Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28. November 1978
unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Schneider, Dr. Steininger und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Liebetreu als Schriftführer in der Strafsache gegen Alfred A wegen des Verbrechens nach dem § 6 Abs. 1
SuchtgiftG und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2. Mai 1977, GZ. 6 d Vr 10.109/ 76-20, und des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 21. September 1977, GZ. 13 Bs 405/77 (6 d Vr 10.109/75-28 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 2. Mai 1977, GZ. 6 d Vr 10.109/76-20, verletzt das Gesetz a) in Ansehung der darin enthaltenen Schuldsprüche des Alfred A wegen der Vergehen der Täuschung nach dem § 108 (Abs. 1) StGB (Urteilsfaktum III), des Gebrauchs fremder Ausweise nach dem § 231 (Abs. 1) StGB (Urteilsfaktum IV) und nach dem § 9 Abs. 1 Z 2 SuchtgiftG (Urteilsfaktum VI) durch die unterbliebene Prüfung der Strafbarkeit nach dem Recht des Tatortes in der Bestimmung des § 65 StGB, b) in Ansehung des Schuldspruches des Genannten wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229
(Abs. 1) StGB (Urteilsfaktum V) in dieser Bestimmung und c) im Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft in der Bestimmung der § 38 Abs. 1 Z 1 und 66 StGB Dieses Urteil, das in den Schuldsprüchen zu Punkt I und II unberührt bleibt, wird teilweise, und zwar in den Schuldsprüchen zu III, IV, V und VI, ferner im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Anrechnung der Vorhaft) und im Ausspruch über die Geldstrafe nach dem § 6 Abs. 4 SuchtgiftG, demgemäß auch das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 21.9.1977, AZ 13 Bs 405/77, und alle auf diesen Urteilen beruhenden Anordnungen und Verfügungen, insbesondere die Endverfügung vom 3. Oktober 1977, ON 30, und die Verfügung vom 20. Dezember 1977, ON 33, auf Eintreibung der Geldstrafe durch die Einbringungsstelle, aufgehoben, und es wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zurückverwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes verworfen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2. Mai 1977, GZ 6 d Vr 10.109/ 76-20, wurde der am 15. April 1951 geborene Hilfsarbeiter Alfred A, ein österreichischer Staatsbürger, I/ und II/: des Verbrechens nach dem § 6 Abs. 1 SGG, zum Teil im Deliktsstadium des Versuchs nach dem § 15 StGB, und der Vergehen III/: der Täuschung nach dem § 108 (Abs. 1) StGB, IV/: des Gebrauchs fremder Ausweise nach dem § 231 (Abs. 1) StGB, V/: der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 (Abs. 1) StGB und VI/: nach dem § 9 Abs. 1 Z 2 SGG schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß dem § 6 Abs. 4 SGG wurde ihm ein Wertersatz (Verfallsersatzstrafe) von 756.000,-- S, für den Fall der Uneinbringlichkeit ein Jahr Ersatzfreiheitsstrafe, auferlegt. Ihm liegt inhaltlich des Urteilsspruchs zur Last, und zwar zu Punkt I/ und II/: in Basel durch den Verkauf von 1.) 900 Morphiumtabletten in den Monaten August 1974 und September 1974 an Eduard B und 2.) 300 Morphiumtabletten in den Monaten August 1974 bis Oktober 1974 an Nicandro C vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in solchen Mengen in Verkehr gesetzt zu haben, daß daraus in größerer Ausdehnung eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen konnte und dies überdies in der Zeit zwischen Juli 1974 und Oktober 1974 in Basel auch dadurch versucht zu haben, daß er etwa
7.800 von Ahmad Khad (richtig: Khan) D zum kommissionsweisen Verkauf erhaltene Morphiumtabletten verschiedenen Personen zum Kauf anbot; zu Punkt III/: im Juli 1976 in Karachi dem schweizerischen Staat in seinem Recht auf Ausstellung von Reisepässen dadurch absichtlich einen Schaden zugefügt zu haben, daß er Angestellte (Beamte) des schweizerischen Generalkonsulates (in Karachi) durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorspiegelung, Rose Luca E heiße Rose Lucy F, wobei er sich mit dem fremden, auf den Namen Martin F lautenden schweizerischen Reisepaß, Nummer 1909388, auswies, zu einer Handlung, nämlich zur Ausstellung eines schweizerischen Reisepasses auf den Namen Rose Lucy F verleitete, die den Schaden herbeiführte;
zu Punkt IV/: in der Zeit zwischen Mai 1976 und Ende 1976 in Karachi und anderen Orten wiederholt einen amtlichen Ausweis, der für einen anderen ausgestellt war, nämlich den unter Punkt III/ angeführten, auf den Namen Martin F lautenden schweizerischen Reisepaß im Rechtsverkehr gebraucht zu haben, als wäre er für ihn ausgestellt; zu Punkt V/: Ende 1976 in Wien Urkunden, über die er nicht allein verfügen durfte, nämlich die zu Punkt III/
und IV/ angeführten (schweizerischen) Reisepässe, vernichtet zu haben, und zu Punkt VI/: in der Zeit zwischen 1973 und November 1974 sowie seit Juni 1976 und August 1976 in Wien, Basel und anderen Orten wiederholt unberechtigt Suchtgift erworben und besessen zu haben.
