Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 30.November 1978 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Loesch als Schriftführers in der Strafsache gegen Manfred A wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 3.August 1978, GZ. 2 d Vr 851/78-46, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwaltes Dr. Hanreich, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach dem § 204 Abs. 1 StGB (Punkt 2) und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und im Umfange dieser Aufhebung gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Manfred A wird von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe am 14. Jänner 1978 in Wien Johanna B im Anschluß an die unter Punkt 1.) der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wien vom 9.März 1978 inkriminierte Tat und unter der Nachwirkung der dort angeführten Drohungen, indem er sie aufforderte, sein Glied in den Mund zu nehmen, außer den Fällen der § 201 bis 203 StGB durch gefährliche Drohung zur Unzucht genötigt und hiedurch das Vergehen der Nötigung zur Unzucht nach dem § 204 Abs. 1 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Er wird für die ihm weiterhin zur Last fallenden Straftaten, nämlich das Verbrechen der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs. 1 StGB und das Vergehen des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 StGB (Punkte 1 und 3 des Schuldspruchs) nach dem § 202 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Die Aussprüche über die Anrechnung der Vorhaft gemäß dem § 38 Abs. 1 StGB und über die Kostenersatzpflicht gemäß § 389 StPO werden aus dem Ersturteil übernommen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Maler- und Anstreichergeselle Manfred A des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach dem § 204 Abs. 1 StGB und des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 14.Jänner 1978 in Wien 1.) Johanna B, indem er ein Messer gegen ihren Hals richtete und äußerte, so werde es jeder Hure gehen, und sie unmittelbar anschließend aufforderte, sich auszuziehen, während er das Messer neben sich liegen hatte, außer dem Fall der Notzucht durch gefährliche Drohung zum außerehelichen Beischlaf nötigte, 2.) nach dieser Tat und unter Nachwirkung der vorgenannten Drohungen, indem er Johanna B aufforderte, sein Glied in den Mund zu nehmen, diese außer den Fällen der § 201 bis 203 StGB durch gefährliche Drohung zur Unzucht nötigte und 3.) der Genannten eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Bargeldbetrag von S 200,-- mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
Soweit der Angeklagte in seiner den Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO anrufenden Mängelrüge die Feststellung des Erstgerichtes, er habe ein Messer mit geöffneter Klinge zur Bedrohung der Johanna B in die Hand genommen, als durch die Verfahrensergebnisse nicht gedeckt bezeichnet, genügt es, ihm zu erwidern, daß dieser Umstand durch die Zeugin Johanna B wiederholt bekundet wurde (S 46, 132, 141); hiebei kommt es allein darauf an - und dies wollte das Erstgericht ersichtlich auch zum Ausdruck bringen - daß die Klinge sichtbar war und mit ihr daher sogleich hätte zugestochen werden können, nicht aber, wie der Beschwerdeführer vermeint, ob es sich nun um ein Messer mit starrer Klinge (bei dem dies immer der Fall ist) oder aber mit zusammenklappbarer Klinge auch eingeklappt werden kann, wobei in dieser Stellung das Messer nicht sofort gebrauchsfähig ist) gehandelt hat.
Das gesamte übrige Vorbringen der Mängelrüge erschöpft sich im Versuch, die erstgerichtlichen Feststellungen einschließlich von Schlußfolgerungen, die das Schöffengericht im Einklang mit den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung aus den Ergebnissen des Beweisverfahrens gezogen hat, nach Art einer Schuldberufung zu bekämpfen, wobei der Beschwerdeführer entgegen den ausführlich und schlüssig begründeten Feststellungen des Erstgerichtes insbesondere auch seine Identität mit dem Täter schlechthin zu bestreiten versucht. Die Anfechtung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung ist aber im Nichtigkeitsverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässig, weshalb dieser Teil des Beschwerdevorbringens, der in Wahrheit keine echten Begründungsmängel im Sinne des angerufenen Nichtigkeitsgrundes aufzeigt, unbeachtet bleiben muß. Der Mängelrüge kann demnach kein Erfolg beschieden sein. Mit seiner den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO relevierenden Rechtsrüge vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, das Erstgericht habe die zu Punkt 2) des Schuldspruches umschriebene Tat zu Unrecht für - und zwar nach dem § 204 Abs. 1 StGB - gerichtlich strafbar erachtet, da die bloße 'Nachwirkung' einer - zur Begehung einer anderen Straftat, hier des Verbrechens nach dem § 202 Abs. 1 StGB - angewendeten Drohung zur Verwirklichung des Tatbildes des Vergehens nach dem § 204 Abs. 1 StGB nicht ausreiche; es hätte vielmehr einer neuerlichen, vom Vorsatz des Täters umfaßten Drohung bedurft, um den dem Beischlaf nachfolgenden Mundverkehr als Vergehen der Nötigung zur Unzucht nach dem § 204 Abs. 1 StGB gerichtlich ahnden zu können.
