Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 30.November 1978
unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Pallin in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Piska, Dr.Müller, Dr.Friedrich und Dr.Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Loesch als Schriftführers in der Strafsache gegen Walter Heinrich A wegen des Vergehens der Vernachlässsigung der pflichtmäßigen Sorgfalt als verantwortlicher Redakteur nach dem § 30 Abs 1 PresseG (§ 111 Abs 1 und Abs 2 StGB) über die von der Generalprokuratur gegen die Urteile des Landesgerichtes Linz vom 19.November 1976, GZ 29 E Vr 1412/76-10 und des Oberlandesgerichtes Linz vom 24.März 1977, AZ 8 Bs 57/77, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Scheibenpflug, zu Recht erkannt:
Spruch
Es verletzen das Gesetz: A.) a.) das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 19.November 1976, GZ 29 E Vr 1412/76-10, im Schuldspruch des Angeklagten Walter A wegen des Vergehens der Vernachlässigung der pflichtmäßigen Sorgfalt als verantwortlicher Redakteur nach dem § 30 Abs 1 PresseG (§ 111 Abs 1 und 2 StGB) (Punkt I. des Urteils); b.) das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 24. März 1977, AZ 8 Bs 57/77, insoweit, als es die Berufung des Angeklagten Walter A wegen Nichtigkeit gegen den zu a.) genannten Teil des Urteils des Landesgerichtes Linz als unbegründet zurückwies, in der Bestimmung des § 30 Abs 1 PresseG in Verbindung mit jener des § 111 Abs 3 StGB;
B.) a.) das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 19.November 1976, GZ 29 E Vr 1412/76-10, insoweit, als es dem Beschuldigten (gemäß § 389 StPO) die Kosten des gesamten Strafverfahrens einschließlich der auf den Teilfreispruch gemäß Punkt III) des Urteiles entfallenden, gemäß dem § 390 Abs 1 StPO dem Privatankläger Martin B anzulastenden Kosten, auferlegte, und b.) das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 24.März 1977, AZ 8 Bs 57/77, insoweit, als es entgegen der Vorschrift des § 390 a StPO nur dem Angeklagten, nicht aber auch - im Umfang des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels des Privatanklägers Martin B - dem Privatankläger die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auferlegte, in den Bestimmungen der § 389 Abs 2, 390 Abs 1 StPO und des § 390 a StPO
Das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 24. März 1977, 8 Bs 57/77, das im übrigen unberührt bleibt, wird insoweit, als es die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit gegen den schuldigsprechenden Teil des Urteils (Punkte I) und II) ) des Landesgerichtes Linz vom 19.November 1976, 29 E Vr 1412/76-10, als unbegründet zurückgewiesen und den Angeklagten gemäß dem § 390 a StPO auch in die Kosten des Berufungsverfahrens verfällt hat, aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Berufungsgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Aus dem angeschlossenen Akt 29 E Vr 1412/76 des Landesgerichtes Linz ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
Am 26.Juli 1976 brachte Martin B, Fotograf in Waizenkirchen, OÖ, beim Landesgericht Linz gegen den Beschuldigten Walter A als verantwortlichen Redakteur des 'Oberösterreichischen Tagblattes' zwei getrennte Privatanklagen wegen Ehrenbeleidigung ein, weil er sich einerseits durch die in der Ausgabe dieser Zeitung vom 25.Juni 1976 aufscheinende überschrift 'Porno B' und andererseits durch die in der Ausgabe vom 10.Juli 1976 aufscheindende Bezeichnung 'Porno-Schnüffler' beleidigt fühlte. Die beiden zunächst zu 29 E Vr 1412/76 und 29 E Vr 1442/76 des Landesgerichtes Linz geführten Verfahren wurden mit Beschluß vom 22.September 1976