In teilweiser Stattgebung der von Alfred A gegen dieses Urteil erhobenen Berufung, mit der dieser u.a. auch die Höhe der ihm gemäß dem § 6 Abs. 4 SGG auferlegten Geldstrafe (Verfallsersatzstrafe) bekämpfte, setzte das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht mit Urteil vom 21. September 1977, 13 Bs 405/77 (ON 28 d. A) diese Geldstrafe auf 740.880,-- S herab. Im übrigen wurde der Berufung nicht Folge gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Das eingangs angeführte Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien steht in mehrfacher Beziehung mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Der Angeklagte Alfred A verübte mit Ausnahme des zu Punkt V/ des Urteilssatzes bezeichneten Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 (Abs. 1) StGB alle übrigen ihm unter Punkt I/ bis IV/ und VI/ des Urteilssatzes angelasteten Straftaten im Ausland (die Anführung Wiens als Tatort neben anderen im Ausland gelegenen Tatorten im Urteilsfaktum VI/ findet in der Aktenlage, aber auch in den Urteilsgründen keine Deckung).
Die Tatbegehung im Ausland macht demnach eine Prüfung erforderlich, ob die österreichische Gerichtsbarkeit hinsichtlich dieser Auslandsstraftaten des Angeklagten gegeben ist.
Das unter Punkt I/ und II/ angeführte (zum Teil im Stadium des Versuchs verbliebene) Verbrechen nach dem § 6 Abs. 1 SGG zählt zu den im § 64 Abs. 1 Z 4 StGB genannten Delikten, die nach den österreichischen Strafgesetzen, unabhängig von den Strafgesetzen des Tatortes, zu bestrafen sind, sofern dadurch entweder österreichische Interessen verletzt worden sind oder der Täter nicht ausgeliefert wird. Das zuletzt angeführte Erfordernis trifft auf den Angeklagten A zu, weil er als österreichischer Staatsbürger nicht ausgeliefert werden darf.
Er unterliegt somit hinsichtlich des Delikts nach dem § 6 Abs. 1 SGG unabhängig vom Tatortrecht (das wäre vorliegend das schweizerische Strafrecht) der inländischen Gerichtsbarkeit (vgl. ÖJZ-LSK 1975/104). Hingegen ist eine auf die Bestimmung des § 64 Abs. 1 Z 2 StGB gestützte Abstrafung des Angeklagten A nach den inländischen Strafgesetzen ohne Rücksicht auf das Tatortrecht in Ansehung des Urteilsfaktums III/ nicht möglich, weil er die dort bezeichnete strafbare Handlung (Vergehen der Täuschung) nicht gegen österreichische (sondern gegen schweizerische) Beamte begangen hat. Hinsichtlich der unter Punkt III/, IV/ und VI/ des Urteilssatzes angeführten Auslandsstraftaten des Angeklagten A greift die österreichische Strafgerichtsbarkeit auf Grund seiner österreichischen Staatsbürgerschaft nur nach Maßgabe des § 65 StGB Platz. Das inländische Strafrecht kommt nach dem Abs. 1 dieser Gesetzesstelle nur dann zur Anwendung, wenn die Taten auch nach den Gesetzen des Tatortes mit Strafe bedroht sind; die betreffende (inländische) Strafbestimmung wird gemäß dem § 65 Abs. 4 Z 1 StGB u. a. dann