Den Beschwerdeausführungen, nach welchen der dem Beischlaf nachfolgende (zweite) Mundverkehr unter den tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falles eine gerichtlich strafbare Handlung nicht darstellt, ist beizupflichten. Nach den Konstatierungen des Erstgerichtes fuhr der Angeklagte nach Abnötigung des Beischlafs mit der Zeugin B an einen anderen Ort (Gartensiedlung Espenmais im 22. Wiener Gemeindebezirk) und faßte nunmehr erst den Entschluß, den 'von ihm erkannten, weiterbestehenden Angstzustand der Johanna B ... von neuem auszunützen' und sie zu einem neuerlichen Mundverkehr (unter gleichzeitiger Betastung ihrer Genitalien) zu veranlassen (S 193/194, 201/202), den das Erstgericht sodann anklagekonform gesondert als Vergehen nach dem § 204 Abs. 1 StGB beurteilte. Dieser Mundverkehr bildet - eben auf Grund des selbständigen, neuen Tatentschlusses in Verbindung mit dem Aufsuchen eines neuen Tatortes - keinen einheitlichen Tatkomplex mit dem vorangegangenen Geschlechtsverkehr, weshalb er auch nicht, etwa bloß als ein Nachspiel desselben, durch den Schuldspruch nach § 202 Abs. 1 StGB als konsumiert anzusehen ist. Im Hinblick auf die erfolgte Beendigung des vorangegangenen Verbrechens nach dem § 202 Abs. 1 StGB bedurfte es aber zur Pönalisierung der nun völlig selbständigen, auf einem neuen deliktischen Willensentschluß beruhenden und entsprechend diesem ausgeführten Tat der neuen Erfüllung sämtlicher Tatbildmerkmale einer gerichtlich strafbaren Handlung. So besehen erfüllt aber das vom Erstgericht unter Punkt 2) des Schuldspruches näher bezeichnete weitere Verhalten des Angeklagten entgegen dem anklagekonformen Urteilsspruch nicht den Tatbestand des Vergehens nach dem § 204 Abs. 1 StGB, da der Beschwerdeführer nach den Urteilsfeststellungen Johanna B in keiner Weise mit (neuerlicher) Gewalt oder gefährlicher Drohung zu der erwähnten Unzuchtshandlung genötigt hat. Daß er aber eine bereits bestehende - wenngleich durch ihn selbst, so doch noch ohne Hinblick auf diese weitere unzüchtige Handlung geschaffene - allerdings nicht bis zur Widerstandsunfähigkeit reichende Zwangslage der Johanna B ausnützte, verwirklicht nicht das Tatbild einer gerichtlich strafbaren Handlung, wie sich dies im Gegenschluß aus § 205 StGB ergibt.
Die Rechtsrüge des Angeklagten erweist sich sohin als berechtigt. Demnach war in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten das angefochtene Urteil im Schuldspruch wegen des Vergehens der Nötigung zur Unzucht nach dem § 204 Abs. 1 StGB sowie im Strafausspruch aufzuheben, der Angeklagte gemäß dem § 259 Z 3 StPO von dem genannten Vergehen freizusprechen und die Strafe für die ihm weiterhin zur Last fallenden Straftaten, nämlich das Verbrechen der Nötigung zum Beischlaf nach dem § 202 Abs. 1 StGB und das Vergehen des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 StGB, nach dem § 202 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB neu festzusetzen. Der Oberste Gerichtshof erachtete trotz des nunmehr etwas eingeschränkten Schuldspruches eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, wie sie schon in erster Instanz verhängt wurde, für angemessen, wobei er im wesentlichen von den bereits vom Erstgericht zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründen ausgehen konnte: neben der besonderen Verwerflichkeit des Diebstahls und dem (belasteten) Vorleben des Angeklagten fallen allerdings nunmehr das Zusammentreffen nur mehr zweier strafbarer Handlungen als erschwerend, als mildernd hingegen die geringe Intensität der gefährlichen Drohung ins Gewicht. Der Unrechtsgehalt der verbliebenen Delikte, insbesondere aber das Verschulden des empfindlich - darunter wegen eines ähnlichen Vorfalles (siehe AZ 6 c E Vr 4818/66 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) - vorbestraften Angeklagten, sind dennoch so gravierend, daß eine Reduzierung des Strafmaßes nicht vertretbar ist.
Soweit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht stattgegeben wurde, war sie zu verwerfen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Aussprüche über die Anrechnung der Vorhaft und über die Kostenersatzpflicht gemäß dem § 389 StPO waren aus dem Ersturteil zu übernehmen.
Die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 390 a StPO
Anmerkung
E01620European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0130OS00157.78.1130.000Dokumentnummer
JJT_19781130_OGH0002_0130OS00157_7800000_000