TE OGH 1978/11/28 4Ob576/78

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Veröffentlicht am 28.11.1978
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Norm

ABGB §92 Abs2 nF
ABGB §92 Abs3
ABGB §92 Abs1
ABGB §92 Abs2
JN §44

Kopf

SZ 51/168

Spruch

Eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit gesonderter Wohnungsnahme ist im Rahmen ihrer Rechtskraftwirkung in anderen Verfahren bindend; wurde sie nicht beantragt, ist die Rechtsmäßigkeit der gesonderten Wohnungsnahme im betreffenden Verfahren als Vorfrage zu prüfen und zu entscheiden. Eine selbständige Prüfung und Entscheidung dieser Frage ist in einem anderen Verfahren ausgeschlossen

Der Anspruch des Ehegatten auf Unterhaltsleistung nach gesonderter Wohnungsnahme ist nicht davon abhängig, ob diese rechtmäßig war oder ist

Eine Überweisung nach § 44 JN hat - falls nicht Sonderregelungen bestehen - zur Voraussetzung, daß der Antrag in einem in dieser Gesetzesstelle angeführten Verfahren, jedoch beim unzuständigen Gericht, gestellt wurde

OGH 28. November 1978, 4 Ob 576/78 (OLG Innsbruck 1 R 262/78; LG Innsbruck 15 Cg 69/78)

Text

Die Klägerin begehrt mit ihrer am 13. Feber 1978 beim Erstgericht überreichten Klage die Scheidung ihrer am 19. September 1964 vor dem Standesamt S mit dem Beklagten geschlossenen Ehe. Beide Streitteile sind österreichische Staatsbürger. Die Klägerin verband mit ihrer Klage den Antrag, durch einstweilige Verfügung ihr den abgesonderten Wohnort (bei ihren Eltern in F bei Stuttgart) zu bewilligen und den Beklagten ab 8. Feber 1978 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 2000 S an sie zu verpflichten.

Das Erstgericht wies beide Anträge ab, da ausreichende Gründe für die Klägerin, aus der gemeinsamen ehelichen Wohnung wegzuziehen, und auch eine Gefährdung ihres Unterhaltes nicht bescheinigt seien.

Anläßlich des Rekurses der Klägerin gegen die Entscheidung des Erstgerichtes hob das Rekursgericht diese, soweit sie die Bewilligung des abgesonderten Wohnortes betraf, als nichtig auf und wies den Antrag der Klägerin insoweit wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück (Punkt 1 des angefochtenen Beschlusses), da nach § 93 Abs. 3 ABGB i. d. F. des Bundesgesetzes vom 1. Juli 1975, BGBl. 412, über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe nur mehr eine Feststellung, ob die gesonderte Wohnungsnahme rechtmäßig war oder ist, zulässig ist, dafür aber ausschließlich das Bezirksgericht zuständig sei, das im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden habe. Für das Begehren der Klägerin sei daher der Rechtsweg unzulässig, was auch von Amts wegen wahrzunehmen gewesen sei. Im übrigen bestätigte das Rekursgericht (durch Punkt 2 des angefochtenen Beschlusses) die Entscheidung des Erstgerichtes.

Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs der Klägerin soweit er sich gegen Punkt 2 des angefochtenen Beschlusses richtete zurück; im übrigen gab er ihm nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Das Rekursgericht hat zu Recht die Begehren der Klägerin nach der durch das Gesetz über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe (ab 1. Jänner 1976) geschaffenen Rechtslage beurteilt. Nach § 92 Abs. 2 ABGB neuer Fassung kann ein Ehegatte vorübergehend gesondert Wohnung nehmen, solange ihm ein Zusammenleben mit dem anderen Ehegatten, besonders wegen körperlicher Bedrohung, unzumutbar oder die gesonderte Wohnungsnahme aus wichtigen persönlichen Gründen gerechtfertigt ist. Nach § 92 Abs. 3 ABGB neuer Fassung kann jeder der Ehegatten vor oder nach der gesonderten Wohnungsnahme die Entscheidung des Gerichtes beantragen, ob die gesonderte Wohnungsnahme rechtmäßig war oder ist. Zur Entscheidung ist das Bezirksgericht (am allgemeinen Gerichtsstand der Ehegatten) im Verfahren außer Streitsachen ausschließlich zuständig. Dadurch soll jeder Ehegatte die Möglichkeit - aber nicht die Verpflichtung - haben, sich über die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit der gesonderten Wohnungsnahme Gewißheit zu verschaffen. Ist eine solche Entscheidung ergangen, ist sie im Rahmen ihrer Rechtskraftwirkung in anderen Verfahren bindend; wurde sie nicht beantragt, ist die Rechtmäßigkeit der gesonderten Wohnungsnahme im betreffenden Verfahren als Vorfrage zu prüfen und zu entscheiden. Eine selbständige Prüfung und Entscheidung dieser Frage in einem anderen Verfahren ist aber ausgeschlossen (Ent - Hopf, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, 42 f., 102 f.; 7 Ob 565/77). Dem Begehren der Klägerin nach "Bewilligung des abgesonderten Wohnortes" steht daher das Prozeßhindernis der Unzulässigkeit des Rechtsweges entgegen (Fasching, ZP I, 266 f., IV, 134 f.). Dieses Prozeßhindernis ist - auch im Exekutionsverfahren (Fasching, ZP I, 260) - in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen. Das Rekursgericht hat daher zu Recht anläßlich des Rekurses der Klägerin das Verfahren über diesen Antrag für nichtig erklärt und den Antrag zurückgewiesen. Eine Überweisung gemäß § 44 Abs. 1 JN kam nicht in Frage, weil die Anwendung dieser Bestimmung - falls nicht Sonderregelungen bestehen - voraussetzt, daß der Antrag in einem in dieser Gesetzesstelle angeführten Verfahren, jedoch beim unzuständigen Gericht gestellt wurde (EvBl. 1963/33).

