TE OGH 1978/11/23 13Os101/78

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Veröffentlicht am 23.11.1978
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.November 1978

unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Loesch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Günter A wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den § 142 Abs. 1, 143 StGB über die vom Angeklagten Günter A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht St. Pölten vom 10. März 1978, GZ. 24 Vr 1587/76-54, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Josef Wegrostek, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise, und zwar dahin Folge gegeben, daß die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe unter Anwendung des § 41 Abs. 1 Z 3 StGB auf 3 1/2

(dreieinhalb) Jahre herabgesetzt wird; im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Günter A des Verbrechens des schweren Raubes nach den § 142 Abs. 1, 143 StGB schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er am 4. Dezember 1976 in Mitterndorf durch das In-Anschlag-Bringen einer geladenen Gaspistole und durch die öußerung 'Geld her', sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, dem Friedrich B fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Tankwarttasche im Wert von S 1.000,-- und 8.374,- S Bargeld mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe verübte. Die Geschwornen hatten die betreffende anklagekonforme Hauptfrage (I.) bejaht und die Zusatzfrage (II.), ob der Angeklagte die Tat in einer tiefgreifenden Bewußtseinstrübung begangen habe, in der er unfähig gewesen sei, das Unrecht dieser Tat einzusehen oder darnach zu handeln, verneint. Der nach ihrer teilweisen Zurückziehung im Gerichtstag nur mehr auf den § 345 Abs. 1 Z 5 und Z 8 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt keine Berechtigung zu. Unter Geltendmachung des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes rügt der Beschwerdeführer die Abweisung der vom Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf Einvernahme jenes Gendarmeriebeamten, der ihn in St. Andrä/Wördern vernommen habe, und auf Durchführung einer Untersuchung an ihm in Verbindung mit einem nach der Einnahme des Medikaments 'Temesta' durch ihn in verschiedener Dosierung durchzuführenden Test (S 465). Die Ablehnung dieser Beweisaufnahme bewirkte jedoch keine Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte.

Die Aussage des Gendarmen sollte zum Nachweis dafür dienen, daß der Angeklagte bei seiner ersten, nicht protokollierten Einvernahme in St. Andrä/Wördern kein hinreichendes Erinnerungsvermögen an den Tag gelegt habe, was nach den Beschwerdeausführungen im Hinblick auf die Gutachten der Sachverständigen für Psychiatrie von Bedeutung gewesen wäre. Zu diesem Beweisthema ließ die beantragte Zeugenvernehmung aber ein verwertbares Ergebnis von vornherein nicht erwarten. Denn eine Konstatierung, ob der Beschwerdeführer wirklich an Erinnerungslosigkeit gelitten oder eine solche nur vorgeschützt hat, wäre der Wahrnehmbarkeit durch den Zeugen jedenfalls entzogen gewesen. Dazu kommt noch, daß der Angeklagte - worauf das Erstgericht zutreffend hinwies (S 466) und worauf er in der Beschwerde selbst Bezug nimmt (S 522) - zunächst keineswegs eine Erinnerungslosigkeit behauptete, sondern die Tat überhaupt leugnete (vgl. S 445), wobei er sich sogar auf zwei angebliche, in Wahrheit aber von ihm gedungene falsche Alibizeugen berief (vgl. S 11, 92, 94), wogegen nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. C bei einer echten Amnesie seinerseits zu erwarten gewesen wäre, er werde nicht imstande sein, dem gegen ihn geäußerten Tatverdacht sofort zu widersprechen und seine Täterschaft in Abrede zu stellen (vgl. S 464 f), sowie weiters, daß er bei seiner späteren niederschriftlichen Einvernahme durch die Gendarmerie auch über bis dahin unbekannt gewesene Details, wie etwa über das Versteck des geraubten Geldes, über das Wegwerfen der Geldtasche, über das Verlieren der (sodann tatsächlich auf Grund seiner Angaben gefundenen) Gaspistole und über das Wegwerfen des zugehörigen Halfters, berichtete, die keineswegs - wie er in der Beschwerde anzudeuten versucht - auf Vorhalte oder gar 'Konvalenzen' der vernehmenden Beamten zurückgeführt werden können. Ebenso ist dem Schwurgerichtshof auch insoweit kein Verfahrensmangel unterlaufen, als er die Durchführung der beantragten Testuntersuchung des Angeklagten unter Hinweis auf die Gutachten der Sachverständigen Dr. D und Dr. C nicht zuließ (S 466). Denn abgesehen davon, daß eine solche Untersuchung schon deshalb nicht erfolgversprechend gewesen wäre, weil der Beschwerdeführer über das Ausmaß seiner angeblichen Medikamenteneinnahme vor der Tat in den verschiedenen Verfahrensstadien verschiedene Angaben gemacht hat (vgl. S 22, 29 a, 436, 437), haben die genannten Sachverständigen mängelfrei dargelegt, daß die bei der Tatverübung bestandene Situation jedenfalls deswegen nicht rekonstruierbar ist, weil die Wirkung eines Medikaments nicht nur von der davon eingenommenen Menge, sondern außerdem von der bei einem Test nicht in gleicher Weise wie bei der Tat herstellbaren psychischen Belastung und seelischen Situation des Untersuchten abhängt (vgl. S 465, 466).

Die Verfahrensrüge hält daher in keine Richtung hin einer überprüfung stand.