durch Einbeziehung des letztgenannten Verfahrens in das ersterwähnte gemäß § 56 StPO vereinigt. In der Hauptverhandlung vom 19. November 1976 bekannte sich der Beschuldigte des Vergehens nach dem § 111 StGB nicht schuldig, bestritt die Urheberschaft der inkriminierten Artikel und verweigerte unter Berufung auf § 45 PresseG die Bekanntgabe des Artikelverfassers. Er gab jedoch zu, die Artikel entgegen seiner Verpflichtung nicht gelesen zu haben und dementsprechend nach dem § 30 PresseG verantwortlich zu sein. Im übrigen bot er den Wahrheitsbeweis für die Richtigkeit der in den Artikeln aufgestellten Behauptungen an, der durch Verlesung einer Zusendung der 'Vereinigung deutschsprachiger Bürgerinitiativen zum Schutz der Menschenwürde' vom 21.Oktober 1976
an die Redaktion des 'Oberösterreichischen Tagblattes', enthaltend den Abdruck einer vom Privatankläger unterfertigten Strafanzeige und Aufsichtsbeschwerde samt Bildmaterial, auch aufgenommen wurde. Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 19.November 1976, GZ 29 E Vr 1412/76-10, wurde der Beschuldigte Walter A des Vergehens der Vernachlässigung der pflichtmäßigen Sorgfalt nach dem § 30 Abs 1 PresseG (§ 111 Abs 1 und 2 StGB) in bezug auf die in der Ausgabe des 'Oberösterreichischen Tagblattes' vom 10.Juli 1976 aufscheinenden Ausdrücke 'Opfer des Pornoschnüfflers Martin B ....., dem Pornoschnüffler zu Ohren ....' schuldig erkannt und gemäß § 30 Abs 4 PresseG zu einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu 350 S, im Nichteinbringlichkeitsfall fünf Tage Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wurde die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Gemäß § 5 Abs 2 PresseG wurde die Mithaftung der Druck- und Verlagsanstalt C-GES.M.B.H. als Eigentümer und von Dr.Rupert D und Karl E als Herausgeber des 'Oberösterreichischen Tagblattes' ausgesprochen. Hingegen wurde Martin A vom weiteren Anklagevorwurf, die pflichtmäßige Sorgfalt als verantwortlicher Redakteur auch in bezug auf die Ausgabe des 'Oberösterreichischen Tagblattes' vom 25.Juni 1976 im Sinne des § 30 Abs 1
PresseG verletzt zu haben, wodurch ein Artikel mit der überschrift
'Porno-B' erscheinen konnte, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
In Ansehung des schuldigsprechenden Teiles dieses Erkenntnisses gelangte das Landesgericht Linz hiebei zum Ergebnis, daß der Ausdruck 'Pornoschnüffler' rechtlich als Schmähung gegen den Charakter des Privatanklägers zu werten sei, da durch eine solche Äußerung der Mißachtung des (unbekannten) Artikelverfassers in bezug auf die Tätigkeit des Privatanklägers als Anzeiger von strafbaren Handlungen gegen das Pornographiegesetz besonderer Ausdruck verliehen werden sollte, weshalb ihr die Eigenschaften einer üblen Nachrede im Sinne des § 111 Abs 1 StGB zukomme.
Das Gericht verneinte zwar eine Täterschaft des Beschuldigten im Sinne des § 111 StGB im Hinblick auf seine als unwiderlegt angesehene Verantwortung, den inkriminierten Artikel weder verfaßt noch gelesen zu haben, bejahte jedoch seine strafrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne des § 30 Abs 1 PresseG im Hinblick auf die fahrlässige Außerachtlassung der pflichtmäßigen Sorgfalt durch Nichtlesen des Artikels vor dessen Veröffentlichung, obwohl es den angebotenen Wahrheitsbeweis als erbracht ansah. Demgemäß verhängte es die bereits erwähnte bedingte Geldstrafe, nahm aber gemäß dem § 30 Abs 4 PresseG von der Verhängung einer Geldbuße im Hinblick auf das Gelingen des Wahrheitsbeweises Abstand.
