TE OGH 1978/11/16 13Os115/78

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Veröffentlicht am 16.11.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. November 1978

unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Loesch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard A und andere wegen des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den § 15, 142 Abs. 1, 143

StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die von den Angeklagten Kurt B und Christine C erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen sowie die von dem Angeklagten Gerhard A und von der Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieser Angeklagten und des Angeklagten Egon D erhobenen Berufungen gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Feldkirch vom 14. März 1978, GZ. 11 Vr 1673/77-89, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, der Ausführungen der Verteidiger Rechtsanwälte Dr. Ogris, Dr. Gugg, Dr. Schön und Dr. Datzik, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Angeklagten Gerhard A wird Folge gegeben und die über ihn verhängte Freiheitsstrafe auf 3 Jahre erhöht. Der genannte Angeklagte wird mit seiner Berufung, soweit er damit eine Strafherabsetzung anstrebt, auf diese Entscheidung verwiesen; im übrigen wird seiner Berufung nicht Folge gegeben.

Der Berufung des Angeklagten Kurt B wird Folge gegeben und die über ihn verhängte Freiheitsstrafe auf 1 1/2 (eineinhalb) Jahre herabgesetzt; die Staatsanwaltschaft mit ihrer ihn betreffenden Berufung wird auf diese Entscheidung verwiesen.

Den Berufungen der Angeklagten Christine C und der Staatsanwaltschaft hinsichtlich dieser Angeklagten sowie des Angeklagten Egon D wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen den Angeklagten Gerhard A, Kurt B und Christine C auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurden Gerhard A, Kurt B, Egon D - dieser neben einer Verurteilung wegen eines versuchten Diebstahls nach den § 15, 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1, 128 Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB. - und Christine C des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach den § 15, 142 Abs. 1, 143 StGB. schuldig erkannt.

Nach Inhalt des Schuldspruchs liegt ihnen (insoweit) zur Last, daß sie am 2. September 1977 in Feldkirch in Gesellschaft als Beteiligte dem Eroul E mit Gewalt gegen seine Person fremde bewegliche Sachen, nämlich 6.000 S und 100.000 Lire Bargeld, mit dem Vorsatz wegzunehmen versuchten, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem ihn nach vorangegangener Verabredung Kurt B und Christine C unter dem Vorwand, letztere werde mit ihm gegen Entgelt einen Geschlechtsverkehr durchführen, zu einer abgelegenen Bank unterhalb der Schattenburg lockten, wo ihn Gerhard A und Egon D aus dem Hinterhalt überfielen, würgten und festhielten, damit ihm Kurt B das Geld aus der Hemdtasche herausnehmen könne, wobei die Tat jedoch durch die heftige Gegenwehr und durch die lauten Hilferufe des überfallenen, welche die Dazwischenkunft von Passanten zur Folge hatten, unterblieben ist. Die Geschwornen hatten die für jeden Angeklagten gesondert gestellte betreffende Haupfrage (Fragen I. bis IV.) bejaht und die bezüglichen Zusatzfragen (VI. bis IX.), ob der jeweilige Täter die Ausführung des Raubversuchs freiwillig aufgegeben und die Ausführung der Straftat durch die Mitangeklagten verhindert habe, verneint.

