TE OGH 1978/11/9 6Ob727/78

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Veröffentlicht am 09.11.1978
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Norm

JN §1 Abs1
Parteiengesetz §1 Abs1
Vereinsgesetz §4 Abs1
Vereinsgesetz §4 Abs2 litg
ZPO §577 Abs1
ZPO §599 Abs1 ZPO §599 Abs2

Kopf

SZ 51/154

Spruch

Die Entscheidungen von Organen politischer Parteien, so auch der Parteigerichte, die privatrechtliche Ansprüche der Parteimitglieder betreffen (Ausübung der Mitgliedsrechte, Parteiausschluß) unterliegen nach Ausschöpfung des nach den Parteistatuten vorgesehenen Instanzenzuges der gerichtlichen Überprüfung im ordentlichen Rechtsweg

OGH 9. November 1978, 6 Ob 727/78 (OLG Wien, 5 R 63/78; LG f. ZRS Wien 39 f Cg 437/76)

Text

Der Kläger wurde am 26. Oktober 1960 Mitglied der beiden beklagten Parteien, das sind eine österreichische politische Partei und ihre Landesgruppe X. Mit Erkenntnis des Landesparteigerichtes der Landesgruppe X vom 22. Juni 1976 wurde der Kläger schuldig erkannt, er habe durch Verfassung und Verbreitung des Rundschreibens an die Mitglieder der Bezirksparteiorganisation V vom 29. Mai 1976 1. ein Verhalten gesetzt, das geeignet ist, das Ansehen der Partei zu schädigen und den Zusammenhalt der Partei zu gefährden; 2. seine Pflichten als Funktionär (Bezirksparteiobmann der Bezirksparteiorganisation V) gröblichst verletzt. Das Bundesparteigericht gab mit Erkenntnis vom 16. August 1976 der Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte das angefochtene Erkenntnis dahin ab, daß der Kläger schuldig erkannt wurde, er habe durch Verfassung und Verbreitung des Rundschreibens an die Mitglieder der Bezirksparteiorganisation V vom 29. Mai 1976 1. ein Verhalten gesetzt, das geeignet ist, den Zusammenhalt der Partei zu gefährden; 2. seine Pflichten als Funktionär verletzt. Der Landesparteivorstand der Zweitbeklagten schloß den Kläger nach Erhalt des Erkenntnisses des Bundesparteigerichtes in seiner Sitzung vom 23. August 1976 gemäß § 6 Abs.4 lit. b der Statuten aus der Partei aus.

Der Kläger begehrte die Feststellung, daß sein Ausschluß aus der Partei durch den Landesparteivorstand der Zweitbeklagten (Punkt 1 des Klagebegehrens), das gegen ihn gefällte Erkenntnis des Landesparteigerichtes der Zweitbeklagten vom 22. Juni 1976 (Punkt 2 des Klagebegehrens) und das Erkenntnis des Bundesparteigerichtes der Erstbeklagten vom 16. August 1976 (Punkt 3 des Klagebegehrens) rechtsunwirksam seien sowie daß er weiterhin mit allen Rechten und Pflichten Mitglied der beklagten Parteien sei (Punkt 4 des Klagebegehrens), ferner die Verurteilung der beklagten Parteien, dem Kläger die uneingeschränkte Ausübung seiner Mitgliedsrechte nach Maßgabe der Parteistatuten zu gestatten.

Die Beklagten erhoben gegen die Punkte 2 und 3 des Klagebegehrens die Einreden der Unzulässigkeit des Rechtsweges und der entschiedenen Streitsache und beantragten im übrigen Klageabweisung. Die Prozeßeinreden wurden dahin ausgeführt, daß die Parteigerichte der Beklagten, die Vereine im Sinne des Vereinsgesetzes seien, über eine ausschließlich in die Kompetenz der Vereinsschiedsgerichte gehörende Disziplinarangelegenheit und nicht über privatrechtliche Ansprüche entschieden hätten. Ihre Entscheidungen seien daher einer Überprüfung durch die ordentlichen Gerichte entzogen (§ 599 Abs. 2 ZPO). Das Erkenntnis des Parteigerichtes der Zweitbeklagten sei außerdem durch das Erkenntnis des Parteigerichtes der Erstbeklagten rechtsunwirksam geworden. In merito wendete die erstbeklagte Partei insbesondere den Mangel der Passivlegitimation und die Zweitbeklagte vor allem das Vorliegen aller formellen und materiellen Voraussetzungen für einen Parteiausschluß des Klägers ein.

