Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Liebetreu als Schriftführer in der Strafsache gegen Eduard A wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach dem § 169 Abs. 1 StGB mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 19. Juli 1978, GZ. 16 Vr 875/77-36, zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10.September 1927 geborene zuletzt beschäftigungslose Eduard A des Verbrechens der Brandstiftung nach dem § 169 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 10.Juli 1977 in Waidhofen an der Ybbs am Sägewerk der Österreichischen Bundesforste ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst verursacht zu haben, indem er im sogenannten Sägekeller liegendes Abfallholz mit einem Zündholz in Brand steckte. Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch mit einer ausdrücklich auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5 und 10 (sachlich allein auf jene der beiden erstgenannten Ziffern) des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlaß dieser Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, daß das Urteil an einer vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten materiellen Nichtigkeit leidet.
Der Tatbestand der Brandstiftung nach dem § 169 Abs. 1 StGB verlangt auf der subjektiven Tatseite - zumindest bedingten - Vorsatz, der alle Tatbestandsmerkmale, somit auch die Herbeiführung der Feuersbrunst, umfassen muß. In dieser Hinsicht hat sich das Erstgericht darauf beschränkt festzustellen, der Angeklagte habe den Entschluß gefaßt, seinem ehemaligen Dienstgeber 'durch Legen eines Brandes einen Schaden zuzufügen' (S 377 des Aktes). Daß ein Brand schlechthin noch nicht dem Tatbestandserfordernis der Feuersbrunst entspricht, bedarf keiner näheren Erörterung. Somit deckt die obige Feststellung zwar die Vorsätzlichkeit des Brandlegungsaktes im engeren Sinn, nicht aber die Annahme dieser Schuldform in Ansehung von Art und Umfang des damit entfesselten Schadensfeuers. Diese Frage wird vom Erstgericht nur noch im Verlaufe der Rechtsausführungen mit der Formulierung behandelt, es sei bei der Inbrandsetzung des Schartenhaufens 'für ihn (Angeklagten) wie für jedermann erkennbar' gewesen, 'daß hiedurch ein Schadensfeuer entstehen werde, das jeglicher Kontrolle in Kürze entgleiten würde' (S 381 des Aktes). Die - rechtlich als Fahrlässigkeitskomponente anzusprechende - bloße Erkennbarkeit einer Sachverhaltsverwirklichung, die dem gesetzlichen Tatbild der Brandstiftung entspricht, reicht jedoch zur Annahme eines Handelns mit - auch nur bedingtem - Vorsatz keineswegs aus. Um das Verhalten des Angeklagten dem Tatbestand des § 169 StGB unterstellen zu können, wäre in dieser Hinsicht - sinngemäß - zumindest die Feststellung vonnöten gewesen, daß der Angklagte das mit seinem Handeln verbundene Risiko (tatsächlich) erkannte und als so hoch veranschlagte, daß er eine Tatbestandsverwirklichung als naheliegend ansah, sich aber dennoch zur Tat entschloß, weil er einen solchen (nachteiligen) Ablauf der Ereignisse hinzunehmen willens war (siehe EvBl.
1975/192 u.v.a.).
Somit hat das Erstgericht in subjektiver Hinsicht nur unzureichende Feststellungen getroffen, die die Subsumtion der dem Angeklagten angelasteten Tat unter den Tatbestand des § 169 Abs. 1 StGB nicht zu decken vermögen. Sie ließen lediglich die Heranziehung eines milderen Strafgesetzes (§ 125, 126 Abs. 2; 170 Abs. 1 StGB) zu (vgl. in diesem Zusammenhang 11 Os 178/76, ÖJZ-LSK 1977/232). Dieser Feststellungsmangel macht das Urteil nichtig im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO und bringt mit sich, daß das Strafgesetz zum Nachteil des Angeklagten unrichtig angewendet wurde (§ 290 Abs. 1 StPO).
Da sich zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war gemäß dem § 285 e StPO - mit Zustimmung der Generalprokuratur - bereits bei einer nichtöffentlichen Sitzung wie im Spruche zu erkennen. Damit erübrigt es sich aber auch, auf das Beschwerdevorbringen noch einzugehen, zumal dieses seinem Inhalt nach ebenfalls nur auf eine Urteilsaufhebung abzielt.
Mit seiner dadurch gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte gleichfalls auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E01634European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1978:0110OS00175.78.1211.000Dokumentnummer
JJT_19781211_OGH0002_0110OS00175_7800000_000