Die Angeklagten A, B und C haben gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ergriffen, die Staatsanwaltschaft ficht es hinsichtlich aller Angeklagten mit Berufung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A ist vom Obersten Gerichtshof mit Beschluß vom 4. August 1978, GZ. 13 0s 115/78-6, schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückgewiesen worden; den zur Erledigung im Gerichtstag verbliebenen Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten B und C kommt keine Berechtigung zu. Als Nichtigkeit nach dem § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO. machen beide Beschwerdeführer geltend, die den Geschwornen zu den Zusatzfragen erteilte Rechtsbelehrung sei ungenügend und zu wenig ausführlich gewesen, weil sie eine zureichende Erklärung sowohl des Begriffs 'freiwillig', als auch der Voraussetzungen eines strafaufhebenden gleichzeitigen Rücktritts aller Beteiligten vom Versuch habe vermissen lassen. Die Angeklagte C rügt ferner die Abweisung ihres Antrags auf Vornahme eines Augenscheins, den sie zum Beweis dafür gestellt habe, daß der Tatort von keiner Seite her von Passanten eingesehen werden könne und daß (von solchen) auch Rufe nicht gehört werden können, als Beeinträchtigung ihrer Verteidigungsrechte nach Z. 5 des § 345 Abs. 1 StPO.; zudem bemängelt sie die Ablehnung einer Ergänzung der Zusatzfragen dahin, ob alle Angeklagten gemeinsam vom Raubversuch zurückgetreten seien, womit sie (zwar ziffernmäßig neuerlich auch den zuletzt bezeichneten Nichtigkeitsgrund, der Sache nach aber nur) eine Verletzung der Vorschriften über die Fragestellung gemäß Z. 6 der vorerwöhnten Verfahrensbestimmung behauptet. Alle diese Einwände gehen fehl.

Die bloße Unvollständigkeit einer Rechtsbelehrung kommt grundsätzlich nur dann einer Unrichtigkeit gleich, wenn sie eine nach den Umständen des Falles notwendige Belehrung über wahrspruchsrelevante Rechtsbegriffe betrifft und geeignet ist, die Geschwornen bei ihrem Wahrspruch zu beirren (SSt. 43/3 u.a.m.); davon aber kann im gegebenen Fall nicht gesprochen werden. Denn im Einklang mit der übrigen Aktenlage haben die Angeklagten A, D und C nie behauptet, vom Raubversuch ungeachtet dessen zurückgetreten zu sein, daß sie eine ihrem wesentlichen Tatplan entsprechende Ausführung dieses Vorhabens noch für möglich gehalten hätten, und der Angeklagte B hat ausdrücklich zugegeben, sogleich und ohne Intervention für den von ihm und C an den Tatort gelockten Türken weggelaufen zu sein, als A und D zur Vollbringung des Raubes auf jenen losgingen und der überfallene zu schreien begann. Zur Annahme einer Freiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch (§ 16 Abs. 1 StGB.) wäre jedoch erforderlich gewesen, daß der jeweilige Täter dabei eine tatplangemäße Ausführung des Raubes noch für möglich gehalten hätte (EvBl. 1976/98, ÖJZ-LSK. 1977/290 u.a.m.), und solang, als die Beteiligung mehrerer an der Ausführung der Tat andauerte, hätte ein strafaufhebender Rücktritt (zudem) nur durch eine aktive Verhinderung der Deliktsvollendung erfolgen können (§ 16 Abs. 1 zweiter Fall StGB.). Unter diesen Umständen war die gerügte Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung zu den (nach dem Gesagten durch die Ergebnisse der Hauptverhandlung gar nicht indizierten) Zusatzfragen (in Ansehung des Begriffs 'freiwillig' und in bezug auf die Voraussetzungen eines strafaufhebenden gleichzeitigen Rücktritts aller an einer Tatausführung Beteiligten) nach Lage des Falles nicht geeignet, die Geschwornen bei ihrem Verdikt in eine falsche Richtung zu weisen, sodaß ihr nicht die Bedeutung einer nach dem § 345 Abs. 1 Z. 8 StPO. Nichtigkeit bewirkenden Unrichtigkeit beizumessen ist.

