Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 16.November 1978 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Loesch als Schriftführers in der Strafsache gegen Maria Magdalena A wegen des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach dem § 288 Abs. 1 und 2 StGB über die von der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengerichts vom 1.Juni 1978, GZ. 25 Vr 3.691/77-14, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Richard Proksch und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Stöger, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß die über die Angeklagte verhängte Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 41 Abs. 1 Z. 5 StGB auf 4 (vier) Monate herabgesetzt und gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen wird.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Maria Magdalena B, verehelichte A, des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach dem § 288 Abs. 1
und 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weil sie in der Rechtssache AZ. C 185/75 des Bezirksgerichtes Telfs vor diesem Gericht als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch aussagte, und zwar 1.) am 11.Dezember 1975 unter Eid durch die Behauptung:
'Der Geschlechtsverkehr mit Willi C wurde unterbrochen' sowie durch das Verschweigen, auch mit Walter D geschlechtlich verkehrt zu haben; 2.) am 25.Juli 1977
durch die (unbeeidet abgelegte) Aussage: 'Ich hatte mit Walter D nie intimen Kontakt'.
Dieses Urteil bekämpft die Angeklagte mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 5, 9 lit. a und lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Mit Beziehung auf die Feststellung des Erstgerichtes, sie habe in der Rechtssache des minderjährigen Karl-Heinz Josef B (des außerehelichen Sohns der Angeklagten) als Kläger gegen Anton E als Beklagten wegen Feststellung der Vaterschaft (und Unterhaltsleistung), AZ. C 185/75
des Bezirksgerichtes Telfs, bei ihrer Einvernahme als Zeugin vor diesem Gericht am 11.Dezember 1975 unter Eid vorsätzlich falsch behauptet, daß der Geschlechtsverkehr mit Wilhelm C unterbrochen worden sei, macht die Beschwerdeführerin dem angefochtenen Urteil eine (Nichtigkeit im Sinn des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes bewirkende) Unvollständigkeit zum Vorwurf, weil ihrer Meinung nach wesentliche Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergangen wurden und Widersprüche in den Aussagen der vernommenen Personen unerörtert blieben.
Rechtliche Beurteilung
Diese Rüge versagt:
Der Vorwurf, eine Würdigung der Aussage des Zeugen C und der Verantwortung der Angeklagten unterlassen zu haben, trifft das Erstgericht zu Unrecht: Es stützt die bekämpfte Feststellung auf die glaubwürdig und verläßlich bezeichnete Aussage des Zeugen Wilhelm C, der schon im Vorverfahren und auch in der Hauptverhandlung mit Bestimmtheit behauptete, den einzigen mit der Angeklagten durchgeführten Geschlechtsverkehr nicht vor dem Samenerguß unterbrochen zu haben. Es hielt auf Grund dieser Zeugenaussage die gegenteilige Behauptung der Angeklagten für widerlegt und führte hiezu überdies ins Treffen, es hätte für sie zu einem Begehren auf Unterbrechung des Geschlechtsverkehrs schon deshalb kein Anlaß bestanden, weil sie sich damals bereits schwanger wähnte. Damit kam das Erstgericht (auch) seiner ihm gemäß dem § 270 Abs. 2 Z. 5 StPO obliegenden Verpflichtung, im Urteil in gedrängter Darstellung die als erwiesen angenommenen, entscheidungswichtigen Tatsachen und all die Gründe, die seiner überzeugung nach für die Richtigkeit dieser Tatsachen sprechen, anzuführen, im ausreichenden Maß nach. Es war nach der zitierten Gesetzesstelle nicht verhalten, alle im Beweisverfahren hervorgekommenen Umstände im Urteil einer detaillierten Erörterung zu unterziehen. Aus diesem Grund bestand auch keine Verpflichtung, sich mit der auf einem Irrtum des Zeugen C beruhenden, von ihm auch sogleich berichtigten Aussage am 23.August 1976 im Zivilprozeß AZ. C 185/75 des Bezirksgerichtes Telfs, wonach er mit der Angeklagten zehnmal Geschlechtsverkehr vollzogen hätte, näher auseinanderzusetzen, zumal der Zeuge C diesen Punkt seiner Aussage noch in derselben Vernehmung unter Hinweis auf eine Verwechslung der Angeklagten mit einem anderen Mädchen klarstellen konnte und auch die Angeklagte selbst in übereinstimmung mit der in der Folge gleichlautenden Darstellung dieses Zeugen nur einen einzigen Geschlechtsverkehr mit ihm behauptete. Dem Beschwerdevorbringen zuwider sagte dieser Zeuge in der Hauptverhandlung am 1.Juni 1978
aber auch nicht, der Geschlechtsverkehr mit der Angeklagten habe (erst) im Jahr 1975 stattgefunden; er erklärte damals vielmehr, nicht mehr zu wissen, wann dies der Fall gewesen sei, es sei aber bestimmt schon drei Jahre her.