Gegen den freisprechenden Teil dieses Urteils erhoben der Privatankläger Martin B, gegen den Schuldspruch hingegen der Beschuldigte Walter A Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld (eine vom Privatankläger offenbar in bezug auf den Schuldspruch bezogene Strafberufung wurde zwar in der Hauptverhandlung angemeldet, aber nicht ausgeführt).
Mit Urteil vom 24.März 1977, 8 Bs 57/77, wies das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht beide Berufungen als unbegründet zurück, wobei es in Ansehung des Schuldspruches die Rechtsauffassung des Erstgerichtes teilte, der Ausdruck 'Porno-Schnüffler' stelle eine Schmähung im Sinne des § 111 Abs 1 StGB dar. Es setzte sich in diesem Zusammenhang aber auch ausführlich mit der rechtlichen Relevanz des im vorliegenden Fall gelungenen Wahrheitsbeweises über die im § 30 Abs 4, letzter Satz, PresseG normierte Wirkung des Entfalls einer Geldbuße hinaus auseinander und vertrat hiebei - damit im Ergebnis auch insoweit die Entscheidung des Erstgerichtes bestätigend, welches in dieser Richtung freilich auf Rechtsausführungen völlig verzichtet hatte - die Rechtsansicht, daß bei gelungenem Wahrheitsbeweis die Straffreiheit nur dem Beleidiger als dem 'Täter' zugute komme, weil § 111
Abs.3 StGB nur von diesem spreche. Die vom Angeklagten als Rechtsmittelwerber vorgebrachte Meinung, bei geglücktem Wahrheitsbeweis fehle es an einem Inhaltsdelikt, damit aber auch an der notwendigen objektiven Voraussetzung für das Ordnungsdelikt nach dem § 30 PresseG, sei sohin unhaltbar. Da Walter A als verantwortlicher Redakteuer nicht als Täter oder 'Mitschuldiger' (jetzt Beteiligter im Sinne des § 12 StGB) in bezug auf das Inhaltsdelikt in Frage komme, und ihm daher auch nicht der 'persönliche Strafaufhebungsgrund' des § 111 Abs 3 StGB zugute gehalten werden könne, sei er rechtens gemäß dem Abs 1 des § 30 PresseG zu verurteilen und bloß nach dem Abs 4 dieser Gesetzesstelle - im Hinblick auf den gelungenen Wahrheitsbeweis -
keine Geldbuße über ihn zu verhängen gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Die Urteile des Landesgerichtes Linz vom 19.November 1976, 29 E Vr 1412/76-10, und des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 24.März 1977, 8 Bs 57/77, verletzen insoweit, als sie die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschuldigten (Angeklagten) Walter A nach dem § 30 Abs 1 PresseG für die Veröffentlichung des Ausdruckes 'Porno-Schnüffler' in der Ausgabe des 'Oberösterreichischen Tagblattes' vom 10.Juli 1976 trotz der Annahme der Erbringung des Wahrheitsbeweises hiefür bejahen, das Gesetz in der Bestimmung der zuletzt genannten Gesetzesstelle in Verbindung mit dem § 111 Abs 3 StGB Dies aus folgenden Erwägungen:
Nach dem klaren Wortlaut des § 30 Abs 1 PresseG ist primäre Voraussetzung dieses Vergehens, daß der Inhalt einer periodischen Druckschrift eine strafbare Handlung begründet. Diese Strafbarkeitsvoraussetzung ist allerdings nicht objektive Bedingung der Strafbarkeit - wie die Generalprokuratur, gestützt auf Swoboda-Hartmann (Kommentar zum Preßgesetz, 1953, S 98; ebenso Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze, S 499;
beide Kommentare jedoch ohne Begründung) und unter Nichterwähnung der Gegenargumente des Berufungsgerichts (S 67/68 d.A.) vermeint -, weil gerade das Nichterkennen der Strafbarkeit des inkriminierten Inhalts der Druckschrift Gegenstand des Fahrlässigkeitsvorwurfs ist, der nicht nur darauf beruhen kann, daß der Verantwortliche den Inhalt gar nicht kannte, sondern auch darauf, daß er zwar den Inhalt gekannt, aber (eben infolge Vernachlässigung der pflichtgemäßen Sorgfalt) dessen Strafbarkeit nicht erkannt hat. Für den gegebenen Fall ist das Problem jedoch nicht aktuell, weil der Angeklagte ohnedies den eine üble Nachrede im Sinn des § 111 StGB enthaltenden Artikel gar nicht gelesen hat, sodaß ihn der Vorwurf einer Sorgfaltsvernachlässigung jedenfalls zu Recht trifft und deren Strafbarkeit nur davon abhängt, ob durch den Inhalt des Artikels ungeachtet des erbrachten Wahrheitsbeweises eine strafbare Handlung begründet wurde oder nicht. Der von den Untergerichten vertretenen Auffassung zuwider ist diese Frage zu verneinen.
