Norm
Aktiengesetz §141Kopf
SZ 51/177
Spruch
Umfang des Akteneinsichtsrechtes in Registersachen
OGH 7. Dezember 1978, 6 Ob 11/78 (OLG Linz 4 R 110/78; LG Linz HRB
390)
Text
Dr. A war für das Geschäftsjahr 1974 zum Abschlußprüfer der "Aktiengesellschaft der Baumwollspinnereien und mechanischen Weberei" , nunmehr Firma "L Textil Aktiengesellschaft- (künftig kurz Gesellschaft genannt) bestellt. Im Zuge eines Streites zwischen ihm und dem Vorstand der Gesellschaft über die Frage, ob der Vorstand verpflichtet sei, einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk des Abschlußprüfers zu veröffentlichen, erstattete die Gesellschaft und nunmehrige Revisionsrekurswerberin unter ON 515 des Aktes eine Stellungnahme zum Antrag des Abschlußprüfers, der eine Reihe von Beilagen angeschlossen waren. Darin beantragte sie u. a., die Eingabe samt den Beilagen so zu verwahren, daß das Einsichtsrecht der Parteien ausgeschlossen sei. Mit Eingabe ON 517 legte die Gesellschaft eine weitere irrtümlich der Eingabe ON 515 nicht angeschlossene Urkunde vor. Nachdem der Antrag des Abschlußprüfers vom Erstgericht abgewiesen worden war und der Abschlußprüfer dagegen Rekurs erhoben hatte, erstattete die Gesellschaft unter ON 526 eine "Stellungnahme zu diesem Rekurs", der ebenfalls eine Reihe von Beilagen angeschlossen waren. In dieser Eingabe vertrat die Gesellschaft die Ansicht, daß die Geheimhaltung der Eingaben und Unterlagen in dieser Sache nicht für den Abschlußprüfer gelte, weil sich die Eingaben und Beilagen auf seine Anträge bezögen und er daher eine über § 9 HGB hinausgehende Parteistellung besitze und ohnehin der Verschwiegenheitspflicht nach dem Aktiengesetz unterliege. Der Antrag des Abschlußprüfers wurde inzwischen - nach einem Verfahren durch alle drei Instanzen - rechtskräftig abgewiesen.
Mit Anträgen vom 29. Juli 1977, ON 540, und vom 30. Dezember 1977, ON 550, beantragte die Gesellschaft, die von ihr vorgelegten Unterlagen, insbesondere die Beilagen zu den Eingaben ON 515 und ON 526, an sie zurückzustellen.
Mit Schriftsatz vom 8. August 1978 beantragte der Abschlußprüfer, diesem Antrag der Gesellschaft nicht Folge zu geben, solange nicht gänzlich außer Zweifel stehe, daß diese Unterlagen in weiteren zu erwartenden Verfahren nicht mehr benötigt würden sowie ihm selbst die unbeschränkte Einsicht und Abschriftnahme zu gestatten.
Das Erstgericht verfügte die Rückstellung der zu den Eingaben ON 515 und ON 526 vorgelegten Beilagen an die Gesellschaft nach Rechtskraft dieses Beschlusses und wies den widersprechenden Antrag des Abschlußprüfers ebenso wie dessen Antrag auf Akteneinsicht ab. Es vertrat die Rechtsansicht, dem Abschlußprüfer stunde, da seine Auseinandersetzung mit der Gesellschaft inzwischen rechtskräftig abgeschlossen sei, ein Einsichtsrecht nicht zu, da ein solches gemäß § 34 FGG ein berechtigtes Interesse voraussetze.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Abschlußprüfers Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es verfügte, dem Abschlußprüfer nach Rechtskraft dieses Beschlusses die Einsicht und die unbeglaubigte oder beglaubigte Abschriftnahme der Eingaben der Gesellschaft ON 515, 517 und 526 samt den diesen Eingaben angeschlossenen Beilagen zu gestatten und anschließend die Beilagen an die Gesellschaft auszufolgen. Es vertrat die Ansicht, der Hinweis des Erstgerichtes auf § 34 FGG sei verfehlt, da diese Vorschrift nicht für den österreichischen Rechtsbereich übernommen worden sei. Vielmehr fänden nur die §§ 125 bis 158 FGG und subsidiär die §§ 1 bis 19 AußStrG Anwendung. Die Akteneinsicht sei im Außerstreitgesetz nicht besonders geregelt, doch sei ein diesbezügliches Recht der Parteien entsprechend § 219 Abs. 1 ZPO auch im Außerstreitverfahren nie bestritten worden. Dieses Recht im Handelsregisterverfahren zu beschränken, bestehe keine gesetzliche Handhabe. Der Abschlußprüfer sei aber zumindest für jenen Teil des Handelsregisterverfahrens als Partei zu betrachten, der die Verhandlung und Entscheidung über seinen Antrag auf Veröffentlichung des Bestätigungsvermerkes betroffen habe. Das diesbezüglich bestehende Recht auf Akteneinsicht mit der Rechtskraft der betreffenden Entscheidung enden zu lassen, bestehe kein Anlaß, weil auch später an der Akteneinsicht ein Interesse bestehen könne. Eine solche Beschränkung finde sich auch nicht im § 219 Abs. 1 ZPO.