Soweit die Beschwerdeführerin mit ihrem weiteren Vorbringen zur Mängelrüge, ohne eine unschlüssige oder mit den Denkgesetzen in Widerspruch stehende Urteilsbegründung in entscheidungswichtigen Punkten aufzuzeigen, bloß die Glaubwürdigkeit der Aussage des Zeugen C zu erschüttern und darzutun sucht, das Erstgericht habe ihrer insoweit leugnenden Verantwortung zu Unrecht den Glauben versagt, bekämpft sie in einer im Nichtigkeitsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof unzulässigen und demnach unbeachtlichen Weise ausschließlich die schöffengerichtliche Beweiswürdigung. Als unberechtigt erweist sich aber auch der Vorwurf eines Begründungsmangels zur subjektiven Tatseite des angelasteten Delikts. Denn das Erstgericht begründete die Feststellung einer vorsätzlichen falschen Zeugenaussage der Angeklagten, soweit es die von ihr behauptete Unterbrechung des Geschlechtsverkehrs durch Wilhelm C betrifft, ausdrücklich und schlüssig damit, es sei ihr hiebei darum gegangen, nicht Wilhelm C, sondern den im zivilgerichtlichen Verfahren AZ. C 185/75
des Bezirksgerichtes Telfs als Beklagten belangten Anton E als Vater ihres außerehelichen Kindes festgestellt zu wissen. Aber auch die Feststellung eines vorsätzlichen Verschweigens des (zweimaligen) Geschlechtsverkehrs der Angeklagten mit Walter D untermauerte es eingehend mit dem aktenmäßig gedeckten Hinweis auf die Darstellung des Zeugen OLGR. Dr. G, der bekundete, als Verhandlungsrichter in dem vorerwähnten zivilgerichtlichen Verfahren die Angeklagte anläßlich ihrer Zeugenvernehmung am 11.Dezember 1975 - wenngleich insoweit eine entsprechende Protokollierung unterblieb - auch darüber belehrt zu haben, daß sie alle Männer angeben müsse, mit denen sie in der fraglichen Zeit geschlechtlich verkehrt hätte. Die in diesem Zusammenhang von der Beschwerdeführerin aufgestellte Behauptung, ein Geschlechtsverkehr auch mit anderen Männern (außer mit dem Beklagten Anton E) sei gar nicht Gegenstand ihrer damaligen Zeugeneinvernahme gewesen, findet somit in der vom Erstgericht als Feststellungsgrundlage herangezogenen Aussage des Zeugen OLGR. Dr. G keine Deckung, ganz abgesehen davon, daß sie damals außer dem Geschlechtsverkehr mit dem Beklagten E auch noch einen solchen mit Wilhelm C geoffenbart hatte. Im übrigen richtet sich das weitere Beschwerdevorbringen, mit dem die Angeklagte die Verläßlichkeit der Angaben des Zeugen Dr. G in Zweifel zu ziehen sucht, gleichfalls ausschließlich gegen die dem Gericht gemäß dem § 258 Abs. 2 StPO zukommende freie Beweiswürdigung, die im schöffengerichtlichen Verfahren nicht bekämpft werden kann.
