Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Oktober 1978
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Obauer und in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Racek sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Faseth, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hammer als Schriftführer in der Strafsache gegen Alois A wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Korneuburg vom 28.Juni 1978, GZ. 10 Vr 520/77-59, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Racek, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Stolarz und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 15.Juni 1931 geborene (zuletzt beschäftigungslose) Hilfsarbeiter Alois A des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 21 Abs. 2 StGB wurde Alois A in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Die Geschwornen hatten jeweils stimmeneinhellig die an sie gerichtete Hauptfrage (Frage 1.), ob der Angeklagte schuldig sei, am 18. Juli 1977 in Enzersdorf im Thale seine Mutter Maria A dadurch, daß er sie würgte, ihr zwei Socken in den Mund stopfte, mit einem Brett und einer Weinflasche mehrere Schläge auf den Kopf versetzte und mit einer Rasierklinge die Kehle durchschnitt, vorsätzlich getötet zu haben, bejaht sowie die Zusatzfrage (Frage 2.) in der Richtung des Schuldausschließungsgrundes der Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 11 StGB (§ 313 StPO) verneint.
Dieses Urteil wird vom Angeklagten mit einer auf die Z 4 und 8 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft. Mit seiner Berufung erstrebt er die Verhängung einer milderen, also einer zeitlichen Freiheitsstrafe.
Aus dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer die - seiner Ansicht nach der Vorschrift des § 151 Z 1 StPO zuwiderlaufende - zeugenschaftliche Vernehmung des Pfarrers Wenzel B in der Hauptverhandlung über Umstände, die dem Zeugen 'zweifelsohne unter dem Siegel geistlicher Amtsverschwiegenheit' anvertraut worden seien.
Rechtliche Beurteilung
Der Einwand versagt.
Gemäß § 151 Z 1 StPO dürfen bei sonstiger Nichtigkeit ihrer Aussage Geistliche über das, was ihnen in der Beichte oder sonst unter dem Siegel geistlicher Amtsverschwiegenheit anvertraut wurde, als Zeugen nicht vernommen werden. Es ist demnach die allgemeine Zeugenpflicht bei Geistlichen nur insoweit aufgehoben und deren Vernehmung (absolut) unzulässig, als der Gegenstand der Abhörung in das Beichtgeheimnis oder sonst unter die geistliche Amtsverschwiegenheit fällt (EvBl. 1970/323). In der Regel hängt es von der glaubhaften Versicherung des als Zeugen vernommenen Geistlichen ab, ob die an ihn gestellte Frage einen Gegenstand seines Amtsgeheimnisses betrifft. Denn es kann nicht bezweifelt werden, daß demjenigen, welchem das Gesetz die Zeugnisablegung verbietet, grundsätzlich ein Urteil darüber zustehen muß, ob die gestellte Frage seine Amtspflicht berührt oder nicht (vgl. Mayer, Kommentar, II, S 510 f). Inhaltlich des Hauptverhandlungsprotokolls (Bd. II S 54 f) hat vorliegend der Pfarrer (i.R.) Wenzel B, nachdem ihm die Bestimmung des § 151 Z 1
StPO vorgehalten worden war, als Zeuge - übrigens in übereinstimmung mit der Verantwortung des Angeklagten (Bd. II S 47) - im wesentlichen deponiert, daß der (ihm bis dahin unbekannte) Angeklagte am Tag der Tat, gegen 5 Uhr morgens (das war nach dem Beschwerdevorbringen - Bd. II S 117 - etwa 1 1/2 Stunden vor dem Mord) an der Türe des Pfarrhofes läutete und mehrmals erklärte, er habe seiner Mutter Geld gestohlen, es täte ihm leid und er würde es nicht mehr tun. Pfarrer B habe dem Angeklagten bedeutet, er solle es seiner Mutter zurückgeben, wenn er könne, und er solle sich ausschlafen.
Der Angeklagte sei damals unter Alkoholeinwirkung gestanden, habe aber verständlich sprechen können.
Da dieser Inhalt der Zeugenaussage weder seinem Wortlaut und Sinngehalt nach, noch nach der offenbaren Auffassung des Zeugen selbst im Zusammenhang mit dessen geistlichen Amtsverschwiegenheit stand, sondern lediglich die Alkoholisierung des Angeklagten wenige Stunden vor der Tat betraf (vgl. auch die 'ergänzenden' Angaben des Sachverständigen Dozent Dr. Herbich, Bd. II S 55 - siehe ferner Bd. I S 449), liegt der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verstoß gegen das Beweisverbot des § 151 Z 1 StPO und damit auch der behauptete Nichtigkeitsgrund nicht vor. Davon abgesehen hätte übrigens im gegebenen Zusammenhang, wie unzweifelhaft erkennbar ist, eine allfällige Formverletzung einen für den Beschwerdeführer nachteiligen Einfluß auf die Entscheidung nicht üben können (§ 345 Abs. 3 StPO), zumal einerseits der Umstand, daß der Angeklagte dem Zeugen B einen Diebstahl zum Nachteil seiner Mutter gestand, mit dem allein unter Anklage gestellten Mordgeschehen (als solchen) nichts zu tun hatte (und daher nicht entscheidungswesentlich war), andererseits aber der Angeklagte - wie bereits erwähnt - selbst zugegeben hat, bei seinem Gespräch mit dem Zeugen nur 'ganz gering' alkoholisiert gewesen zu sein (Bd. II S 47).
Aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs. 1
StPO bemängelt der Beschwerdeführer, daß die Rechtsbelehrung in Ansehung der Zusatzfrage (Frage 2.) nach dem Vorliegen der Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 11
StGB 'mangelhaft, unvollständig und nicht allgemein verständlich'
abgefaßt sei.
Auch diese Rüge geht fehl.
Soweit sie die Rechtsbelehrung ohne Anführung konkretisierter Mängel und einer solchen Begründung bloß als 'für die Geschwornen schwer verständlich' bezeichnet, kann sie schon mangels hinreichender Substantiierung im Sinne der § 285 Abs. 1, 285 a Z 2, 344 StPO von vorneherein keine Berücksichtigung finden.
Im übrigen übersieht der Beschwerdeführer aber, daß die behauptete Nichtigkeit nur durch eine Unrichtigkeit - oder eine dieser gleichkommenden Unvollständigkeit (vgl. z.B. SSt 23/80, EvBl. 1962/465, 1974/77 u.v.a.) -
der im § 321 Abs. 2 StPO ihrem Inhalt nach genau umschriebenen Rechtsbelehrung begründet wird.
Hienach gehört - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - eine Erläuterung, daß die Frage der Zurechnungsunfähigkeit 'eine reine Rechtsfrage' darstelle, die nicht der medizinische Sachverständige, 'sondern nur das Gericht' zu entscheiden habe, nicht in die den Geschwornen zu erteilende Rechtsbelehrung (mit ihrem vom Gesetz genau abgegrenzten Rahmen). Nicht anders verhält es sich mit dem vom Beschwerdeführer ferner vermißten Hinweis an die Geschwornen, wonach bei Entscheidung der Frage der Zurechnungsfähigkeit keine Bindung an die Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen bestehe, sondern sämtliche Ergebnisse des Beweisverfahrens zu berücksichtigen seien. Die sorgfältige und gewissenhafte Prüfung aller Beweismittel sowie die - unparteiliche und dem Gesetz gemäße - Entscheidung auf Grund der daraus gewonnenen überzeugung allein - ohne Bindung an Beweisregeln - ist den Geschwornen schon in dem von ihnen abzulegenden Eid (§ 305 StPO) und in der ihnen von ihrem Obmann zu verlesenden und im Beratungszimmer anzuschlagenden Belehrung (§ 325 StPO) aufgetragen. Auch diese Belehrungen sind im gegenständlichen Falle erfolgt (vgl. Bd. II S 42, 69).
Daß sich die Geschwornen im übrigen - nach der von ihnen gemäß § 330 Abs. 3 verfaßten Niederschrift (Bd. II S 85) - bei Verneinung der Zusatzfrage (Frage 2.) nicht nur von den Gutachten der Sachverständigen, sondern auch vom persönlichen Eindruck des Angeklagten leiten ließen, sei bloß der Vollständigkeit halber noch am Rande erwähnt.
Da somit auch von einer der Unrichtigkeit gleichkommenden Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung im Sinne des Nichtigkeitsgrundes nach § 345 Abs. 1 Z 8 StPO keine Rede sein kann, war der zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde der Erfolg zu versagen.
Bei der Strafzumessung nahm das Erstgericht als erschwerend eine vorangegangene Verurteilung wegen einer auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden - und ebenfalls gegen seine leibliche Mutter gerichteten - Tat des Angeklagten, die besondere Grausamkeit seiner nunmehrigen deliktischen Handlung sowie den Umstand an, daß die Ermordete eben seine eigene Mutter war (wobei es jeweils die das Gewicht der einzelnen Erschwerungsgründe charakteriesierenden Momente anführte - siehe Seite 90/II), als mildernd hingegen das reumütige Geständnis, die Selbststellung, eine gewisse Erregung zur Tatzeit, die Enthemmung durch Alkohol und die geistige Abnormität sowie Primitivität des Angeklagten.
Die Berufung, mit der sich der Angeklagte ausschließlich gegen die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe wendet und eine weitergehende Berücksichtigung der geistigen Abnormität (derentwegen zugleich gemäß § 21 Abs. 2 StGB die vorbeugende Maßnahme seiner Anstaltsunterbringung angeordnet wurde) bei der Festsetzung der Strafe durch Bestimmung einer zeitlichen Freiheitsstrafe anstrebt, ist unbegründet. Das Erstgericht hat, wie schon die Wiedergabe der im wesentlichen richtig festgehaltenen Strafzumessungsgründe zeigt, aber auch den anschließenden Urteilsgründen (S 90 ff/ II) unmißverständlich zu entnehmen ist, gerade der Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten seine besondere Aufmerksamkeit zugewendet; es ist allerdings trotzdem in einer - vor allem auch auf die im § 32 StGB für die Strafbemessung normierten allgemeinen Grundsätze bedachten - eingehenden Würdigung sämtlicher maßgebenden Umstände zum Ergebnis gelangt, daß lediglich eine lebenslange Freiheitsstrafe dem von der Schuld des Angeklagten erfaßten bedeutenden Unrechtsgehalt seiner Handlungsweise gerecht wird. Der Oberste Gerichtshof pflichtet dem vollinhaltlich bei und erachtet nach Lage des Falles ebenso die Verhängung einer zeitlichen Freiheitsstrafe für nicht vertretbar.
Es war daher der unberechtigten Berufung ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E01506European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0090OS00137.78.1013.000Dokumentnummer
JJT_19781013_OGH0002_0090OS00137_7800000_000