nicht wirksam, wenn die Strafbarkeit einer solchen Auslandsstraftat nach den Gesetzen des Tatortes erloschen ist. Eine Prüfung dieser im § 65 Abs. 1 und Abs. 4 (Z 1) StGB genannten Voraussetzungen hat aber das Erstgericht in den angeführten Urteilsfakten nicht vorgenommen und es demnach auch unter-- lassen, im Urteil darüber Feststellungen zu treffen, ob das in den Punkten III/ und IV/ des Urteilssatzes beschriebene Tatverhalten des Angeklagten nach der Strafrechtsordnung Pakistans oder anderer allenfalls noch in Betracht kommender Staaten überhaupt mit Strafe bedroht ist, wobei bejahendenfalls überdies noch zu klären gewesen wäre, ob die Strafbarkeit dieser Taten nicht allenfalls nach den Gesetzen des Tatortes (etwa durch Verjährung) erloschen ist. Daß das dem Urteilsfaktum VI/ zugrundeliegende Tatverhalten des Angeklagten auch in der Schweiz mit Strafe bedroht ist, kann zwar nicht zweifelhaft sein, es bedarf aber die Frage einer allfälligen Verjährung dieser Tathandlungen in der Schweiz (§ 65 Abs. 4 Z 1 StGB) noch einer näheren Prüfung (vgl. hiezu das nicht rechtskräftige Urteil des Strafgerichtes Basel-Stadt vom 1. Juni 1976, Seite 361, 369 d. A). Die bisherigen Verfahrensergebnisse bieten auch keine Anhaltspunkte für den zu Punkt VI/ des Urteilssatzes angeführten Tatort Wien; ein solcher wurde in den Urteilsgründen auch gar nicht festgestellt.
Außerdem ist die im Urteilssatz zu Punkt IV/ und VI/ neben den dort im einzelnen näher angegebenen Tatorten aufscheinende (ganz allgemein gehaltene) Tatortbezeichnung 'anderen Orten' infolge ihrer Unbestimmtheit für die vorerwähnte Prüfung nach dem § 65 Abs. 1 und 4 StGB unzulänglich, kann doch daraus nicht entnommen werden, in welchem Staat der Angeklagte Alfred A die unter diesen Punkten im Urteil beschriebenen Tathandlungen allenfalls noch begangen hat, sodaß völlig offen bleibt, welche (fremde) Strafrechtsordnungen als Tatortrecht bei dieser Prüfung zu berücksichtigen sind. Schließlich erweist sich aber auch die zum Faktum V/ vom Erstgericht in den Urteilsgründen getroffene Feststellung, der Angeklagte A habe die beiden dort angeführten Reisepässe (in Wien) vernichtet, für einen Schuldspruch wegen Vergehens der Urkundenunterdrückung nach dem § 229 (Abs. 1) StGB als nicht ausreichend. Denn dieser Vergehenstatbestand erschöpft sich keineswegs in der bloßen Vernichtung (Beschädigung oder Unterdrückung) einer Urkunde, über die der Täter nicht oder nicht allein verfügen darf, dieser muß hiebei überdies noch mit dem Vorsatz handeln zu verhindern, daß die Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde. Hiezu läßt jedoch das erstgerichtliche Urteil jede Feststellung vermissen. Insoweit ist demnach das erstgerichtliche Urteil infolge dieses Feststellungsmangels auch mit dem sich zum Nachteil des Angeklagten A auswirkenden Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO behaftet.