Mit ihrer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 9 lit. a und lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten - der Sache nach nur den Nichtigkeitsgrund der Z. 9
lit. b dieser Gesetzesstelle relevierenden - Rechtsrüge macht die Angeklagte Aussagenotstand im Sinn des § 290
(Abs. 1 Z. 3) StGB geltend. Sie rügt in diesem Zusammenhang - wenn auch insoweit formell verfehlt teilweise im Rahmen der Mängelrüge - das Fehlen einer - durch die Verfahrensergebnisse gebotenen - Feststellung über die vom Zeugen OLGR. Dr. G bekundete, ihr anläßlich ihrer Zeugeneinvernahme in dem vorerwähnten zivilgerichtlichen Verfahren vor dem Bezirksgericht Telfs erteilten Belehrung, daß ihr ein Zeugnisverweigerungsrecht (nach dem § 321 Abs. 1 ZPO.) aus dem Grund der ihr bei wahrheitsgemäßer Aussage drohenden Schande oder eines (unmittelbaren) vermögensrechtlichen Nachteils im Hinblick auf das überwiegende öffentliche Interesse an der Feststellung des außerehelichen Vaters nicht zustehe. Auf Grund dieser - ihrer Meinung nach unrichtigen - Belehrung habe sie von dem ihr zustehenden Recht auf Zeugnisverweigerung keinen Gebrauch gemacht. Damit bringt die Beschwerdeführerin zumindest dem Sinn nach zum Ausdruck, insoweit zur Ablegung der Zeugenaussage zu Unrecht verhalten worden zu sein (§ 290 Abs. 1 Z. 3 StGB).
Diese Rechtsrüge erweist sich im Ergebnis als nicht berechtigt:
Den Entschuldigungsgrund des Aussagenotstands im Sinn des § 290 Abs. 1 Z. 3 StGB kann nur derjenige für sich in Anspruch nehmen, der eine falsche Beweisaussage ablegt, um von sich oder einem Angehörigen Schande oder die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines unmittelbaren und bedeutenden vermögensrechtlichen Nachteils abzuwenden, wenn er von der Verbindlichkeit zur Ablegung eines Zeugnisses befreit war oder hätte befreit werden können und zur Ablegung der Aussage zu Unrecht verhalten wurde. Aussagenotstand kommt sohin von vornherein nur dann in Betracht, wenn der sich darauf Berufende die falsche Beweisaussage in der Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB) abgelegt hatte, die vorerwähnten, im § 290 Abs. 1 StGB taxativ aufgezählten schädlichen Folgen von sich oder einem Angehörigen abzuwenden.
Diese Grundvoraussetzung der Inanspruchnahme des in Rede stehenden Entschuldigungsgrundes liegt aber im Fall der Angeklagten für ihre vom Erstgericht festgestellte falsche Zeugenaussage am 11.Dezember 1975, der von ihr mit Wilhelm C durchgeführte Geschlechtsverkehr sei unterbrochen worden, nicht vor, verfolgte doch diese (bewußt wahrheitswidrige) Behauptung nach den Urteilsannahmen bloß den Zweck, den Verdacht der außerehelichen Vaterschaft von dem (damals ledigen; vgl. S. 19 d.A.) Wilhelm C abzuwälzen (S. 78 d.A.) und nicht, um von sich oder einem Angehörigen Schande, die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung oder eines unmittelbaren und bedeutenden vermögensrechtlichen Nachteils abzuwenden. Hingegen nahm das Erstgericht zu dem von der Angeklagten bei ihrer zeugenschaftlichen Einvernahme unter Eid vor dem Bezirksgericht Telfs am 11.Dezember 1975 vorsätzlich verschwiegenen und in ihrer weiteren (unbeeideten) Zeugenaussage vor demselben Gericht am 25. Juli 1977
ausdrücklich in Abrede gestellten (zweimaligen) Geschlechtsverkehr mit Walter D als erwiesen an, daß sie diese falschen Beweisaussagen vor Gericht, abgesehen davon, daß sie die außereheliche Vaterschaft des Beischläfers auf Grund der von ihr angenommenen, im Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs mit ihm bereits bestehenden Schwangerschaft nicht in Betracht zog, auch deshalb ablegte, weil sie sich geschämt habe und Walter D (im Zeitpunkt des außerehelichen Verkehrs) verheiratet gewesen sei (S. 79 d.A.).