Der Täter einer üblen Nachrede nach Abs 1 des § 111 StGB ist gemäß dem Abs 3 derselben Gesetzesstelle nicht zu bestrafen, wenn seine Behauptung als wahr erwiesen wird. Das Grundkriterium der Straflosigkeit liegt demnach nicht in einem die Person des Täters betreffenden Umstand, sondern ausschließlich in der Qualität der Tat, und zwar in der Wahrheit der beleidigenden Äußerung; deren Nachweis kommt jedem Täter (§ 12 StGB) mit strafbefreiender Wirkung zugute, mag er auch nur von einem von mehreren Tätern erbracht worden sein. Unter diesen Umständen kann allein daraus, daß die Konsequenz des Wahrheitsbeweises gesetzestechnisch als Straflosigkeit 'des Täters' formuliert wurde, nicht abgeleitet werden, es handle sich dabei bloß um einen persönlichen Strafaufhebungs-
(oder Strafausschließungs-) Grund, wie das Berufungsgericht meint, wobei es zugleich die Wirksamkeit dieses Umstands begriffswidrig generell auf alle Täter und, nach dem insoweit nicht unterscheidenden § 30 Abs 4 letzter Satz PresseG zudem unverständlicherweise, zwar auch auf alle Haftungsbeteiligten (§ 40 PresseG), nicht jedoch auf die für den Inhalt von (im § 16 PresseG bezeichneten) Druckschriften und Druckwerken Verantwortlichen, darunter auch der verantwortliche Redakteur, ausdehnen möchte (S 67- 69 dA; dazu widersprüchlich S 64/65 dA). Nur dann aber, wenn im Wahrheitsbeweis wirklich bloß ein persönlicher Strafaufhebungs- oder -ausschließungsgrund gelegen wäre, könnte gesagt werden, daß der eine üble Nachrede im Sinn des § 111 StGB enthaltende Inhalt einer Druckschrift dessen ungeachtet (objektiv) eine strafbare Handlung begründe; bei der aufgezeigten generellen Straflosigkeit einer als wahr erwiesenen derartigen Behauptung dagegen liegt ein strafbares Vergehen nach dem § 111 StGB und damit ein Preßinhaltsdelikt auch objektiv nicht vor.
