Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 1978
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Racek sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hammer als Schriftführer in der Strafsache gegen Johannes A und andere wegen des Verbrechens des (schweren) Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 (128 Abs. 1 Z 4), 129 Z 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Jugendschöffengericht vom 13. Juni 1978, GZ. 11 Vr 228/78-27, hinsichtlich des Angeklagten Alfred A erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Dr. Racek, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Karollus, und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Weber zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem (gesamten) den Alfred A betreffenden Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Der Antrag der Staatsanwaltschaft Klagenfurt vom 27. April 1978 auf 'Straffestsetzung' zu dem im Ersturteil angeführten Schuldspruch nach § 13 Abs. 1 JGG wird abgewiesen.
Für die ihm laut dem (aufrechten) angefochtenen Urteil zur Last fallenden strafbaren Handlungen wird der Angeklagte Alfred A nach § 28, 129 StGB und § 11 JGG sowie gemäß § 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 6. Dezember 1977, GZ. 12 U 650/77-7, zu 4 (vier) Monaten zusätzlicher Freiheitsstrafe verurteilt.
Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde unter anderen der am 6.10.1960 geborene - mithin damals noch jugendliche -
Hilfsarbeiter Alfred A der Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 129
Z 1 StGB (Pkt. I/3-5) und der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 und Abs. 3 StGB (Pkt. II/2) sowie des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB (Pkt. III/ 2-4 des Urteilssatzes) schuldig erkannt und hiefür (sowie) unter gleichzeitiger Festsetzung der Strafe hinsichtlich des Schuldspruches zu 2 U 64/77 des Bezirksgerichtes Villach gemäß § 13 Abs. 2 JGG nach § 28, 129 StGB, § ll JGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt.
Gemäß § 43 Abs. 1 StGB sah das Erstgericht die (Vollziehung dieser) Freiheitsstrafe für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nach. Dem Schuldspruch zu Pkt. I/ und III/ liegen jeweils insgesamt drei vom Angeklagten Alfred A in Gesellschaft Strafunmündiger in der Zeit vom 14.9. bis 5.10. 1977 in Klagenfurt verübte PKW-Einbrüche und dauernde Sachentziehungen zugrunde; der zu Pkt. II/ ergangene Schuldspruch wegen Hehlerei betrifft das Ansichbringen eines aus einem PKW-Einbruch (anderer Täter) stammenden Bargeldbetrages in der Höhe von 2.300 S (Tatzeit 20.9.1977).
In dem (mit dem beim Landesgericht Klagenfurt anhängigen Verfahren 11 Vr 228/78 zur gemeinsamen Straffestsetzung verbundenen) Verfahren 2 U 64/77 des Bezirksgerichtes Villach (erliegend zu ON 22) war der Angeklagte Alfred A mit Urteil vom 21.7.1977 (ON 10) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 2 StGB schuldig erkannt, der Ausspruch der Strafe jedoch gemäß § 13 Abs. 1 JGG für eine dreijährige Probezeit aufgeschoben worden. In diese Probezeit fielen die nunmehr zur Aburteilung gelangten Straftaten dieses Angeklagten laut Pkt. I/ - III/ des Urteilssatzes. Außerdem war Alfred A mit Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 6.12.1977, GZ. 12 U 650/77-7, rechtskräftig wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB zu einer bedingt nachgesehenen dreiwöchigen Freiheitsstrafe verurteilt worden (S. 45/46 in ON 22).
Die Staatsanwaltschaft bekämpft mit ihrer nur auf die Z 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde - allein - den Ausspruch der bedingten Strafnachsicht (§ 43 Abs. 1 StGB) der über Alfred A verhängten sechsmonatigen Freiheitsstrafe.
Rechtliche Beurteilung
Obwohl es - im Sinne der an sich rechtsrichtigen Ausführungen der Staatsanwaltschaft - zutrifft, daß dort, wo - wie vorliegend vom Erstgericht für die nunmehr zur Aburteilung gelangten Straftaten des Alfred A und für das ihm laut dem zitierten Schuldspruch des Bezirksgerichtes Villach vom 21.7.1977 (2 U 64/77) zur Last fallende Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 2 StGB - nach Vereinigung eines (nur) vorläufig mit einem Schuldspruch nach § 13 Abs. 1 JGG abgeschlossenen Verfahrens mit einem solchen wegen neuer Straftaten im Sinne des § 56 StPO zur gemeinsamen Straffestsetzung eine Gesamtstrafe (hier: sechs Monate Freiheitsstrafe) ausgesprochen wird, eine bedingte Strafnachsicht in Anwendung des § 43 Abs. 1
StGB nicht Platz greifen kann (LSK 1978/99; vgl. SSt. 33/ 73; EvBl. 1974/95), muß der Rechtsrüge im Ergebnis doch ein Erfolg versagt bleiben.
Denn, wie sich der Oberste Gerichtshof aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde des öffentlichen Anklägers überzeugen konnte, ist dem Erstgericht ein Rechtsirrtum nach der angerufenen Gesetzesstelle nicht nur im relevierten Belange zum Vorteil des Angeklagten, sondern darüber hinaus auch in einer Richtung, in der das Rechtsmittel nicht ergriffen wurde, zum Nachteil des Angeklagten unterlaufen, wobei durch die amtswegige Wahrnehmung dieses Fehlers nach § 290 Abs. 1 StPO dem seitens der Staatsanwaltschaft erhobenen Rechtsmittel der Boden entzogen wird.
