungsrechtliche Vorfragen selbständig zu beurteilen hat, kann nicht dahin verstanden werden, daß es dem Gericht (u.a.) auch freistünde, eine rechtskräftige administrative Entscheidung auf ihre materielle Richtigkeit zu überprüfen. Dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung entsprechend hatte das Erstgericht vielmehr von der durch Bescheid der zuständigen Verwaltungsbehörde festgestellten mangelnden Verkehrssicherheit des gegenständlichen Motorfahrrades als einer Tatsache auszugehen ((vgl. 13 Os 28/76 (verstärkter Senat) - LSK 1977/202 = EvBl. 1977/166 und die dort zitierte Literatur und Judikatur)). Daß der Angeklagte aber die Mängel, die dem von der Aufhebung der Zulassung betroffenen Motorfahrrad anhafteten, vor der jeweiligen Benützung des Fahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr behoben und dieses vor der Tat wieder in einen verkehrs- und betriebssicheren Zustand versetzt hat, sodaß damals allenfalls ein neuerlicher Zulassungsanspruch bestanden hätte, wurde im gesamten Verfahren nicht behauptet. Diesbezüglich wurde vielmehr im Gegenteil sogar festgestellt, daß die Drosselklappe vom Angeklagten nicht wieder eingebaut worden war (S. 63 d A).
Soweit der Beschwerdeführer in Ausführung seiner auf die Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Rechtsrüge ferner behauptet, es habe ihm die für die Tatbestandsverwirklichung erforderliche Absicht gefehlt, ist ihm zunächst entgegenzuhalten, daß Täuschung auf der inneren Tatseite nur bezüglich der Herbeiführung eines Schadens absichtliches Handeln (§ 5 Abs. 2 StGB) verlangt, wogegen für die im § 108 Abs. 1 StGB geforderte Verleitung eines anderen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung durch Täuschung über Tatsachen Vorsatz im Sinne des § 5 Abs. 1
StGB genügt; es reicht daher aus, daß der Täter die Verwirklichung der Täuschung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr innerlich abfindet (vgl. LSK 1977/77 = RZ 1977/69).
Im übrigen hat das Erstgericht aber ausdrücklich festgestellt, daß die Tat des Angeklagten dem Zweck diente, alle Schwierigkeiten zu vermeiden, die sich aus der Nichtzulassung des Kraftfahrzeuges ergeben könnten, und seine Absicht damit auf die Vereitelung einer behördlichen Lenkerkontrolle gerichtet war, mit der zwangsläufigen Folge einer Schädigung des Staates an seinem konkreten Recht, nicht betriebssichere Fahrzeuge von der Teilnahme am öffentlichen Verkehr auszuschließen, und sohin das Vorliegen der nach dem § 108 Abs. 1 StGB tatbestandsmäßigen Schädigungsabsicht frei von Rechtsirrtum bejaht (vgl. LSK 1976/269 = EvBl. 1977/60).
So gesehen kann auch nicht davon gesprochen werden, daß vorliegend (im Schuldspruchfaktum 1.) der Schaden an dem eben genannten konkreten staatlichen Recht unmittelbar durch das Verhalten des Angeklagten und nicht, wie dies bei den Tatbeständen der Täuschung und des Betruges erforderlich ist, durch das Verhalten der in Irrtum geführten Person herbeigeführt worden wäre. Denn - den Beschwerdeausführungen zuwider - tritt der genannte Schaden, wie schon oben angedeutet wurde, erst durch das Unterbleiben einer Amtshandlung seitens des über die Verkehrszulassung des Kraftfahrzeuges getäuschten Straßenaufsichtsorgans bzw. durch die Duldung der weiteren Teilnahme am Straßenverkehr ein. Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO liegt sohin nach keiner Richtung hin vor.
Zu Unrecht erblickt der Beschwerdeführer schließlich eine Nichtigkeit im Sinne der Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO in der Nichtanwendung des § 42 StGB Voraussetzung einer Straflosigkeit aus dem Grunde mangelnder Strafwürdigkeit der Tat ist unter anderem, daß die Schuld des Täters gering ist, das tatbildmäßige Verhalten des Täters also hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat erheblich zurückbleibt (vgl. LSK 1976/346 = EvBl. 1977/102; LSK 1976/379 u.a.). Einer solchen rechtlichen Annahme steht vorliegend jedoch die Wiederholung der Rechtsverletzung durch den Angeklagten entgegen, der trotz vollendeter Täuschung anläßlich einer tatsächlich erfolgten Verkehrskontrolle einen weiteren Täuschungsversuch unternahm. Von einer geringen Schuld des Angeklagten kann bei der im Urteil festgstellten Sachlage daher nicht gesprochen werden, weshalb ihm der Strafausschließungsgrund des § 42 StGB auch dann nicht zustatten kommt, wenn man seiner Auffassung folgend seine Bestrafung nicht (auch deshalb) für geboten erachtet, um ihn von strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken (§ 42 Abs. 1 Z 3 StGB).
Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E01515European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0090OS00103.78.1003.000Dokumentnummer
JJT_19781003_OGH0002_0090OS00103_7800000_000