Aus den dargestellten Erwägungen erhellt aber auch schon die Unstichhältigkeit der Verfahrensrügen: wie der Schwurgerichtshof richtig erkannte, war eine Ergänzung der Zusatzfragen dahin, ob alle Angeklagten gemeinsam vom Raubversuch zurückgetreten seien, durch die in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen nicht indiziert; ebenso war die Frage, ob die Ereignisse am Tatort wirklich von Passanten hätten gesehen oder - worauf allerdings der Beweisantrag in Wahrheit gar nicht gerichtet war - gehört werden können, im Hinblick darauf, daß bereits das vermeintliche Vorliegen eines derartigen Tathindernisses genügt, um die Annahme einer Freiwilligkeit des dadurch motivierten Rücktritts vom Versuch auszuschließen, für die Entscheidung der Geschwornen ohne Belang. Mit Nichtigkeit nach Z. 5 oder Z. 6

des § 345 Abs. 1 StPO. ist das angefochtene Urteil daher gleichfalls nicht behaftet.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Kurt B und Christine C waren daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB. unter Anwendung des § 41 (Abs. 1 Z. 3) StGB.

Gerhard A zu zweieinhalb Jahren, Kurt B zu zwei Jahren und Egon D (unter Bedacht auf den § 28 - Abs. 1 - StGB.) sowie Christine C zu je einem Jahr Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es bei A seine Urheberschaft am Raubversuch und seine beiden Vorstrafen wegen Vermögensdelikten, bei B und C ihre Vorstrafe wegen eines Vermögensdelikts sowie ihren raschen Rückfall und bei D die Deliktskonkurrenz sowie die mehreren Diebstahlsqualifikationen als erschwerend; demgegenüber wurden bei allen Angeklagten ihr volles und reumütiges Geständnis sowie der Umstand, daß der Raub beim Versuch blieb, und außerdem bei A und B ihr Alter von unter 21 Jahren zur Tatzeit, bei D und C ihre untergeordnete Tatbeteiligung, bei B die Bezahlung von 5.000 S als Schadenersatz und bei D seine bisherige Unbescholtenheit sowie seine Selbststellung als mildernd berücksichtigt.

Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten A, B und C eine Herabsetzung der über sie verhängten Strafen, A auch die Gewährung bedingter Strafnachsicht, die Staatsanwaltschaft dagegen eine Straferhöhung hinsichtlich sämtlicher Angeklagten an.

Zunächst sind die Strafzumessungsgründe teilweise zu korrigieren: D war zur Tatzeit nicht unbescholten, sondern bereits wegen Betruges vorbestraft (S. 7 in ON. 38), und C war als Lockvogel am Raubversuch nicht bloß in untergeordneter Weise beteiligt.

Nichtsdestoweniger darf aber nicht übersehen werden, daß die Tat in Ansehung der von den Angeklagten dabei eingesetzten kriminellen Energie doch außerhalb der Bandbreite der für die Qualifikation nach dem § 143 (erster Fall) StGB. typischen Regelfälle liegt, die durch die darauf abgestellte schwere Strafdrohung erfaßt werden sollen. Insbesondere aus diesem Aspekt ist das Vorliegen der Voraussetzungen des § 41 StGB., der von der Staatsanwaltschaft vertretenen Auffassung zuwider, bei sämtlichen Angeklagten zu bejahen. Die über Egon D und Christine C verhängten Freiheitsstrafen in der Dauer von je einem Jahr entsprechen, bei ersterem insbesondere im Hinblick auf das Maß seiner Tatbeteiligung und bei letzterer unter Bedacht darauf, daß sie bis zu einem gewissen Grad unter dem Einfluß ihres Freundes B stand, ihrer tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB.). Nach diesen Kriterien erscheint aber in Ansehung des Angeklagten B eine Strafdauer von eineinhalb Jahren als ausreichend, wogegen die dem Angeklagten A zuzumessende Freiheitsstrafe, seiner Rolle als Initiator und Rädelsführer beim Raubversuch sowie seinem getrübten Vorleben entsprechend, auf drei Jahre anzuheben war. Dementsprechend kam die Gewährung bedingter Strafnachsicht bei letzterem nicht in Betracht (§ 43 StGB.). über die Berufungen war daher spruchgemäß zu erkennen. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01601

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0130OS00115.78.1116.000

Dokumentnummer

JJT_19781116_OGH0002_0130OS00115_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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