Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Oktober 1978
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Seidl als Schriftführer in der Strafsache gegen Friedrich A wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Lembach vom 23.September 1976, GZ. U 117/76-5a, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschluß des Bezirksgerichtes Lembach vom 23.September 1976, GZ. U 117/76-5a, mit dem dem Verurteilten Friedrich A die Weisung erteilt wurde, innerhalb eines Jahres in einer öffentlichen oder privaten Sozialinstitution an 20 Tagen zu je 8 Stunden unentgeltlich Arbeiten aller Art zu verrichten und hierüber ein Zeugnis zu begehren, wobei ihm der Widerruf der bedingten Strafnachsicht auch für den Fall der auffallenden nachlässigen Befolgung dieser Weisung angedroht wurde, sowie das (an das Bezirksgericht Linz gerichtete) Rechtshilfeersuchen des Bezirksgerichtes Lembach vom 27.Oktober 1977, ON 9 d. A, den Verurteilten Friedrich A förmlich zu mahnen, dieser Weisung binnen einer Nachfrist von 3 Monaten bei sonstigem Widerruf der bedingten Strafnachsicht nachzukommen, verletzen das Gesetz in den Bestimmungen der § 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 und 53 Abs. 3 StGB Der genannte Beschluß vom 23.September 1976 wird aufgehoben. Der im Urteil des Bezirksgerichtes Lembach vom 23.September 1976, ON 5 d. A, im Zusammenhang mit der dort ausgesprochenen bedingten Strafnachsicht enthaltene Hinweis auf die 'Erteilung einer Weisung gemäß dem beiliegenden Beschluß' sowie die in der Urkunde über die bedingte Strafnachsicht, ON 7 d. A, somit gegenstandslose Verweisung auf den Beschluß vom 23.September 1976, GZ. U 117/76-5a, haben demnach zu entfallen.
Text
Gründe:
Mit dem Abwesenheitsurteil des Bezirksgerichtes Lembach vom 23. September 1976, GZ. U 117/76-5, wurde der am 17.Dezember 1951 geborene Maschinenschlosser Friedrich A des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe in der Höhe von 80 Tagessätzen zu je 180 S (für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 40 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt. Diese Geldstrafe wurde Friedrich A (gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB) unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen und ihm gleichzeitig unter Hinweis auf einen beiliegenden Beschluß eine Weisung erteilt. Nach dem Inhalt dieses am selben Tag vom Bezirksgericht Lembach gefaßten Beschlusses, ONr. 5 a d. A, bestand die dem Verurteilten im Zusammenhang mit der bedingt nachgesehenen Geldstrafe (gemäß den § 50, 51 StGB) erteilte Weisung darin, binnen einem Jahr nach Verkündung dieses Beschlusses, spätestens aber nach Rechtskraft des zugrundeliegenden Urteils und dieses Beschlusses, in einer öffentlichen oder privaten Sozialinstitution (Altersheim, Krankenhaus, Rehabilitationszentrum, Sanitätsdienst etc.) unentgeltlich nachweislich an 20 Tagen a 8 Stunden Arbeiten aller Art zu verrichten. Nach den weiteren Ausführungen dieses Beschlusses entfällt diese Verpflichtung, wenn der Verurteilte durch Beibringung von schriftlichen Absagen mindestens von 10 entsprechenden Institutionen nachweist, daß er sich nach Kräften bemüht hat, die Weisung zu erfüllen. Wird ihm vom Gericht aber eine bestimmte Institution mitgeteilt, welche bereit ist, angebotene Sozialleistungen anzunehmen, so hat er auch von dieser Institution eine schriftliche Ablehnung nachzuweisen. Weiters wurde dem Verurteilten in diesem Beschluß aufgetragen, über die geleisteten Arbeiten ein ausführliches Zeugnis zu begehren, damit die Erfüllung der Weisung auch entsprechend überprüft werden könne. Bei Nichtbefolgung, nur teilweiser, nicht rechtzeitiger oder auffallend nachlässiger Befolgung dieser Weisung wurde dem Verurteilten ungeachtet seines sonstigen Verhaltens der Widerruf der bedingten Strafnachsicht in Aussicht gestellt. Im Anschluß an eine Begründung enthält dieser Beschluß noch den Hinweis, daß nach Kenntnis des Gerichtes das Altersheim Gneisenau bereit sei, die aufgetragenen Arbeiten entgegenzunehmen.
Diesen Beschluß ließ Friedrich A ebenso wie das in seiner Abwesenheit gefällte Urteil unbekämpft.
In der ihm zugestellten Urkunde über die bedingte Strafnachsicht, ON 7 d. A, wird ausdrücklich auf die im vorerwähnten Beschluß erteilte Weisung Bezug genommen.
über Ersuchen des Bezirksgerichtes Lembach vom 27.Oktober 1977, den Verurteilten förmlich zu mahnen, dieser ihm erteilten Weisung binnen einer Nachfrist von drei Momanten bei sonstigem Widerruf der bedigten Strafnachsicht nachzukommen (S 41 d. A), wurde Friedrich A im Rechtshilfeweg durch das Bezirksgericht Linz am 12.Dezember 1977 in diese Richtung belehrt (ON 10 d. A).