Damit räumt das Erstgericht der Angeklagten im Ergebnis ein, die falsche (Walter D betreffende) Beweisaussage vor Gericht unter anderem auch deshalb abgelegt zu haben, um von sich Schande und die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung (wegen des Privatanklagedelikts des - zweimaligen -
Ehebruchs) hintanzuhalten, denn das (wahrheitsgemäße) Eingeständnis des (wiederholten) Geschlechtsverkehrs mit einem verheirateten Mann mochte für die Angeklagte nach den moralischen Wertvorstellungen ihrer Umwelt eine empfindliche Beeinträchtigung ihres Ansehens in sittlicher Hinsicht und darüber hinaus allenfalls noch die Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung (wegen Ehebruchs) bedeuten. Allerdings wäre unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falls selbst mit der (vollständigen) Bejahung der im § 290 Abs. 1 StGB angeführten Voraussetzungen für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen.
Denn gemäß dem § 290 Abs. 3 StPO wird der Täter auch bei Vorliegen der im Abs. 1 der vorgenannten Gesetzesstelle umschriebenen Umstände bestraft, 'wenn es ihm insbesondere im Hinblick auf den aus der falschen Aussage einem anderen drohenden Nachteil dennoch zuzumuten ist, wahrheitsgemäß auszusagen'. Es muß demnach eine Abwägung der Interessen der durch die wahrheitswidrige Aussage Betroffenen mit den Interessen des Täters stattfinden:
Bei dieser Interessenabwägung ist hier zunächst zu berücksichtigen, daß im Zeitpunkt der Ablegung der falschen Zeugenaussage vor dem Bezirksgericht Telfs am 11.Dezember 1975 und am 25.Juli 1977 eine Bestrafung der Angeklagten wegen des Privatanklagedelikts des Ehebruchs nach dem § 194 Abs. 1 StGB schon infolge der in der Zwischenzeit eingetretenen Verjährung nicht mehr in Betracht kam, lag doch das noch in die erste Hälfte des Jahres 1974 fallende ehebrecherische Verhältnis der Angeklagten mit Walter D (vgl. S. 61 und 78 d.A.), bezogen auf den Zeitpunkt ihrer falschen Beweisaussagen in dieser Angelegenheit vor Gericht, schon außerhalb der (objektiven) sechsmonatigen Verjährungsfrist der Bestimmung des § 532
StG. (vgl. auch § 530 StG.). Es verbleibt somit bei der vorzunehmenden Interessenabwägung die für die Angeklagte mit dem (wahrheitsgemäßen) Eingeständnis des Geschlechtsverkehrs mit einem verheirateten Mann verbundene Schande, der jedoch nicht nur gewichtige Interessen des in dem zivilgerichtlichen Verfahren auf Feststellung der außerehelichen Vaterschaft Beklagten Anton E - nicht zuletzt wegen der mit einer solchen Feststellung verbundenen Verpflichtung zur Unterhaltszahlung -, sondern überdies auch schwerwiegende Interessen des klagenden Kindes an der Feststellung des außerehelichen Vaters gegenüberstehen. Im übrigen verliert die allein mit dem vorerwähnten Eingeständnis außerehelicher Beziehungen mit Walter D für die Angeklagte verbundene Beeinträchtigung ihres Ansehens in sittlicher Beziehung angesichts des Umstandes, daß sie sich nach ihren eigenen Angaben in diesem zivilgerichtlichen Verfahren (vgl. S. 11 d.A.) etwa zur gleichen Zeit und innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes auch noch zu einem Geschlechtsverkehr mit zwei anderen, ihr ersichtlich nur flüchtig bekannten Männern (nämlich mit Anton E und Wilhelm C) bereit fand, einiges an Gewicht.