Das Erstgericht gab nach abgesonderter Verhandlung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges statt, verneinte auch im übrigen die Zulässigkeit des Rechtsweges, hob das Verfahren ab der Zustellung der Klage als nichtig auf und wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Es stellte fest, daß die Erstbeklagte ihre Parteisatzung am 15. April 1977 beim Bundesministerium für Inneres hinterlegte und in der periodischen Druckschrift "Z", Jahrgang 1975, Folge 8, und Jahrgang 1977, Folge 1, veröffentlichte.

Rechtlich ging das Erstgericht von der Verfassungsbestimmung des Bundesgesetzes vom 2. Juli 1975 über die Aufgaben, die Finanzierung und die Wahlwerbung politischer Parteien (Parteiengesetz), BGBl. 404/1975, aus, wonach die Tätigkeit einer Partei keiner Beschränkung durch besondere Rechtsvorschriften unterworfen werden dürfe. Aus dieser Bestimmung ergebe sich, daß es der politischen Partei überlassen bleibe, wen sie als Mitglied aufnehme oder ausschließe. Die Überprüfung einer derartigen Entscheidung der zuständigen Parteiorgane sei den Gerichten entzogen, weil die politische Partei sonst in ihrer Tätigkeit beschränkt wäre. Bis zur Hinterlegung der Parteistatuten seien die Beklagten als Vereine im Sinne des Vereinsgesetzes anzusehen gewesen. Das Landesparteigericht und das Bundesparteigericht seien als Vereinsschiedsgerichte tätig gewesen. Ihre Erkenntnisse hätten disziplinäre Maßnahmen betroffen. Derartige Erkenntnisse könnten nicht vom ordentlichen Gericht für rechtsunwirksam erklärt werden. Sie könnten nur als Vorfrage geprüft werden, wenn sie zum Ausschluß aus dem Verein geführt hätten. Dies sei zwar vorliegend der Fall gewesen, der Ausschluß aus einem Verein könne von einem ordentlichen Gericht jedoch nur überprüft werden, wenn privatrechtliche Interessen verletzt worden seien. Eine Verletzung privatrechtlicher Interessen käme nur bei einem Verein in Betracht, der wirtschaftlichen Zwecken diene, nicht auch bei einem Verein, der die Mitwirkung an der politischen Willensbildung anstrebe.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückwies, die Nichtigerklärung des erstinstanzlichen Verfahrens ab der Klagezustellung ersatzlos aufhob und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens auftrug.

Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionsrekursen der beklagten Parteien nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Ob für die Klagebegehren die Zulässigkeit des Rechtsweges gegeben ist, ist einerseits nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlußfassung über den Parteiausschluß des Klägers bzw. der Fällung der Erkenntnisse der Parteigerichte und andererseits nach der Sach- und Rechtslage im jeweiligen Zeitpunkt der Prüfung dieser Prozeßvoraussetzung zu beurteilen. Hiebei ist im gegenständlichen Falle davon auszugehen, daß die Beklagten im erstgenannten Zeitpunkt noch politische Parteien mit Rechtspersönlichkeit in der Rechtsform eines Vereins nach dem Vereinsgesetz waren und derzeit (und zwar seit dem 15. April 1977) politische Parteien mit Rechtspersönlichkeit im Sinne des Parteiengesetzes, BGBl. 404/1975, sind.

