Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Oktober 1978 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Seidl als Schriftführer in der Strafsache gegen Otto A wegen des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 31. Mai 1978, GZ. 7 b Vr 515/77-11, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Berta Mühl, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 2. Juni 1937 geborene Hilfsarbeiter Otto A des Verbrechens der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Den Urteilsannahmen zufolge hat der Angeklagte am 20. August 1977 Monika B und Franz C dadurch vorsätzlich der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß er sie in einer mit dem Namen Monika B unterfertigten fingierten 'Selbstanzeige' an die Stadtpolizei Enns, wonach Monika B unter Beteiligung Franz C mit einem Flobertgewehr 9 Hasen und 6 Fasane geschossen und 3 Hunde 'böswillig' getötet habe, der Vergehen des schweren Eingriffes in fremdes Jagdrecht nach den § 137, 138 Z. 3
StGB und der Sachbeschädigung nach dem § 125 StGB wissentlich falsch verdächtigte.
Dieses Urteil wird vom Angeklagten mit einer auf die Z. 4 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde angefochten, der Berechtigung nicht zukommt.
Die Verfahrensrüge wendet sich gegen die Abweisung des vom Verteidiger in der Hauptverhandlung zum Beweise, 'daß dem Angeklagten wegen Geistesschwäche die Einsichtsfähigkeit dafür fehle, daß durch die Absendung des gegenständlichen Briefes an die Stadtpolizei Enns Umstände eintreten werden, die eine Verfolgung der in dem Brief erwähnten Personen durch die Obrigkeit bewirken könnten', gestellten Anrages auf Einholung eines psychiatrischen Gutachtens (S. 70).
Rechtliche Beurteilung
Das Erstgericht hat den Beweisantrag unter Hinweis auf die 'Raffiniertheit' der Vorgangsweise des nur wegen seiner Sprachstörung unbeholfen wirkenden Angeklagten mit der weiteren Begründung abgelehnt, daß der Angeklagte nach der überzeugung des Gerichtes voll zurechnungsfähig und seine Zurechnungsfähigkeit nicht einmal erheblich vermindert sei (S. 71).
Diesem Zwischenerkenntnis ist im Ergebnis zuzustimmen. Eine Psychiatrierung des Angeklagten wäre nur dann zu veranlassen gewesen, wenn nach den Verfahrensergebnissen objektive Momente vorliegen, welche die Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten in Frage stellen (Gebert-Pallin-Pfeiffer III/1 Nr. 1
bis 4 zu § 134 StPO, III/2 Nr. 21 a, 21 e zu § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO). Vorliegend ist zwar eine gewisse, sich in der mangelhaften Beherrschung der deutschen Orthographie zeigende intellektuelle Unterbegabung des Angeklagten zutage getreten (vgl. auch die Stellungnahme des öffentlichen Anklägers zum Beweisantrag, S. 70); Anhaltspunkte für die im Beweisantrag - ohne jegliche Substantiierung - behauptete Geistesschwäche oder für sonstige die Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit einschränkende oder gar aufhebende Umstände hat das Beweisverfahren jedoch nicht erbracht. Eine Abweichung von der intellektuellen Durchschnittsnorm an sich genügt grundsätzlich ebensowenig als Grundlage für die Prüfung der Zurechnungsfähigkeit wie bloße Abweichungen vom durchschnittlichen Denken und Entschließen des Menschen (vgl. auch Gebert-Pallin-Pfeiffer III/1 Nr. 4
zu § 134 StPO). Fehlt es solcherart an den Voraussetzungen für die Zulassung des beantragten Sachverständigenbeweises, dann kann in dem ablehnenden Zwischenerkenntnis, entgegen den Beschwerdeausführungen, auch keine vorgreifende Beweiswürdigung erblickt werden. Der behauptete Verfahrensmangel liegt somit nicht vor. Soweit der Beschwerdeführer aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO das Fehlen von zureichenden Feststellungen zur subjektiven Tatseite geltend macht, führt er diesen Teil seiner Rechtsrüge, weil nicht vom Urteilssachverhalt ausgehend, nicht dem Gesetz gemäß aus.
Das Erstgericht hat nämlich nicht nur festgestellt, daß der Beschwerdeführer die (in der 'Selbstanzeige' behaupteten) Taten 'frei erfand', er also wissentlich Monika B und Franz C fälschlich beschuldigte (S. 75, 77 f.), sondern auch, daß der Beschwerdeführer durch den Brief an die Stadtpolizei Enns einer 'für die Aufklärung von Wilddiebstählen und Sachbeschädigungen zuständigen Behörde diesen Sachverhalt zur Kenntnis bringen wollte', somit in der 'Absicht' gehandelt hat, die Genannten der Gefahr einer behördlichen Verfolgung auszusetzen (S. 77). Damit hat das Erstgericht aber sämtliche für die innere Tatseite des Deliktes der Verleumdung wesentlichen Kriterien, d.i. neben der Wissentlichkeit (§ 5 Abs. 3 StGB) in Ansehung der falschen Verdächtigung, der (wenigstens bedingte) Gefährdungsvorsatz (§ 5 Abs. 1 StGB / vgl. Leukauf-Steininger 1171; ÖJZ-LSK.
1976/98 u.a. /), festgestellt, weshalb dem Urteil auch ein Feststellungsmangel nicht anhaftet.