So gesehen kann nicht gesagt werden, daß ihr eine wahrheitsgemäße Aussage über den zweimaligen Geschlechtsverkehr mit Walter D unzumutbar war, weil die insoweit mit der falschen Aussage verbundenen Nachteile für den im zivilgerichtlichen Verfahren auf Feststellung der außerehelichen Vaterschaft Beklagten Anton E, aber auch für das als Kläger in diesem Zivilprozeß auftretende außereheliche Kind der Angeklagten unverhältnismäßig schwerer wogen als die von der Angeklagten durch die auch in diesem Punkt wahrheitswidrige Aussage von sich abgewendete zusätzliche Schande. Der Beschwerdeführerin kann somit auf Grund der Bestimmung des § 290 Abs. 3 StGB Aussagenotstand nach dem Abs. 1 dieser Gesetzesstelle nicht zugebilligt werden.
Ihre zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.
Das Landesgericht verurteilte die Angeklagte Maria A nach dem (eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorsehenden) Strafsatz des § 288 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten.
Bei der Strafbemessung war erschwerend die Tatwiederholung; als mildernd wurden das Teilgeständnis und die bisherige Unbescholtenheit der Angeklagten gewertet.
Die Angeklagte strebt mit ihrer Berufung eine Herabsetzung des Strafausmaßes und die Gewährung der bedingten Strafnachsicht an. Die Berufung ist nach beiden Richtungen hin im Recht. Abgesehen davon, daß hier die (teilweise) Furcht vor Schande als weiterer Milderungsgrund hinzutritt, wurden die gegebenen Strafzumessungsumstände in erster Instanz im wesentlichen richtig und vollzählig festgestellt, jedoch nicht zutreffend gewürdigt. Nach sorgfältiger Prüfung und Wägung der Strafzumessungsumstände gelangte der Oberste Gerichtshof zur Auffassung, daß die festgestellten Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen; überdies besteht den Umständen nach begründete Aussicht, daß die Angeklagte auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde, wenn man das Vorleben der Täterin und die offenbare Tatmotivation mit in Betracht zieht. Es liegen daher die Voraussetzungen einer außerordentlichen Strafmilderung im Sinn des § 41 Abs. 1 Z. 5 StGB vor, weshalb die gesetzliche Mindeststrafe unterschritten werden konnte. Darüber hinaus war es verfehlt, wenn das Erstgericht der Berufungswerberin die Gewährung der bedingten Strafnachsicht unter Berufung auf Belange der Generalprävention verweigerte. Die Angeklagte war teilweise geständig, sie ist unbescholten, ihre Besserung kann mit Fug und Recht erwartet werden. Spezialpräventive überlegungen führen daher zwangsläufig zur Gewährung der bedingten Strafnachsicht im Sinn des § 43 Abs. 1 StGB, weil es nach Lagerung des Falles zwar der Verhängung, aber keineswegs der Vollstreckung der Freiheitsstrafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken, sind doch die Straftaten nur aus der besonders gelagerten Situation der Berufungswerberin zur Tatzeit zu erklären.
Der Berufung der Angeklagten war darum spruchgemäß Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E01592European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0130OS00122.78.1116.000Dokumentnummer
JJT_19781116_OGH0002_0130OS00122_7800000_000