Er hat aber, wie aus seiner weiteren Einvernahme durch das Bezirksgericht Linz am 14.April 1978 (ON 12 d. A) hervorgeht, dieser Weisung auch innerhalb der ihm gesetzten dreimonatigen Nachfrist nicht entsprochen, jedoch erklärt, für den Fall des Widerrufs der bedingt nachgesehenen Geldstrafe die Hälfte der Geldstrafe (d.i. 7.200 S) zu bezahlen und an Stelle der restlichen Geldstrafe innerhalb eines Zeitraumes von 3 Monaten an 10 Arbeitstagen die ihm laut Weisung aufgetragenen Sozialarbeiten zu verrichten. Der Beschluß des Bezirksgerichtes Lembach vom 23.September 1976, ON 5 a d. A, und die Anordnung dieses Gerichtes in seinem an das Bezirksgericht Linz gerichteten Rechtshilfeersuchen vom 27.Oktober 1977, ON 9
d. A, den Verurteilten Friedrich A förmlich zu mahnen, der ihm erteilten Weisung binnen einer Nachfrist von 3 Monaten bei sonstigem Widerruf der bedingten Strafnachsicht nachzukommen, stehen mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 50 Abs. 1 StGB hat das Gericht unter anderem einen Rechtsbrecher, dem die Strafe bedingt nachgesehen wird, Weisungen zu erteilen, soweit das notwendig oder zweckmäßig ist, um ihn von weiteren mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten. Eine nähere Aussage über den Inhalt der als Weisungen in Betracht kommenden Ge- und Verbote findet sich im § 51 StGB, dessen Abs. 2 eine beispielsweise Aufzählung hiezu enthält.
Wesentlich ist die im zweiten Satz des § 51 Abs. 1 StGB statuierte Einschränkung, derzufolge Weisungen, die einen unzumutbaren Eingriff in die Persönlichkeitsrechte oder in die Lebensführung des Rechtsbrecher darstellen, unzulässig sind. Eben gegen diese (einschränkende) Bestimmung verstößt aber die im vorliegenden Fall vom Bezirksgericht Lembach erteilte Weisung:
Schon der wesentliche Punkt dieser Weisung, nämlich in einer öffentlichen oder privaten Sozialinstitution 'Arbeiten aller Art' zu verrichten, ist mit der vorzitierten Einschränkung des gerichtlichen Weisungsrechtes durch den § 51 Abs. 1, zweiter Satz StGB unvereinbar. Würde doch damit dem Verurteilten, will er den Widerruf der bedingten Strafnachsicht hintanzuhalten, die Verpflichtung treffen, willkürlich vom 'Arbeitgeber' bestimmte Arbeiten, und zwar auch solche unzumutbarer Art auszuführen. Abgesehen davon ist aber auch nicht erkennbar, inwiefern eine solche dem Verurteilten erteilte Weisung unter Berücksichtigung der spezifischen Art der ihm im vorliegenden Fall zur Last fallenden Straftat (§ 83 Abs. 1 StGB) im Sinne des § 51 Abs. 1
erster Satz StGB geeignet sein soll, ihn von weiteren mit Strafe bedrohten Handlungen abzuhalten. Denn nur diesen Zweck sollen die im Gesetz vorgesehenen Weisungen erfüllen, keinesfalls dürfen diese aber ein Ersatz für das bedingt nachgesehene Strafübel darstellen (vgl. EvBl. 1975/284, 9 Os 110-112/78). Eine unentgeltliche Arbeitsleistung, wie sie vorliegend vom Verurteilten verlangt wird, kommt aber in ihrer Auswirkung der Bezahlung der Geldstrafe sehr nahe, könnte er doch in der für die aufgetragenen Arbeiten aufgewendeten Zeit auch einer entsprechend bezahlten Beschäftigung nachgehen. Unzumutbar ist aber auch die weiters dem Verurteilten auferlegte Verpflichtung, allenfalls bis zu 10 Sozialinstitutionen aufzusuchen, sich dort als ein vom Strafgericht zur unentgeltlichen Arbeitsleistung bestimmter Rechtsbrecher zu deklarieren und von allen diesen Stellen schriftliche Absagen einzuholen, damit sein in Entsprechung der ihm erteilten Weisung aufgewendetes Bemühen vom Gericht auch anerkannt werde.
Wenig sinnvoll erscheint auch der dem Verurteilten mit dem gegenständlichen Beschluß erteilte Auftrag, über die geleisteten Arbeiten ein ausführliches Zeugnis zu 'begehren'; denn zur überprüfung durch das Gericht, ob er der erteilten Weisung auch tatsächlich nachgekommen ist, würde das auf Ausstellung eines solchen Zeugnisses gerichtete Begehren nicht genügen, es wäre vielmehr die Vorlage eines über die geleisteten Arbeiten ausgestellten Zeugnisses durch den Verurteilten erforderlich. Ob er aber ein solches Zeugnis erhält, liegt außerhalb des Einflußbereiches des Verurteilten, die Ausstellung eines solchen Arbeitszeugnisses durch den 'Arbeitgeber' könnte weder von ihm noch vom Gericht erzwungen werden.
Schließlich erweist sich aber auch der letzte Absatz der dem Verurteilten erteilten Weisung als gesetzwidrig, wonach er u.a. auch bei auffallend nachlässiger Befolgung der Weisung mit dem Widerruf der bedingten Strafnachsicht ungeachtet seines sonstigen Verhaltens zu rechnen habe, widerspricht dies doch der Anordnung des § 53 Abs. 3 StGB, derzufolge ein Widerruf der bedingten Strafnachsicht aus dem Grunde der Nichtbefolgung einer Weiung nur dann zulässig ist, wenn die Mißachtung der gerichtlichen Weisung trotz förmlicher Mahnung auf dem bösen Willen des Rechtsbrechers beruht. Denn ein Widerruf schon wegen fahrlässiger ('nachlässiger') Nichtbefolgung einer Weisung kommt nach dem Gesetz nicht in Betracht und durfte demnach auch nicht angedroht werden.
Es war daher in Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen begründeten Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes spruchgemäß zu entscheiden.
Anmerkung
E01519European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0120OS00162.78.1019.000Dokumentnummer
JJT_19781019_OGH0002_0120OS00162_7800000_000