Das am 21. Juli 1977 vom Bezirksgericht Villach zur GZ. 1 U 64/77-10 - in Abwesenheit des zur Hauptverhandlung zwar ordnungsgemäß vorgeladenen, aber nicht erschienenen Vaters Viktor A (siehe ON. 22/S. 35, 41) - gefällte Urteil, womit Ausspruch und Vollstreckung der über Alfred A für das Vergehen nach § 83 Abs. 2 StGB zu verhängenden Strafe gemäß § 13 Abs. 1 StPO vorläufig aufgeschoben wurden, ist nämlich dem Viktor A, dessen inländischer Aufenthalt bekannt und der trotz geschiedener Ehe (der Eltern des Angeklagten) nach der damaligen Rechtslage (vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 30.6.1977, BGBl. Nr. 403, über die Neuordnung des Kindschaftsrechtes) gesetzlicher Vertreter des jugendlichen Beschuldigten war, der Anordnung des § 39 Abs. 2 JGG zuwider nicht zugestellt worden (vgl. aaO, S 39-41). Da die zitierte Vorschrift dem gesetzlichen Vertreter eine eigenständige Rechtsmittelbefugnis einräumt, wobei die Frist zur Erhebung des Rechtsmittels für den gesetzlichen Vertreter, soferne ihm - was gegenständlichenfalls zutrifft - die Entscheidung bekannt zu machen war, von dem Tage läuft, an dem sie ihm eröffnet worden ist, folgt aus dem gegebenen Mangel einer solchen Bekanntmachung, daß das in Rede stehende Urteil zur Zeit der (gleichzeitigen) nachträglichen Straffestsetzung gemäß § 13 Abs. 2, 46 Abs. 4 JGG im vorliegenden Strafverfahren (wie auch nachher) noch gar nicht rechtskräftig war. Es hatte darum einerseits die mit drei Jahren festgesetzte Probezeit nicht zu laufen begonnen, sodaß selbst eine Verhaltensweise, die sonst ein Vorgehen nach den zuletzt zitierten Gesetzesstellen auszulösen geeignet war, keinesfalls derartige Rechtswirkungen herbeizuführen vermochte, und dies umso weniger, als unter den dargelegten Umständen von vorneherein ihretwegen nicht gesagt werden konnte, es habe sich innerhalb der Probezeit gezeigt, daß ohne Ausspruch und Vollziehung der Strafe keine Besserung des Verurteilten erzielt werden könne; andererseits war es aber - auch hievon unabhängig - nicht angängig, zu einem noch nicht rechtskräftigen Schuldspruch, der hiefür keine taugliche Basis abgab, im Sinne der § 13 Abs. 2, 46 Abs. 4 JGG eine Strafe nachträglich festzusetzen. Da das Erstgericht dies dennoch tat, anstatt den bezüglichen Antrag der Staatsanwaltschaft wegen Fehlens der (vorbezeichneten) gesetzlichen Voraussetzungen abzuweisen und den nunmehrigen Strafausspruch auf die neuen Delikte zu beschränken, hat es seine Strafbefugnis in der im § 281 Abs. 1 Z 11 StPO umschriebenen Weise überschritten. Es war daher gemäß § 290 Abs. 1 StPO spruchgemäß zu erkennen und weil bei einer Ablehnung der von der Staatsanwaltschaft beantragten Straffestsetzung der Anwendung des § 43 Abs. 1 StGB nichts mehr hindernd im Wege steht, die Staatsanwaltschaft mit ihrer sohin gegenstandslos gewordenen Nichtigkeitsbeschwerde auf diese Entscheidung zu verweisen. Bei der erforderlichen Neubemessung der Strafe für die Fakten des angefochtenen Urteils waren erschwerend die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art, sowie die zweifache Diebstahlsqualifikation, mildernd hingegen das Geständnis und die teilweise Schadensgutmachung.
Ferner war - bei Vorliegen der zeitlichen Voraussetzungen für eine gemeinsame Aburteilung (§ 56 StPO) der nun und der am 6. Dezember 1977 im gesondert geführten Verfahren des Bezirksgerichts Klagenfurt 12 U 650/77
geahndeten Straftaten - gemäß § 31, 40 StPO auf die dort wegen des Vergehens nach § 125 StGB über Alfred A verhängte bedingte dreiwöchige Freiheitsstrafe Bedacht zu nehmen.
Auf Grund dieser Bedachtnahme erachtet der Oberste Gerichtshof in Würdigung der obigen Strafzumessungsgründe und Beachtung der in den § 32 und 40 StGB für die Strafzumessung festgelegten Grundsätze die aus dem Spruch ersichtliche Zusatzstrafe als der Schuld des Angeklagten sowie dem von ihr umfaßten Unrechtsgehalt seiner Taten angemessen.
Die Zusatzstrafe war ebenfalls neuerlich bedingt nachzusehen, zumal sie von der Staatsanwaltschaft lediglich unter dem Aspekt der Unzulässigkeit, nicht aber auch mit Berufung unter jenem des unrichtigen Gebrauchs des dem Gericht hiebei eingeräumten Ermessens angefochten worden und das vorgelegene Hindernis in Wegfall gekommen ist (§ 290 Abs. 2 StPO).
Anmerkung
E01517European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0090OS00151.78.1013.000Dokumentnummer
JJT_19781013_OGH0002_0090OS00151_7800000_000