Ob diese auf dem erbrachten Wahrheitsbeweis beruhende generelle Straflosigkeit dogmatisch auf einen damit dargetanen Mangel am Tatbestand (so für das alte Recht Rittler II 2 S.111) oder auf ein Fehlen der Rechtswidrigkeit (so die Generalprokuratur unter Berufung auf die Ausführungen Nowakowskis - Grundzüge, S 166 - zum alten Recht) oder aber auf das Nichtvorliegen einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit, nämlich der Unbewiesenheit der Wahrheit der üblen Nachrede (so Kienapfel, Grundriß I RN 1006, mit weiteren Belegen zum neuen Recht und schon zum alten Recht Kadecka in ÖJZ 1952, S 397 ff), zurückzuführen ist, könnte an sich unerörtert bleiben. Dazu genügt aber ein Hinweis auf das nunmehr im § 112 (erster Fall) StGB normierte Beweisaufnahmeverbot: dem Gesetzgeber zu unterstellen, er hätte damit die Prüfung des Vorliegens eines Tatbestandsmerkmals oder der Rechtswidrigkeit der Tat mit der Wirkung untersagt, daß solcherart trotz des möglichen Fehlens der (vollen) Tatbestandsmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eine gerichtlich strafbare Handlung als erwiesen anzunehmen sei, ist mit rechtsstaatlichen Grundvorstellungen schlechterdings unvereinbar; nur dann, wenn die Wahrheit einer ehrenrührigen Äußerung weder deren Tatbestandsmäßigkeit, noch deren Rechtswidrigkeit betrifft, sondern bloß bei ihrem Nachweis deren Strafwürdigkeit fehlt, wenn man also den Wahrheitsnachweis als sachlichen Strafausschließungsgrund versteht (vgl hiezu auch Roeder, Maurach FS 347), ist es gerechtfertigt, das Interesse des Beleidigten an der Ahndung der (wenngleich allenfalls wahren, aber doch jedenfalls tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen) üblen Nachrede so lange voranzustellen, als sich der Täter nicht auf die Richtigkeit seiner Behauptung beruft (§ 112 erster Fall StGB) und diese erwiesen wird (§ 111 Abs 3 StGB). Auch steht nur bei einer so verstandenen Rechtsnatur des Wahrheitsbeweises die im § 111 Abs 3 StGB getroffene Regelung der Straflosigkeit nicht im Widerspruch zu den sich aus dem § 9 StGB ergebenden Konsequenzen in bezug auf die Relevanz eines Rechtsirrtums über die Tatbestandsmäßigkeit oder über die Rechtswidrigkeit einer üblen Nachrede.
Da sohin alle bisherigen überlegungen zu dem Ergebnis führen, daß bei geglücktem Wahrheitsbeweis in Ansehung eines nach dem § 111 StGB tatbestandsmäßigen (und rechtswidrigen) Verhaltens insoweit eine strafbare Handlung (als Preßinhaltsdelikt) auch objektiv nicht (mehr) vorliegt, bleibt noch der Einwand zu prüfen, aus dem letzten Satz des § 30 Abs 4 PresseG (idF des StRAnpG), in dem für den Fall des Wahrheitsnachweises in Ansehung einer durch den Inhalt eines Druckwerks begangenen strafbaren Handlung gegen die Ehre (§ 111, 115 Abs 1 zweiter Fall StGB) durch den für den Inhalt Verantwortlichen oder durch einen Haftungspflichtigen (§ 40 PresseG) nur angeordnet wird, daß die Bestimmung einer Geldbuße entfällt, sei e contrario zu schließen, daß diesfalls immerhin objektiv doch ein Preßinhaltsdelikt vorliege, weil es ansonsten dieser Anordnung gar nicht bedurft hätte.
Insoweit zeigt ein Blick auf die Entstehungsgeschichte der in Rede stehenden Gesetzesstelle ganz klar die Richtigkeit der von Swoboda-Hartmann (aaO, S 101 f) aus anderen (hier als petitio principii nicht verwertbaren) Gründen für vertretbar gehaltenen und von der Generalprokuratur vom Ergebnis her als befriedigend angesehenen Annahme, daß es sich bei der Anordnung des Entfalls einer Geldbußenauferlegung nach gelungenem Wahrheitsbeweis tatsächlich bloß um eine überflüssige Bestimmung und solcherart, weil Mißdeutungen ermöglichend, um eine Fehlleistung des Gesetzgebers handelt, aus der der vorerwähnte Umkehrschluß nicht gezogen werden kann.