Es stimmt aber auch das vom Erstgericht gemäß dem § 38 (Abs. 1 Z 1) StGB dem Angeklagten A angerechnete Ausmaß der Vorhaft (die, soweit sie im Ausland verbüßt wurde, richtigerweise nach der Bestimmung des § 66
StGB anzurechnen gewesen wäre) mit der Aktenlage nicht überein. So wurde der Angeklagte in der Schweiz am 25. November 1974 erst um 17 Uhr 30 (und nicht um 16 Uhr 30) festgenommen (vgl. Seite 83, 307 d. A). Er entwich am 24. Mai 1975 in der Zeit zwischen 19 Uhr 30 bis 21 Uhr 15
(Seite 97 d. A) aus dem vorläufigen Strafvollzug in der Schweiz, sodaß ihm im Zweifel zu seinen Gunsten die Haft bis 21 Uhr 15 dieses Tages (und nicht bloß bis 19 Uhr 30) anzurechnen gewesen wäre. Seine (neuerliche) Festnahme im Inland erfolgte am 15. Feber 1977 bereits um 9 Uhr 00
(vgl. Seite 33 d. A), sodaß die Vorhaft schon ab diesem Zeitpunkt (und nicht erst, wie im erstgerichtlichen Urteil bzw. in dem Berichtigungsbeschluß ON 25 angeführt, ab 19 Uhr 00) zu berücksichtigen gewesen wäre. überdies hat das Erstgericht die Vorhaft unter Verletzung der Bestimmung des § 38 StGB (§ 66 StGB) nur auf die über Alfred A verhängte Freiheitsstrafe (von zweieinhalb Jahren), nicht aber auch auf die gemäß dem § 6 Abs. 4 SGG ausgesprochene Verfallsersatzstrafe angerechnet.
Die aufgezeigten, dem Erstgericht mehrfach bei den Schuldsprüchen des Angeklagten Alfred A in den Urteilsfakten III/ bis VI/ und bei der Anrechnung der Vorhaft unterlaufenen Gesetzesverletzungen lassen, da damit verbundene nachteilige Auswirkungen für den Angeklagten keinesfalls ausgeschlossen werden können, die Aufhebung des Urteils des Erstgerichtes in den Schuldsprüchen zu Punkt III/, IV/, V/ und VI/, im Strafausspruch (einschließlich der Anrechnung der Vorhaft) und die Zurückverweisung der Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung unvermeidlich erscheinen. In diesem Umfang erwies sich daher die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes als berechtigt.
Dagegen vermochte der Oberste Gerichtshof der Generalprokuratur nicht in der Auffassung zu folgen, daß auch die Aussprüche des Erstgerichtes und des Berufungsgerichtes über die dem Angeklagten Alfred A gemäß dem § 6 Abs. 4 SuchtgiftG auferlegte Geldstrafe mit dem Gesetz nicht im Einklang stehen.
Nach den wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes zu den Schuldsprüchen Punkt I/ und II/ übernahm Alfred A (in der Zeit von August 1974 bis Oktober 1974 in Basel) von dem Suchtgiftgroßhändler Ahmad Khan D insgesamt 10.000 Morphiumtabletten, um durch deren Verkauf seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Er selbst veräußerte davon 1.200 zu einem Stückpreis von 20 sfr (bei einem Einkaufspreis von 12 sfr pro Stück), die verbleibende Suchtgiftmenge gab er schließlich nach vergeblichen Versuchen, auch diese abzusetzen, wieder seinem Lieferanten zurück.
Das Erstgericht errechnete die Wertersatzstrafe gemäß dem § 6 Abs. 4 SGG in der Höhe von 756.000,-- S auf der Grundlage der gesamten von Alfred A übernommenen Suchtgiftmenge von 10.000 Morphiumtabletten, einem Einkaufspreis von 12 sfr pro Stück und einem Umrechnungskurs 1 sfr = 6,30 S.
Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht ging in seinem Urteil vom 21. September 1977 (ON 28 d. A), bei der Herabsetzung dieser Geldstrafe auf 740.880,-- S von der mit den Verfahrensergebnissen übereinstimmenden und auch durch den Urteilsspruch des Erstgerichtes zu Punkt I/ und II/ gedeckten Annahme aus, daß Alfred A von den von Ahmad Khan D erhaltenen 10.000 Morphiumtabletten 1.200 Stück weiterverkaufte, rund 1.000 Stück davon selbst verbrauchte und den Rest von 7.800 Stück zruückgab. Es legte somit der von ihm neu berechneten Verfallsersatzstrafe die vom Schuldspruch des Alfred A nach den § 6 Abs. 1 SGG, 15 StGB gedeckte Suchtgiftmenge von (nur) 9.000 Stück Morphiumtabletten zugrunde und berücksichtigte hiebei auch den von Alfred A durch den Verkauf von
1.200 Morphiumtabletten erzielten Erlös von 20 sfr pro Stück; in Ansehung der letztlich zurückgegebenen Restmenge von 7.800 Stück berechnete es den Wertersatz in übereinstimmung mit dem Erstgericht nach dem zwischen Alfred A und seinem Lieferanten vereinbarten Einkaufspreis von 12 sfr pro Stück.
