Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Oktober 1978
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek und in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schrammel als Schriftführer in der Strafsache gegen Attaa A wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach § 15, 142
Abs. 1, 143 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 15.März 1978, GZ. 20 k Vr 6652/77-60, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen der Verteidiger Rechtsanwälte DDr. Peter Stern und Dr. Eduard Wegrostek und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10.Oktober 1956 geborene Student Attaa A - ein ägyptischer Staatsangehöriger - auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen der Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach § 15, 142 Abs. 1, 143 (zweiter Anwendungsfall) StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes) und der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 86 StGB (Punkt 5 des Urteilssatzes) sowie der Vergehen der Nötigung nach § 105
(Abs. 1) StGB (Punkte 2 und 4 des Urteilssatzes) und der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 (Abs. 4 erster Anwendungsfall) StGB (Punkt 3 des Urteilssatzes) schuldig erkannt.
Nach dem Wahrspruch der Geschwornen hatte der Angeklagte am 6.August
1977 in Wien 1) Ilse C durch gefährliche Drohung, indem er ein
Messer gegen sie erhoben hielt, zur Duldung seiner Flucht nach der
in der Hauptfrage 5 /-= Pkt. 1 des Urteilsspruches/- bezeichneten
Tat genötigt (Eventualfrage 2 a /-= Pkt. 4 des Urteilsspruches/-);
2) Ilse C durch einen Stich mit einem Messer am Körper verletzt,
wobei die Tat den Tod der Genannten zur Folge hatte (Eventualfrage 2
b /-= Pkt. 5 des Urteilsspruches/-);
3) Wolfgang D mit Gewalt, nämlich durch einen Angriff und
Versetzen eines Stiches mit einem Messer zur Duldung seiner Flucht
nach der in der Hauptfrage 5 /-= Pkt. 1 des Urteilsspruches/-
bezeichneten Tat genötigt (Eventualfrage 4 a /-= Pkt. 2 des
Urteilsspruches/-);
4) Wolfgang D anläßlich der zur Eventualfrage 4 a /-= Pkt. 2 des
Urteilsspruches/- beschriebenen Tat durch unvorsichtiges Hantieren mit einem Messer fahrlässig am Körper verletzt, wobei (die zur - an sich verneinten - Eventualfrage 4 b bezeichneten) Verletzungen (eine Schnittwunde am rechten Unterarm mit unvollständiger Durchtrennung einer Beugesehne sowie die Durchschneidung oberflächlicher Blutadern) verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Berufsunfähigkeit erfolgt sind (Eventualfrage 4 c /-= Pkt. 3 des Urteilsspruches/-);
5) dadurch, daß er Ottilie E ein Messer gegen den Rücken drückte und auf das neben ihr liegende Papiergeld griff, versucht, der Genannten durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben und mit Gewalt gegen ihre Person fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz wegzunehmen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei der versuchte Raub unter Verwendung einer Waffe verübt wurde (Hauptfrage 5 /-= Pkt. 1 des Urteilsspruches/-).
In der auf § 345 Abs. 1 Z 6 und 9 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer zunächst nur unter dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund zum Urteilsfaktum 3 (Schuldspruch wegen Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung), daß den Geschwornen keine Zusatzfrage dahingehend gestellt wurde, ob die Verletzung des Wolfgang D in Ausübung rechtfertigender Notwehr erfolgt sei, obgleich durch Beweisergebnisse indiziert gwesen sei, daß sich Wolfgang D ihm auf seiner Flucht in den Weg gestellt habe und ihn sohin 'offensichtlich' in seiner Freiheit beschränken wollte.
Rechtliche Beurteilung
Die Rüge versagt. Notwehr setzt einen (gegenwärtigen oder unmittelbar bevorstehenden) rechtswidrigen Angriff eines Menschen auf ein notwehrfähiges Gut voraus.