Dem Revisionsrekurs war somit, soweit er Punkt 1 der angefochtenen Entscheidung betraf, nicht Folge zu geben.

Wenn auch die Entscheidung des Rekursgerichtes über dieses Begehren der Klägerin inhaltlich eine Abänderung der Entscheidung des Erstgerichtes (in der Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges) bedeutete, so folgt doch daraus noch nicht die Zulässigkeit des Revisionsrekurses gegen Punkt 2 des angefochtenen Beschlusses (Bestätigung der Entscheidung des Erstgerichtes, womit das Begehren der Klägerin, dem Beklagten eine Unterhaltsleistung aufzuerlegen, abgewiesen wurde).

Gemäß § 528 Abs. 1 Satz 1 Z. 1 ZPO kann die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz, durch die der angefochtene erstrichterliche Beschluß bestätigt wurde, nicht mehr angefochten werden. Im Falle einer teils bestätigenden und teils abändernden Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz kann nach den Grundsätzen des JB 56 neu (SZ 24/335) zwar regelmäßig auch der bestätigende Teil der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz angefochten werden. Die neuere Rechtsprechung hat jedoch diese Möglichkeit auf solche Fälle eingeschränkt, in denen der bestätigende und der abändernde Teil der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz in einem so unlösbaren sachlichen Zusammenhang stehen, daß sie nicht auseinandergerissen werden können und daher auch die Zulässigkeit ihrer Anfechtung nur einheitlich beurteilt werden kann. Wenn das Gericht zweiter Instanz über mehrere Gegenstände oder Ansprüche entschieden hat, die nicht in einem solchen inneren Zusammenhang stehen, sondern durchaus jeder für sich ein eigenes rechtliches Schicksal haben kann, dann steht einer Teilung der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz im Sinne einer abgesonderten Beurteilung ihrer Anfechtbarkeit kein Hindernis entgegen (ÖBl. 1975, 89, m. w. N.; ÖBl. 1976, 37 u. a.).

Dies traf im vorliegenden Fall zu. Der Anspruch des Ehegatten auf eine Unterhaltsleistung nach gesonderter Wohnungsnahme ist nämlich nicht davon abhängig, ob diese rechtmäßig war oder ist. Gemäß § 94 ABGB neuer Fassung besteht vielmehr der Unterhaltsanspruch des Ehegatten nach Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes weiter, sofern nicht die Geltendmachung des Unterhaltsanspruches, besonders wegen der Gründe, die zur Aufhebung des gemeinsamen Haushaltes geführt haben, ein Mißbrauch des Rechtes wäre. Es können somit nur besonders krasse Fälle, in welchen die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruches wegen des Verhaltens des betreffenden Ehegatten grob unbillig erschiene, die Annahme einer Unterhaltsverwirkung rechtfertigen (Ent - Hopf a. a. O., 55 f., 134; 1 Ob 679/78). Das Begehren nach Verpflichtung des anderen Ehegatten zu einer Unterhaltsleistung nach gesonderter Wohnungsnahme hat daher ein gegenüber dem Begehren nach Feststellung der Rechtmäßigkeit der gesonderten Wohnungsnahme eigenständiges rechtliches Schicksal, so daß auch die Anfechtbarkeit der Entscheidungen darüber gesondert und selbständig zu prüfen ist. Da die Entscheidung des Erstgerichtes über das Begehren der Klägerin nach Verpflichtung des Beklagten zu einer Unterhaltsleistung vom Rekursgericht bestätigt wurde, ist dagegen gemäß § 528 Abs. 1 Satz 1 Z. 1 ZPO ein weiteres Rechtsmittel unzulässig; diese Bestimmung gilt gemäß §§ 402, 78, 65 EO, auch im Verfahren über einen Antrag auf Erlassung einer EV (SZ 43/154 u. a.; zuletzt 4 Ob 366/78).

Insoweit war daher der Rekurs der klagenden Partei zurückzuweisen.

Anmerkung

Z51168

Schlagworte

Ehegattenunterhalt, Anspruch, Gesonderte Wohnungsnahme, Rechtmäßigkeit, Überweisungsantrag § 44 JN, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0040OB00576.78.1128.000

Dokumentnummer

JJT_19781128_OGH0002_0040OB00576_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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