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Gesellschaft nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurswerberin ist wohl zunächst beizupflichten, daß der Abschlußprüfer sein Recht auf Akteneinsicht nicht auf § 9 HGB stützen kann. Nach dieser Gesetzesstelle ist die Einsicht in das Handelsregister sowie "der zum Handelsregister eingereichten Schriftstücke" jedem gestattet. Nach übereinstimmender Lehre (Schlegelberger - Gessler, Komm. z. HGB[5] I, 103 f.; Würdinger in Großkommentar zum HGB[3] I, 223; Keidl - Schnatz - Stober in Handbuch der Rechtspraxis, Bd. 7, Registerrecht[3] Anm. 6; Baumbach - Duden, HGB[22], 48; Krieger - Lenz, Firma und Handelsregister, 44 f.) sind unter den zum Handelsregister eingereichten Schriftstücken nur diejenigen zu verstehen, die sich auf Eintragungen in das Handelsregister beziehen. Bezüglich aller übrigen, nicht zum Handelsregister eingereichten Schriftstücke, die sich bei den Registerakten befinden, verweisen diese Autoren für den deutschen Rechtsbereich auf § 34 FGG, doch hat bereits das Rekursgericht zutreffend ausgeführt, daß diese Bestimmung für den österreichischen Rechtsbereich nicht rezipiert wurde. Für diesen verweist § 170 Abs. 5 Geo. zunächst darauf, daß für die Einsicht in das Grundbuch, das Handels- und Genossenschafts- und das Schiffsregister und die dazu gehörigen Akten und Behelfe sowie für die Erteilung von Auszügen, Abschriften und Amtsbestätigungen hieraus besondere Vorschriften bestunden. § 125a Abs. 2 letzter Satz FGG wiederum verfügt, daß die Auskünfte der Steuerbehörden nicht der Akteneinsicht unterliegen, während die §§ 29 und 30 HRV die Zuständigkeit der Urkundsbeamten der Geschäftsstelle für die Erteilung von Abschriften der Eintragungen und der zum Register eingereichten Schriftstücke regeln. Aus letzteren Bestimmungen ist keine Erweiterung des Rechtes der Akteneinsicht über den Bereich des § 9 HGB hinaus abzuleiten. Aber auch aus § 443 Geo. kann nicht erschöpfend geschlossen werden, welche Aktenstücke der Einsicht entzogen sind. § 443 Geo., welcher sich mit der Aktenbildung in Registersachen beschäftigt, sagt in seinem Abs. 3, daß Aktenteile, die der Einsicht durch dritte Personen (§ 170) nicht unterliegen, in einen eigenen Aktendeckel (§ 381) zu legen sind. Dann verfügt es, daß von der Einsicht durch dritte Personen ausgeschlossen sind: Auskünfte der Steuerbehörden, Mitteilungen der Kammern oder anderer öffentlich-rechtlicher Körperschaften sowie die Zahlungsaufträge, womit die Gebühren und Kosten berechnet werden. Aus dieser Aufzählung kann aber nicht geschlossen werden, daß alle anderen Aktenstücke uneingeschränkt eingesehen werden können. Denn diese Bestimmung gilt, wie sich aus der Überschrift zum 7. Kapitel ergibt, auch für das Genossenschaftsregister. Bezüglich des Genossenschaftsregisters sagt aber § 15 Genossenschaftsregisterverordnung, daß von den bei den Registerakten aufbewahrten Eingaben, Urkunden und Protokollen, auf welchen eine Eintragung in das Genossenschaftsregister beruht, während der gewöhnlichen Amtsstunden jedermann auf Verlangen die Einsichtnahme und die Erhebung von Abschriften zu gestatten ist. Von den übrigen Registerakten steht es aber nach § 15 Abs. 2 Genossenschaftsregisterverordnung nur den Beteiligten, die sich als solche ausweisen, frei, unter denselben Voraussetzungen Einsicht und Abschriften zu nehmen, unter welchen diese in Ansehung anderer Registraturakten zulässig ist. Hier wird also eine wesentliche Einschränkung hinsichtlich der Akteneinsicht vorgenommen, welche sich im § 443 Geo. nicht vorfindet, so daß sich daraus ergibt, daß die Aufzählung im § 443 Geo. nicht erschöpfend ist.