Vereine im Sinne des Vereinsgesetzes sind juristische Personen des privaten Rechtes. Das dem öffentlichen Recht zugehörige Vereinsrecht des Vereinsgesetzes hat sich grundsätzlich auf die Staatsaufsicht bei Gründung, Tätigkeit und Auflösung der Vereine beschränkt. Die Rechtsbeziehungen zwischen Verein und Vereinsmitgliedern wurden dadurch nicht geregelt, sie sind vielmehr privatrechtlicher Natur. Soweit der Verein die Mitglieder berührende Entscheidungen und Verfügungen trifft, geschieht dies nicht in Ausübung hoheitlicher Befugnisse, sondern im Rahmen des durch Vereinsstatut und Beitrittserklärung begrundeten Privatrechtsverhältnisses zwischen Verein und Mitgliedern. Wenn diese Entscheidungen und Verfügungen des Vereins in Privatrechte seiner Mitglieder eingreifen, unterliegen sie der Überprüfung durch die ordentlichen Gerichte darauf hin, ob sie in formeller und materieller Hinsicht den Statuten und den allgemeinen Vorschriften zwingenden Rechts entsprechen. Dies gilt auch für derartige Entscheidungen und Verfügungen von Vereinsschiedsgerichten im Sinne des § 4 Abs. 2 lit. g Vereinsgesetz. § 599 Abs. 2 ZPO besagt nämlich nichts anderes, als daß die Spezialnormen der §§ 577 bis 598 ZPO auf Vereinsschiedsgerichte nicht anwendbar sind. Damit ist nichts darüber ausgesagt, ob und inwieweit dadurch für Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis die gerichtliche Rechtsverfolgung beschränkt wurde. Da die §§ 577 bis 599 Abs. 1 ZPO eine Beschränkung und einen partiellen Ausschluß der gerichtlichen Rechtsverfolgung enthalten, ist diese Beschränkung durch § 599 Abs. 2 ZPO weggefallen. Das bedeutet, daß Streitigkeiten zwischen Verein und Vereinsmitgliedern innerhalb der allgemeinen Grenzen der Zulässigkeit des Rechtsweges vor den ordentlichen Gerichten anhängig gemacht und von diesen - ohne Beschränkung ihrer Kognition auf die im § 595 ZPO aufgezählten Gründe - entschieden werden können. (Ein statutenmäßig festgesetztes Vereinsschiedsgericht stellt also keinerlei Hindernis für die Anrufung des ordentlichen Gerichtes zur Entscheidung von privatrechtlich zu beurteilenden Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis dar. Doch ist es zulässig und wirksam, unter Einhaltung der Formvorschriften des § 577 Abs. 3 ZPO für die Entscheidung dieser Streitigkeiten das Vereinsschiedsgericht zu vereinbaren; dies ist aber dann ausschließlich gemäß § 577 ZPO zu beurteilen, § 599 Abs. 2 ZPO ist hier unanwendbar.) Für die Entscheidungsbefugnis der ordentlichen Gerichte ist somit ausschließlich maßgebend, ob der Streit in den Bereich des Privatrechts fällt, also die strittigen Beziehungen zwischen Verein und Vereinsmitgliedern privatrechtlicher Natur sind. Dies ist bei Streitigkeiten über die Mitgliedschaft und den Ausschluß aus einem Verein ebenso zu bejahen wie bei der Bekämpfung von verhängten Vereinsstrafen und keineswegs auf vermögensrechtliche Ansprüche beschränkt. Auch die disziplinären Maßnahmen des Vereins können sich niemals auf ein öffentliches Recht, sondern lediglich auf die privatrechtlich zu beurteilende Unterstellung unter das Statut berufen. In diesem Zusammenhang geht auch der Hinweis auf die Vereinsautonomie ins Leere, weil die Rechtsordnung den Vereinen nirgends eine über den Rahmen der privatrechtlich zugebilligten Autonomie hinausgehende Rechtssetzungs- und Vollzugsgewalt einräumt. Auch die Vereinsstrafgewalt ist mithin der unbeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterworfen (Fasching IV, 896 ff.,;

Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht[2], 369; vgl. auch Fessler - Kölbl, Österreichisches Vereinsrecht[3], 43 f., 77 ff.;