In Darstellung des Nichtigkeitsgrundes nach dem § 345 Abs. 1 Z 8 StPO reklamiert der Beschwerdeführer eine Unrichtigkeit der den Geschwornen erteilten schriftlichen Rechtsbelehrung zum § 11 StGB zunächst in Ansehung der Frage, unter welchen Voraussetzungen und inwiefern eine Straftat als sogenannte 'actio libera in causa' - also als eine zwar im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit, jedoch nach Herbeiführung dieses Zustands mit Vorsatz oder Fahrlässigkeit in bezug auf ebendieses Delikt begangene Tat - zuzurechnen ist, indes zu Unrecht.

Gemäß dem § 321 Abs. 2 StPO hat sich nämlich die Rechtsbelehrung bloß auf tatsächlich gestellte Fragen zu erstrecken; demzufolge führen nur eine Unrichtigkeit, die diesen vom Gesetz verlangten Inhalt die Belehrung betrifft, oder eine irreführende überschreitung des durch das Fragenschema gesteckten Rahmens zur Nichtigkeit nach dem § 345 Abs. 1 Z 8 StPO (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer III/3, E.Nr. 10, 13, 19 und 9 aa hiezu). Eine (alternative Haupt-) Frage dahin, ob der Beschwerdeführer den ihm angelasteten schweren Raub etwa als eine actio libera in causa im vorerwähnten Sinn begangen habe (vgl. § 317 Abs. 2 StPO), ist aber den Geschwornen gar nicht gestellt worden, und selbst eine Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung über die Voraussetzungen strafrechtlicher Verantwortlichkeit für eine solcherart im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit verübte Tat hätte die Laienrichter bei der Beantwortung der Zusatzfrage (II.), ob der Angeklagte die Tat überhaupt in einem derartigen Zustand begangen habe, jedenfalls nicht irreleiten können. Davon abgesehen kann jedoch von einer Fehlerhaftigkeit der relevierten Erläuterungen, wie sie in der Beschwerde behauptet wird, ohnedies gar nicht gesprochen werden, weil die vom Angeklagten bemängelte Erklärung nicht - wie er meint - die vorsätzliche, sondern deutlich genug und insoweit rechtsrichtig die (hier mangels eines ihm angelasteten Fahrlässigkeitsdelikts unaktuelle) fahrlässige actio libera in causa betrifft.

Entgegen der Beschwerdeauffassung konnte schließlich die Rechtsbelehrung von den Geschwornen auch in dem Teil nicht mißverstanden werden, der zum Ausdruck bringt, daß die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit eine Rechtsfrage ist, 'die das Gericht mit Hilfe von Sachverständigen zu lösen hat'. Keineswegs konnte diese Formulierung, wie vom Beschwerdeführer behauptet, den Eindruck erwecken, im gegebenen Zusammenhang seien ausschließlich die Sachverständigengutachten und nicht auch die übrigen Ergebnisse des Beweisverfahrens maßgeblich. Gerade durch die Unterstreichung des Wortes 'Gericht' wird vielmehr unmißverständlich klargestellt, daß die Frage der Zurechnungsfähigkeit nicht durch Sachverständige, sondern lediglich 'mit deren Hilfe', also auf Grund sämtlicher Beweisergebnisse, durch das Gericht zu lösen ist. Darauf wurden die Geschwornen im übrigen auch durch die allgemeine Rechtsbelehrung (§ 325 Abs. 1 StPO) ausdrücklich hingewiesen (S 489).

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB zu sechs Jahren Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es den relativ geringen Wert des geraubten Gutes und dessen Zustandebringung, die Verwendung einer wenig gefährlichen Waffe und das Alter des Angeklagten unter 21 Jahren als mildernd, seine Vorstrafe wegen Betruges, seinen raschen Rückfall und den Umstand, daß er durch sein Verhalten nach der Tat für kurze Zeit den beraubten Tankwart in den Verdacht brachte, sich die Beute selbst zugeeignet zu haben, dagegen als erschwerend. Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Strafherabsetzung und die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt, kommt teilweise Berechtigung zu.

Beizupflichten ist dem Geschwornengericht zwar darin, daß dem Berufungswerber die vorsätzliche Beeinträchtigung seiner psychischen Hemmechanismen gegen die Tat durch Medikamenteneinnahme nicht als mildernd zugutegehalten werden kann; desgleichen wurde der Raub keineswegs unter Umständen begangen, die einem Schuldausschließungsgrund nahekommen. Wohl aber war es verfehlt, dem Angeklagten auch als erschwerend anzulasten, daß durch sein auf die Verhinderung seiner Ausforschung als Täter abzielendes Verhalten nach der Tat vorübergehend der Beraubte selbst in einen falschen Verdacht geriet.

Bei zusammenfassender Würdigung aller maßgeblichen Aspekte der Straftat und der Täterpersönlichkeit des Berufungswerbers liegen jedenfalls die Voraussetzungen des § 41 (Abs. 1 Z 3) StGB unzweifelhaft vor. Unter Bedacht auf den hohen Unrechtsgehalt der Tat, in dem auch das gesteigerte Schutzbedürfnis der Gesellschaft in Zeiten der Anhäufung von Raubüberfällen Niederschlag findet und dessen Berücksichtigung damit auch den Zwecken der Generalprävention dient (vgl. Kunst in ÖJZ 1977 S 482), einerseits und auf die Jugend des Angeklagten, der noch nie das Strafübel des Freiheitsentzugs erlitten hat, anderseits war die vom Erstgericht verhängte Freiheitsstrafe auf das im Spruch bezeichnete, seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld (§ 32 StGB) entsprechende Maß zu reduzieren.

Die Gewährung bedingter Strafnachsicht jedoch kam damit schon im Hinblick auf die Strafdauer nicht in Betracht (§ 43 StGB). Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01594

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0130OS00101.78.1123.000

Dokumentnummer

JJT_19781123_OGH0002_0130OS00101_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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