Aus all dem ergibt sich, daß es für die nicht unter § 9 Abs. 1 HGB fallenden Schriftstücke an einer umfassenden Regelung des Rechtes auf Einsicht fehlt. Da jedoch auf das Verfahren in Handelsregistersachen auch die Bestimmungen der §§ 1 bis 19 AußStrG anzuwenden sind, können ergänzend die für das Verfahren außer Streitsachen allgemein geltenden Grundsätze über das Recht der Akteneinsicht herangezogen werden.
Das Außerstreitgesetz enthält nun zwar selbst keine ausdrückliche Regelung des Rechtes auf Akteneinsicht. Die Rechtsprechung (JBl. 1973, 581; SZ 47/141) hat jedoch den Standpunkt vertreten, daß die Bestimmung des § 219 ZPO im Verfahren außer Streitsachen sinngemäß anzuwenden sei. In diesem Zusammenhang kann darauf verwiesen werden, daß schon Ott (Rechtsfürsorgeverfahren, 177) lehrt, Gerichtsakten, die eine bestimmte Angelegenheit - und zwar auch in Registersachen - betreffen, seien für sämtliche in der Sache Beteiligten behufs Einsicht bei Gericht und durch Erhebung von Abschriften und Auszügen zugänglich. Der OGH vertritt daher die Ansicht, daß in Registersachen den an einem diesbezüglichen Verfahren unmittelbar Beteiligten auch über den Rahmen des § 9 Abs. 1 HGB hinaus, Einsicht in alle Aktenteile zu gewähren ist, welche das konkrete Verfahren zwischen ihnen betreffen und bezüglich derer es keine ausdrückliche Bestimmung gibt, welche die Einsicht ausschließt. Wenn die Gesellschaft in ihrem Revisionsrekurs meint, auch einem Beteiligten könne die Einsicht nach rechtskräftiger Beendigung jenes Verfahrens, in welchem er Beteiligter war, nur dann gewährt werden, wenn er ein rechtliches Interesse nachweise, kann dem nicht beigepflichtet werden. Ebenso, wie die Parteien im streitigen Verfahren jederzeit, also auch nach, rechtskräftiger Erledigung des Rechtsstreites Akteneinsicht verlangen können, ohne ein besonderes rechtliches Interesse nachweisen zu müssen, muß es den unmittelbar Beteiligten auch im Verfahren außer Streitsachen gestattet sein, jederzeit, ohne einen solchen Nachweis die Aktenteile einzusehen, welche das Verfahren betreffen, an dem sie selbst beteiligt waren.
Zu prüfen bleibt daher, ob der Abschlußprüfer Beteiligter war. Dies muß schon im Hinblick darauf bejaht werden, daß über seine Anträge sachlich entschieden wurde. Damit steht ihm aber das Recht auf Einsicht in jene Beilagen zu, welche die Gesellschaft im Rahmen dieses Verfahrens vorgelegt hat. Daß er seinen Antrag erst nach dem Antrag der Gesellschaft auf Rückstellung der Urkunden gestellt hat, schadet nichts, weil sich die Urkunden noch beim Akt befinden. Soweit aber die Gesellschaft meint, der Abschlußprüfer könne den Inhalt der Urkunden mißbräuchlich verwenden, genügt es, auf die den Abschlußprüfer gemäß § 141 AktienG treffende Verschwiegenheitspflicht zu verweisen.
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
Z51177Schlagworte
Akteneinsicht in Registersachen, Registersachen, AkteneinsichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0060OB00011.78.1207.000Dokumentnummer
JJT_19781207_OGH0002_0060OB00011_7800000_000