Ausgehend von der Rechtsansicht, eine Geldstrafe nach dem § 6 Abs. 4 SuchtgiftG dürfe nur demjenigen auferlegt werden, der durch den Verfall an seinem Vermögen getroffen worden wäre, vermißt die Generalprokuratur im Urteil des Erstgerichtes Feststellungen über die Rechtsnatur der der übergabe des Suchtgiftes zugrundeliegenden Vereinbarung zwischen dem Angeklagten Alfred A und seinem Lieferanten Ahmed Khan D.
Ein solcher Feststellungsmangel liegt aber nicht vor. Denn eine so weitgehende Einschränkung des Anwendungsbereiches der Strafnorm des § 6 Abs. 4 SuchtgiftG, wie sie von der Generalprokuratur vertreten wird, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Der § 6 Abs. 4 SuchtgiftG kennt zwei Anwendungsfälle. Die danach zwingend zu verhängende Geldstrafe ist nämlich einerseits dann aufzuerlegen, wenn die (den Gegenstand der nach dem § 6 Abs. 1 SuchtgiftG strafbaren Handlung bildenden) Sachen oder ihr Erlös nicht ergriffen werden (erster Anwendungsfall) oder andererseits, wenn (hinsichtlich der ergriffenen Sachen oder ihres Erlöses) nicht auf Verfall erkannt wird (zweiter Anwendungsfall).
Die Voraussetzungen für den Ausspruch des Verfalls sind aber im Abs. 3 dieser Gesetzesvorschrift umschrieben. Danach ist der Verfall zwingend für alle Fälle vorgesehen, in denen die sichergestellten (bereits näher bezeichneten) Sachen oder ihr Erlös dem Täter im weiteren Sinn (unmittelbarer Täter, Mitschuldiger oder Teilnehmer) gehören, für alle anderen Fälle ist der Verfallsausspruch fakultativ. Daraus ergibt sich, daß der zweite Anwendungsbereich des § 6 Abs. 4 SuchtgiftG ausschließlich jene Fälle erfassen kann, in denen die (zwar ergriffenen, aber nicht für verfallen erklärten) Sachen oder ihr Erlös nicht dem Täter (im weiteren Sinn) gehören. (Andernfalls hätte ja vom Verfall nicht abgesehen werden dürfen.) Demnach findet aber das Postulat, eine Geldstrafe nach dem § 6 Abs. 4 SuchtgiftG dürfe nur demjenigen auferlegt werden, der auch durch den Verfall in seinem Vermögen getroffen worden wäre, im Gesetz keine Deckung, ja es steht vielmehr zu diesem teilweise (und zwar in Ansehung des zweiten Anwendungsfalles nach dem § 6 Abs. 4 SuchtgiftG) im Gegensatz (vgl. in diesem Zusammenhang auch 10 Os 27/78, 11 Os 172/77).
Diese Erkenntnis tut allerdings dem schon bisher von der Rechtsprechung vertretenen Grundsatz keinen Abbruch, daß die Geldstrafe nach dem § 6 Abs. 4 SuchtgiftG den Verfall substituiert, woraus freilich nicht mehr abzuleiten ist, als daß die sogenannte Verfallsersatzstrafe insgesamt nur einmal bis zur Höhe des tatsächlich erzielten Erlöses (wenn dieser feststellbar ist und nicht Momente der Schenkung überwiegen) oder des gemeinen Wertes des nicht ergriffenen Suchtgiftes auferlegt werden darf (ÖJZ-LSK 1977/106 u.v.a.).
Auf den vorliegenden Fall angewendet, ergibt sich daraus, daß die - im ersten Anwendungsfall des § 6 Abs. 4
SuchtgiftG begründete - Geldstrafe unabhängig von der Frage zu verhängen war, welche Rechtsbeziehung zwischen dem Angeklagten und den nicht ergriffenen, den Gegenstand der Straftat bildenden Sachen bestand.