Von einem rechtswidrigen Verhalten des Verletzten gegenüber dem Angeklagten kann vorliegend jedoch keine Rede sein, gleichviel, ob Wolfgang D der beim (den Gegenstand des Punktes 1 des Schuldspruchs bildenden) überfall um Hilfe rufenden Ottilie E beistehen, ihr mithin Nothilfe leisten wollte (vgl. Bd. I, S 39, 228, 519 d. A), oder ob er sich dem Angeklagten in den Weg stellte, um ihn nach der Tat an der Flucht zu hindern (vgl. Bd. I, S 44, 271, 455, 465, 488, 519 d. A). Sowohl gegen eine Nothilfehandlung als auch gegen eine (im Rahmen des Anhalterechtes) nach § 86 Abs. 2 StPO erfolgende Anhaltung war Notwehr nicht zulässig. Daß sich der Angeklagte aber zur Zeit des Eingreifens des Wolfgang D auf der Flucht nach einer mit gerichtlicher Strafe bedrohenden Handlung befand, räumt (in übereinstimmung mit den Verfahrensergebnissen) auch die Beschwerde ein, die damit gleichzeitig das Vorliegen hinreichender Gründe für die Annahme einer solchen Straftat des Angeklagten durch D im Zusammenhang mit den Hilferufen der überfallenen E nicht zu bestreiten vermag. D versuchte - selbst nach dem Beschwerdevorbringen - lediglich den Angeklagten anzuhalten, indem er sich ihm in den Weg stellte (und nach seinen Armen griff). Dadurch hat er das ihm nach dem Gesetz zustehende Anhaltungsrecht keinesfalls überschritten. Eine Notwehrhandlung des Angeklagten gegen diese maßhaltende und daher nicht rechtswidrige Maßnahme war folglich unzulässig, eine Fragestellung in der vom Angeklagten aufgezeigten Richtung zum Urteilsfaktum 3 durch die Verfahrensergebnisse - aus rechtlichen Erwägungen - nicht indiziert. Nicht durchzudringen vermag der Beschwerdeführer aber auch, insoferne er den Schuldspruch wegen versuchten schweren Raubes (Faktum 1) unter Anrufung der Z 6 und 9 des § 345 Abs. 1 StPO, der Sache nach jedoch lediglich aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund, mit der Behauptung bekämpft, es sei zu Unrecht keine Frage nach der Qualifikation des § 129 Z 4 StGB gestellt worden, obwohl eine solche Fragestellung auf Grund seiner Verantwortung geboten gewesen sei, er habe das (beim Raubüberfall verwendete) Messer nur gebrauchen wollen, um den nach Wegnahme des Geldes zu erwartenden Widerstand einer Person zu überwinden. Dieser Darstellung des Beschwerdeführers hat der Schwurgerichtshof nämlich ohnedies durch die Eventualfragen 6 und 7 wegen versuchten Diebstahls sowie wegen Nötigung Rechnung getragen und den Geschwornen damit eine Alternative zur korrespondierenden Hauptfrage wegen versuchten schweren Raubes geboten. Daß der Schwurgerichtshof in Bezug auf den Diebstahl nur die Qualifikation nach § 128 Z 4 StGB, nicht aber zusätzlich auch noch den strafsatzerhöhenden Umstand des § 129 Z 4 StGB in die Eventualfrage 6 aufnahm, oder aber (letzteren) zum Gegenstand einer Zusatzfrage (im Sinne des § 316 StPO) machte, gereicht dem Beschwerdeführer in keiner Weise zum Nachteil; es hätte sich dies im Falle eines Schuldspruchs bloß wegen Diebstahls (als anstatt Raubes) lediglich zu seinen Gunsten auszuwirken vermocht. Insoferne erweist sich daher die Beschwerde als überhaupt nicht zum Vorteil des Angeklagten ausgeführt. Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen. Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 28, 143 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Jahren. Dabei nahm es das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen - von denen seiner Meinung nach das Verbrechen nach § 86 StGB besonderes Gewicht hat - als erschwerend und den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten, dessen Alter unter 21 Jahren im Zeitpunkt der Tat sowie die zur Wahrheitsfindung beitragende Verantwortung vor der Polizei und vor Gericht als mildernd an.
In seiner Berufung begehrt der Angeklagte die Herabsetzung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe, allenfalls unter das gesetzliche Mindestmaß.
Der Berufung ist zwar einzuräumen, daß das Geschwornengericht die Strafzumessungsgründe nicht vollständig erfaßt hat, weil es dem Angeklagten, wiewohl der Raub von ihm nicht vollendet worden ist, den Milderungsgrund nach Z 13 des § 34 StGB nicht zugute gehalten hat; dennoch kommt ihr im Ergebnis keine Berechtigung zu. Das Geschwornengericht hat nämlich trotzdem ein den allgemeinen Grundsätzen für die Bemessung der Strafe (§ 32 StGB) entsprechendes Strafübel gefunden, das dem Verschulden des Angeklagten und dem Unrechtsgehalt seiner Taten gerecht wird und die Eignung hat, ihm den Unwert des der Verurteilung zugrunde liegenden Verhaltens aufzuzeigen, ihm zu einer redlichen, den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepaßten Lebenseinstellung zu verhelfen und ihn abzuhalten, in Hinkunft schädlichen Neigungen, wie er sie bei seinen Taten zeigte, nachzugehen. Zu einer Herabsetzung der vom Geschwornengericht gefundenen Strafe sah sich der Oberste Gerichtshof demnach nicht veranlaßt.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Der Kostenausspruch gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E01520European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0090OS00129.78.1010.000Dokumentnummer
JJT_19781010_OGH0002_0090OS00129_7800000_000