zur Auslegung des § 599 Abs. 2 ZPO ebenso 6 Ob 701/77; zur gerichtlichen Überprüfung von den Vereinsausschluß betreffenden Entscheidungen von Vereinsschiedsgerichten ebenso SZ 13/218; zur gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen der Vereinsschiedsgerichte über privatrechtliche Ansprüche im allgemeinen SZ 9/179; die Vereinsmitgliedsrechte sind auch dann schutzwürdig, wenn mit ihnen wirtschaftliche Interessen nicht verbunden sind: 3 Ob 414/51; soweit den vom Rekursgericht zitierten Entscheidungen SZ 18/168 und SZ 20/71 eine Beschränkung der gerichtlichen Überprüfbarkeit von privatrechtliche Ansprüche betreffenden Erkenntnissen von Vereinsschiedsgerichten darauf entnommen werden kann, ob sie zwingende Rechtsvorschriften verletzen oder doch Satzungsbestimmungen über die Zusammensetzung des Schiedsgerichtes und das einzuhaltende Verfahren außer acht lassen, vermag ihnen der erkennende Senat im Hinblick auf § 599 Abs. 2 ZPO nicht zu folgen; er vertritt vielmehr die Auffassung, daß

Erkenntnisse der Vereinsschiedsgerichte, die privatrechtliche Ansprüche der Vereinsmitglieder zum Gegenstand haben, in demselben Umfang gerichtlich tiberprüft werden können wie nach ständiger Rechtsprechung - SZ 32/49, SZ 34/152 u. v. a. - die Entscheidungen anderer Vereinsorgane). Voraussetzung der Anrufung der ordentlichen Gerichte bei Verletzung von privatrechtlichen Ansprüchen durch Vereinsorgane ist allerdings die Ausschöpfung des in der Vereinssatzung vorgesehenen Instanzenzuges (EvBl. 1975/609, Nr. 266).

Das bisher Gesagte erfährt durch den Umstand, daß es sich bei den im Zeitpunkt der Fällung der Parteigerichtserkenntnisse und des Parteiausschlusses des Klägers noch nach dem Vereinsgesetz organisierten Beklagten um politische Parteien handelt, keine Änderung. Auch nach dem Vereinsgesetz organisierte politische Parteien sind ungeachtet ihrer öffentlichen Bedeutung für die politische Willensbildung juristische Personen des privaten Rechtes; sie sind keine Körperschaften des öffentlichen Rechtes und können insbesondere mit den Selbstverwaltungskörpern nicht in eine Reihe gestellt werden (so mit ausführlicher Begründung für die politischen Parteien im allgemeinen SSt. 35/1 1; vgl. ferner Koja, Die Rechtsfähigkeit der Wahlparteien und der politischen Parteien, JBl. 1958, 487 ff.; Ostheim, Zur Rechtsfähigkeit der politischen Parteien nach bürgerlichem Recht, JBl. 1964, 533 ff.); die Entscheidungen der Parteiorgane, auch der Parteigerichte, die privatrechtliche Ansprüche ihrer Mitglieder betreffen, unterliegen derselben gerichtlichen Überprüfung im ordentlichen Rechtsweg wie jene der Vereinsorgane, der Vereinsschiedsgerichte im allgemeinen.

Auf diese Rechtslage war auch das Inkrafttreten des Parteiengesetzes am 1. Juli 1975 ohne Einfluß. Das Parteiengesetz, BGBl. 404/1975, ließ die Frage nach der Rechtsnatur der politischen Parteien weiterhin unbeantwortet. Man wird nach wie vor sagen müssen, daß die politischen Parteien keine Körperschaften des öffentlichen Rechtes und ihre Beziehungen zu den Mitgliedern privatrechtlicher Natur sind. Die Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 3 Satz 2 Parteiengesetz, wonach die Tätigkeit der politischen Parteien keiner Beschränkung durch besondere Rechtsvorschriften unterworfen werden darf, bedeutet, daß die Erlassung einschränkender, nur für alle oder bestimmte Parteien geltender Rechtsvorschriften verboten ist, läßt aber die Geltung der allgemeinen Rechtsvorschriften, etwa jener des Privatrechts, auch für die politischen Parteien unberührt, selbst wenn ihre Tätigkeit hiedurch eingeschränkt werden sollte. Der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 4 Parteiengesetz über die Hinterlegung der Satzungen, für die gewisse Mindesterfordernisse aufgestellt werden, und deren Wirkung (Erlangung der Rechtspersönlichkeit durch die politische Partei) ist im Zusammenhalt mit den Gesetzesmaterialien lediglich zu entnehmen, daß die politischen Parteien, wenn sie dieser Verfassungsbestimmung Genüge leisten, nicht mehr den verwaltungsrechtlichen Vorschriften des Vereinsgesetzes unterliegen (II-4233, BlgNR, XIII. GP: Antrag der Abgeordneten Robert Weisz, Koren, Peter und Genossen betreffend ein Bundesgesetz über die Aufgaben, Finanzierung und Wahlwerbung politischer Parteien (Parteiengesetz); 1680 BlgNR, XIII. GP: Bericht des Verfassungsausschusses über diesen Antrag; Protokoll über die