Die Anordnung einer (von dem für den Inhalt eines Druckwerks Verantwortlichen) an den Beleidigten zu entrichtenden Geldbuße neben der Strafe wegen Vernachlässigung der pflichtgemäßen Sorgfalt wurde im Zug der Verschärfung der den Ehrenschutz betreffenden presserechtlichen Vorschriften mit der Strafgesetznovelle 1929 (BGBl Nr 440) für den Fall eingeführt, daß der betreffende Täter die Wahrheit einer in dem Druckwerk enthaltenden Ehrenbeleidigung (§ 487 bis 494 StG) behauptete, seine Behauptung aber nicht bewies (Art III Z 4); damit sollten 'frivole Behauptungen und Beweisanerbietungen' im Strafverfahren hintangehalten werden (Bericht des JA, 398 d Beil zu den sten Prot d NR, III. GP, S 2). Diese Sanktion wurde durch die Pressegesetznovelle 1952 (BGBl Nr 118) im wesentlichen entsprechend der jetzt geltenden Fassung weiter verschärft (Art I Z 27), und zwar unter anderem dahin, daß nunmehr bei Ehrenbeleidigungen die presserechtlich verantwortliche Person nicht mehr die Möglichkeit hat, die Bestimmung der Geldbuße dadurch zu verhindern, daß sie einen Wahrheitsbeweis gar nicht antritt; 'vielmehr soll nur der zur Gänze gelungene, nach den Strafgesetzen zulässige Wahrheitsbeweis die Bestimmung der Buße durch das Gericht ausschließen' (Bericht und Antrag des JA, 536 d Beil zu den sten Prot d NR, VI. GP, S 2). Ganz offensichtlich nur zur Hervorhebung dieser Neuerung gegenüber dem vormaligen Recht wurde demnach der hier in seiner Tragweite zu untersuchende (letzte) Satz in den § 30 Abs 4 PresseG aufgenommen; daß er insoweit (mag er für die Annahme einer Antragslegitimation der presserechtlich Verantwortlichen und Haftungspflichtigen nach § 112 StGB nachträglich eine gewisse Bedeutung erlangt haben), völlig überflüssig war, weil beim Gelingen des Wahrheitsbeweises ohnedies mangels eines Preßinhaltsdelikts schon ein Schuldspruch nach dem § 30 Abs 1 PresseG und dementsprechend auch die Auferlegung einer Geldbuße von vornherein nicht in Betracht kommt, wurde in dem vorerwähnten Verdeutlichungsbestreben ersichtlich übersehen. Die erörterten Gesetzesverletzungen waren sohin festzustellen und gemäß dem letzten Satz des § 292 StPO wie im Spruch zu beheben. Den eingangs erwähnten Urteilen des Landesgerichtes Linz und des Oberlandesgerichtes Linz haften aber nicht nur die bisher aufgezeigten Gesetzesverletzungen an, sondern sie verletzen das Gesetz zum Nachteil des Beschuldigten (Angeklagten) auch insoweit als das Landesgericht Linz (in Verbindung mit dem teilweisen Schuldspruch) die auf § 389 StPO gestützte Kostenersatzpflicht des Beschuldigten in Ansehung der Kosten des gesamten Verfahrens aussprach, anstatt dem Privatankläger entsprechend den Vorschriften der § 389 Abs 2, 390 Abs 1 StPO jene Verfahrenskosten aufzuerlegen, die auf (den) einen der beiden Anklagepunkte entfielen, hinsichtlich dessen er unterlegen war (Teilfreispruch Punkt III) des Urteils), und auch das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht dem Angeklagten gemäß § 390 a StPO die Kosten des ganzen Rechtsmittelverfahrens aufbürdete, obgleich es die Berufung des Privatanklägers wegen Nichtigkeit und Schuld gegen den freisprechenden Teil des Erkenntnisses des Landesgerichtes Linz als unbegründet zurückwies und sohin insoweit ein ganz erfolglos gebliebenes Rechtsmittel des Privatanklägers vorlag. Es war sohin in Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes auch hinsichtlich dieser Gesetzesverletzungen (vgl Gebert-Pallin-Pfeiffer, III 3, Nr 26
zu § 390 StPO) - wenngleich dem Privatankläger zum Nachteil gereichend (vgl EvBl 1970/159, EvBl 1963/82, SSt 29/21, SSt 12/22 uva) - spruchgemäß zu erkennen.
Anmerkung
E01669European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0130OS00128.78.1130.000Dokumentnummer
JJT_19781130_OGH0002_0130OS00128_7800000_000