Im übrigen versagt die Rechtsrüge, insoferne sie ebenfalls aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO die Tatbildlichkeit des Verhaltens des Beschwerdeführers - teilweise - deshalb in Zweifel zieht, weil sich der gegenständliche Brief 'in seiner Gesamtheit als völlig untauglich dargestellt habe, die behördliche Verfolgung des Franz C überhaupt herbeizuführen, zumal schon die äußere Gestaltung des Briefes im Zusammenhang mit einer ersten Befragung der Mitbeschuldigten Monika B es von vornherein als unsinnig habe erkennen lassen, Franz C auch nur zu befragen oder in Verfolgung zu ziehen'.
Das Tatbild des § 297 Abs. 1 StGB erfordert in jedem Fall, daß der Täter den anderen durch die wissentlich falsche Verdächtigung konkret der Gefahr einer (straf-) behördlichen Verfolgung aussetzt; es muß zumindest wahrscheinlich sein, daß irgendeine Behörde den Verdächtigen verfolgen werde. Nur bei einer derart unglaubhaften falschen Beschuldigung, bei welcher von vornherein nicht einmal die Wahrscheinlichkeit eines behördlichen Einschreitens gegen den Verdächtigten besteht, fehlt es am Tatbild (ÖJZ-LSK. 1975/144 - SSt. 46/39).
Von einer solchen von vornherein bestehenden Unwahrscheinlichkeit eines behördlichen Einschreitens gegen Franz C kann aber vorliegend schon deshalb nicht die Rede sein, weil das Schreiben des Angeklagten konkrete Einzelheiten, welche die Stadtpolizei Enns zu Nachforschungen verpflichteten (§ 3, 24, 84 StPO), enthielt, jedoch keinerlei Hinweise auf die Unrichtigkeit oder Unglaubwürdigkeit des Inhaltes oder auch nur auf die mangelnde Echtheit des Schreibens. Hiezu kommt, daß der Verdacht gegen Franz C überdies auf den Besitz eines Flobertgewehres, also einer Waffe gleicher Art, wie sie im Schreiben des Angeklagten als Tatwaffe bezeichnet wurde, gestützt werden konnte (vgl. S. 74 f., 77). Tatsächlich wurden sowohl Monika B als auch Franz C von zwei Beamten der Stadtpolizei Enns zum Sachverhalt vernommen (Seiten 7 f., 75); beide Vedächtigen waren also zu diesem Zeitpunkt konkret der Gefahr strafbehördlicher Verfolgung ausgesetzt, welche erst beseitigt war, nachdem der Angeklagte Otto A auf Grund einer Schriftprobe als Schreiber der Anzeige eruiert, bekannt geworden war, daß zwischen ihm und Monika B Streitigkeiten bestanden hatten, die eine Art Racheakt des Angeklagten erklärbar erscheinen ließen, und er sich seiner Vernehmung durch die Flucht zu entziehen trachtete (Seiten 8, 74 f.).
Das Erstgercht hat somit die durch die falsche Verdächtigung bewirkte Herbeiführung der Gefahr einer behördlichen Verfolgung Monika B und Franz C rechtsrichtig dem Tatbestand der Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1
StGB unterstellt.
Dem weiteren, unter dem Gesichtspunkte der Z. 11 des § 281 Abs. 1 StPO im Gerichtstag vorgebrachten Einwand, dem Beschwerdeführer könne ein Wissen um die strafsatzerhöhenden Umstände, welche gleichfalls vom Vorsatz umfaßt sein müssen, nicht angelastet werden, ist zu erwidern, daß eine Kenntnis des Verleumders davon, daß die dem Verleumdeten fälschlich angelastete Handlung mit einer ein Jahr übersteigender Freiheitsstrafe bedroht ist, nicht notwendig ist. Es genügt, wenn er die Tatumstände (Waffe, Beteiligung) kennt, welche die strengere Bestrafung des Verleumdeten nach sich ziehen können, ohne von deren rechtlicher Konsequenz zu wissen (vgl. EvBl. 1976/206 = ÖJZ-LSK. 1976/98 = 10 0s 151/75). Von einer solchen Kenntnis ist aber das Erstgericht bei seinen Urteilsannahmen ausgegangen, sodaß auch dieser im Sinne des § 290 Abs. 1 StPO gemachten Anregung kein Erfolg beschieden war.
Der zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach dem zweiten Strafsatz des § 297 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten und nahm bei der Strafbemessung als erschwerend die Verdächtigung von zwei Personen, als mildernd den Umstand an, daß der Verleumdung keinerlei Erfolg beschieden war. Auch die Berufung des Angeklagten, die Herabsetzung der Dauer der Freiheitsstrafe und ihre bedingte Nachsicht begehrt, ist unbegründet.
Das Erstgericht hat, vom Berufungswerber unbestritten, die Strafzumessungsgründe vollständig und richtig angeführt, sie ihrem Gewichte nach aber auch zutreffend gewürdigt.
Die Strafhöhe erweist sich nämlich der neuerlich gezeigten ablehnenden Haltung des Angeklagten gegenüber rechtlich geschützten Werten angepaßt und ist der Höhe nach auch notwendig, der Begehung ähnlicher Straftaten durch andere entgegenzuwirken. Gewährung bedingter Strafnachsicht steht die Persönlichkeit des Täters und sein durch zahlreiche, wenn auch nicht einschlägigen Vorstrafen geprägtes Vorleben entgegen.
Es war somit spruchgemäß zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO
Anmerkung
E01560European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0120OS00128.78.1012.000Dokumentnummer
JJT_19781012_OGH0002_0120OS00128_7800000_000