150. Sitzung des Nationalrates am 2. Juli 1975: S. 14595 ff.:

Debattenbeiträge der Abgeordneten Dr. Fischer, Dr. Broesigke, Dr. Kohlmaier; Protokoll über die 344. Sitzung des Bundesrates am 10. Juli 1975: S. 10 995, 11 001: Debattenbeiträge der Bundesräte Dr. Anna Demuth und Dr. Schambeck; vgl. Berchtold, Das Parteiengesetz -

Ein Überblick, ÖVA 1976, 33 ff.; Ermacora, Verfassungsänderungen 1975, JBl. 1976, 85 f.; Ringhofer, Die österreichische Bundesverfassung, 14 f.; Hellbling, Staatsbürger 1976, Folge 25, 3; Fessler - Kölbl, Österreichisches Vereinsrecht[3], 15 f.; Schambeck,

Die Stellung der politischen Parteien nach österreichischem Verfassungsrecht, FS Hermens (1976), 61 ff.). Aus der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs. 3 Satz 2 Parteiengesetz kann jedenfalls nicht gefolgert werden, daß die Entscheidung über Fragen der Parteimitglieder, des Parteiausschlusses und der Parteidisziplin ausschließlich den hiefür nach den Statuten zuständigen Parteiorganen zukommt und einer Überprüfung durch die ordentlichen Gerichte entzogen ist. Dies muß für die gegenständlichen Erkenntnisse der Parteigerichte umso mehr gelten, als ein Teil der Tatbestände, über die sie zu befinden hatten (nämlich die Frage, ob das Verhalten des Klägers geeignet war, das Ansehen der Partei zu schädigen und den Zusammenhalt der Partei zu gefährden; § 16 Abs. 2 lit. a der Satzungen beider Beklagten), zugleich im § 6 Abs. 4 lit. a und b der Satzungen beider Beklagten genannte Ausschlußgrunde sind und die Entscheidung des Landesparteivorstandes der Zweitbeklagten mit der Entscheidung der Parteigerichte derart eng verbunden ist, daß das Landesparteigericht gegen einen vom Landesparteivorstand verfügten Parteiausschluß nicht angerufen werden kann, wenn dem Ausschluß ein Verfahren vor dem Parteigericht vorangegangen ist, das mit einem Schuldspruch geendet hat (§ 6 Abs. 6 der Satzungen beider Beklagten).

Der gerichtlichen Überprüfung der Rechtswirksamkeit des Parteiausschlusses des Klägers durch den Landesparteivorstand der Zweitbeklagten sowie der Parteigerichtserkenntnisse beider Beklagten steht daher der Rechtsweg nach wie vor offen (§ 599 Abs. 2 ZPO). Die Feststellung der Mitgliedschaft des Klägers und die Verurteilung der Beklagten, dem Kläger die uneingeschränkte Ausübung seiner Mitgliedsrechte nach Maßgabe der Parteistatuten zu gestatten, können ungeachtet dessen erfolgen, daß die Beklagten nicht mehr Vereine im Sinne des Vereinsgesetzes, sondern politische Parteien im Sinne des Parteiengesetzes sind.

Auf die Frage, inwieweit bei der Überprüfung der Entscheidungen der Organe politischer Parteien auf die Eigenart der politischen Parteien und ihre Bedeutung im öffentlichen Leben Bedacht zu nehmen ist, ist im derzeitigen Stadium des Rechtsstreites noch nicht einzugehen.

Anmerkung

Z51154

Schlagworte

Parteigerichte, Anfechtung eines Erkenntnisses eines - vor dem, ordentlichen Gericht, Parteiorgane, Anfechtung ihrer Entscheidungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0060OB00727.78.1109.000

Dokumentnummer

JJT_19781109_OGH0002_0060OB00727_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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