Soweit die Generalprokuratur im Zusammenhang mit dem Strafausspruch nach dem § 6 Abs. 4 SuchtgiftG auch noch auf einzelne Verfahrensergebnisse hinweist und eine unrichtige Berechnung der Höhe des tatsächlich erzielten Erlöses beim Verkauf von 1.200 Stück Morphiumtabletten releviert, ist ihr entgegenzuhalten, daß das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht mit seiner Entscheidung vom 21. September 1977, AZ 13 Bs 405/77, bei der Neubemessung der sogenannten Verfallsersatzstrafe seine gesetzliche Strafbefugnis in dieser Hinsicht nicht überschritten hat, weil insoweit bereits das Erstgericht - unbekämpft -
einen Verkaufserlös von 20,-- sfr pro Stück feststellte (S 424 d. A), den auch das Berufungsgericht seiner Berechnung zugrunde legte. Infolge Aufhebung des schöffengerichtlichen Urteiles in Teilen des Schuldspruches und demgemäß auch im Strafausspruch und dem von Nichtigkeit erfaßten Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft schien es nicht zweckmäßig, den - an sich mit Nichtigkeit nicht behafteten -
Ausspruch über die Verhängung einer Geldstrafe nach dem § 6 Abs. 4 SuchtgiftG von der Aufhebung auszunehmen. Das Erstgericht wird demnach auch dazu neue Feststellungen zu treffen und dabei jene Verfahrensergebnisse, die dafür sprechen, daß der Angeklagte nur eine Teilzahlung auf den beim Verkauf von 1.200 Morphiumtabletten vereinbarten Preis erhielt (vgl. S 183, 207, 211, 213, 249 und 279/281 des Aktes), in den Kreis seiner überlegungen einzubeziehen haben. Sollte es dabei zur Feststellung gelangen, der Angeklagte habe nicht die vereinbarten 24.000,-- sfr, sondern nur einen Betrag von 9.600,-- sfr vereinnahmt, wird es bei der Berechnung des Wertersatzes - abweichend von den bereits an früherer Stelle behandelten Annahmen des Berufungsgerichtes - davon auszugehen haben, daß nur hinsichtlich eines aliquoten Teiles (480 Stück) der verkauften 1.200 Morphiumtabletten ein Erlös von 20,--sfr tatsächlich erzielt wurde. In Ansehung des unbezahlt gebliebenen Suchtgiftes (720 Tabletten) wäre dann der (bisher mit 12,-- sfr pro Tablette angenommene) Verkehrswert der Berechnung zugrunde zu legen. Schließlich wird auch noch der Umstand aus den Akten des Strafgerichtes Basel-Stadt (vgl. dessen Ablichtung ON 12, insbesondere S 109 und 113) zu berücksichtigen sein, wonach bei einer am 25. November 1974
in der Wohnung des Angeklagten A in Basel durchgeführten Hausdurchsuchung noch fünf Morphiumtabletten vorgefunden und beschlagnahmt wurden. Diese beschlagnahmte Suchtgiftmenge wurde laut dem vom Strafgericht Basel-Stadt am 1. Juni 1976 gegen Alfred A in dessen Abwesenheit gefällten Strafurteil, mit dem er der wiederholten und fortgesetzten, teilweise qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie des Arbeitens (in der Schweiz) ohne Arbeitsbewilligung schuldig erkannt und zu einer zweieinhalbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde, gemäß dem Art. 58 Abs. 1 des (schweizerischen) Strafgesetzbuches eingezogen (vgl. S 377 und 379 des Aktes).
Der Wert dieser fünf Morphiumtabletten wäre unter der - noch zu klärenden - Voraussetzung, daß auch diese vom Schuldspruch des Alfred A wegen Verbrechens nach dem § 6 Abs. 1 SuchgiftG erfaßt sind, bei der Berechnung der Verfallsersatzstrafe nach dem § 6 Abs. 4 SuchtgiftG zu berücksichtigen, weil auf eine Geldstrafe nach dieser Gesetzesstelle nicht erkannt werden darf, soweit das Suchtgift (oder dessen Erlös) ergriffen und für verfallen erklärt wurde, auch wenn dies im Ausland erfolgte (EvBl. 1971/ 113, 1973/60).
Insgesamt war sohin wie im Spruche zu erkennen.
Anmerkung
E01610European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0110OS00115.78.1128.000Dokumentnummer
JJT_19781128_OGH0002_0110OS00115_7800000_000