TE OGH 1978/12/14 12Os131/78 (12Os132/78, 12Os133/78)

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Veröffentlicht am 14.12.1978
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Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 1978

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter, sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schnattinger als Schriftführer in der Strafsache gegen Ing. Osfried A wegen der übertretung gegen die Sicherheit der Ehre nach dem § 488 StG über die von der Generalprokuratur gegen die Urteile des Bezirksgerichtes Oberwart vom 28. Oktober 1975 und vom 29. März 1977, GZ U 314/72-72 bzw. 93, sowie die Beschlüsse des Vorstehers dieses Gerichtes vom 11. Oktober 1972, GZ U 314/72-9 und der Ratskammer des Landesgerichtes Eisenstadt vom 23. Oktober 1973, AZ 5 Ns 73/73, sowie mehrere, vom Bezirksgericht Oberwart aus Anlaß von Vorladungs- und Urteilszustellungen an den Beschuldigten und der Durchführung von Hauptverhandlungen in Abwesenheit des Beschuldigten eingehaltene Vorgänge erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, der Ausführungen des Vertreters des Privatanklägers, Rechtsanwalt Dr. Hans Baier, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Ing. Osfried A wegen § 488 StG, AZ U 314/72 des Bezirksgerichtes Oberwart, ist das Gesetz verletzt:

1.) durch die Beschlüsse des Vorstehers des Bezirksgerichtes Oberwart vom 11. Oktober 1972 (ON 9 d. A) und der Ratskammer des Landesgerichtes Eisenstadt vom 23. Oktober 1973 (ON 31 d. A), womit über in der Hauptverhandlung gestellte Ablehnungsanträge des Beschuldigten entschieden wurde, in der Bestimmung des § 238 StPO (in Verbindung mit § 447 Abs. 1 StPO), durch den erstbezeichneten Beschluß auch in den Bestimmungen der § 68, Abs. 1 Z 1 und 71 Abs. 1 StPO;

2.) durch die Zustellung von Vorladungen des Beschuldigten zu den Hauptverhandlungen am 4. bzw. 18. Oktober 1976, am 13. Jänner 1977 und am 29. März 1977, sowie des Urteils des Bezirksgerichtes Oberwart vom 29. März 1977, ON 93 d. A, an ihn mit internationalem Rückschein in Thailand in der Bestimmung des § 77 Abs. 1 StPO;

3.) durch die Durchführung der Hauptverhandlungen am 13. Jänner 1977 und am 29. März 1977 sowie durch die Urteilsfällung bei der letztgenannten Hauptverhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten in den Bestimmungen der § 455 Abs. 1 und 459 StPO;

4.) durch die Urteile des Bezirksgerichtes Oberwart vom 28. Oktober 1975, ON 72 d. A, und vom 29. März 1977, ON 93 d. A, womit der Beschuldigte (jeweils) auf Grund einer Privatanklage der übertretung gegen die Sicherheit der Ehre nach dem § 488 StG schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, sowie durch das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgericht, AZ Bl 9/76, womit in Stattgebung der Berufung des Angeklagten das erstbezeichnete Urteil des Bezirksgerichtes Oberwart aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, in der Bestimmung des § 495 Abs. 2 StG, durch jene des genannten Erstgerichtes ferner auch in der Bestimmung des § 61 StGB;

5.) durch die Zustellung des Urteils des Bezirksgerichtes Oberwart vom 29. März 1977, ON 93 d. A, an den Beschuldigten unter Anschluß einer unvollständigen und unrichtigen Rechtsbelehrung in den Bestimmungen der § 3, 466 Abs. 2 und 478 StPO Das Urteil des Bezirksgerichtes Oberwart vom 29. März 1977, GZ U 314/72-93, der zu Punkt 5.) bezeichnete Vorgang und alle sonstigen auf diesem Urteil beruhenden Verfügungen werden aufgehoben, und es wird gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3

StPO in der Sache selbst erkannt:

Ing. Osfried A wird von der Privatanklage, er habe am 14. März 1972 in Pinkafeld durch Mitteilung von teils erdichteten, teils entstellten Tatsachen, nämlich durch die Äußerung, Dipl.Ing. Oskar B wende clevere Tricks an, um ihn auszumanövrieren, sei es bei der Vergabe von Stunden, beim Kurs in Mauer, beim Computerkurs in Mödling oder durch zwei verleumderische Briefe an den Landesschulrat, den Privatankläger namentlich fälschlich bestimmter unehrenhafter und solcher unsittlicher Handlungen beschuldigt, die geeignet seien, diesen in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen und herabzusetzen, und hiedurch die übertretung gegen die Sicherheit der Ehre nach dem § 488 StG begangen, gemäß dem § 259 Z 1 StPO freigesprochen.

Gemäß dem § 390 Abs. 1 StPO wird dem Privatankläger Dipl.Ing. Oskar B der Ersatz aller infolge seines Einschreitens aufgelaufenen Kosten aufgetragen.

Text

Gründe:

Aus dem Akt U 314/72 des Bezirksgerichtes Oberwart und der der Eingabe des Beschuldigten an das Bundesministerium für Justiz vom 15. August 1977 beigeschlossenen, vom Bezirksgericht Oberwart aus Anlaß der Urteilszustellung erteilten Rechtsmittelbelehrung ergibt sich folgender Sachverhalt:

1.) Mit einer am 21. April 1972 beim Bezirksgericht Oberwart eingelangten Privatanklage begehrte der Direktor der Höheren Technischen Bundeslehranstalt Pinkafeld Dipl.

Ing. Oskar B die Bestrafung des am 6. Februar 1931

geborenen Lehrers Ing. Osfried A wegen übertretung gegen die Sicherheit der Ehre, weil er am 14. März 1972

im Rahmen einer in der von ihm geleiteten Schule abgehaltenen Trimesterkonferenz vom Beschuldigten beleidigt worden sei. Der Beschuldigte habe nämlich geäußert, daß der Privatankläger 'clevere Tricks' verwendet habe, um ihn auszumanövrieren, sei es bei der Vergabe von Stunden, bei einem Computerkurs in Mauer oder durch zwei verleumderische Briefe an den Landesschulrat.

In einer Hauptverhandlung über diese Privatanklage am 10. Oktober 1972 lehnte der Beschuldigte den Verhandlungsrichter (durch seinen Verteidiger) wegen Befangenheit ab, worauf dieser die Hauptverhandlung 'bis zur Entscheidung über den Ablehnungsantrag auf unbestimmte Zeit' erstreckte (vgl. S. 19 d. A). über diesen Ablehnungsantrag entschied der Vorsteher des Bezirksgerichtes Oberwart, obwohl er in seiner Eigenschaft als (nebenberuflicher) Vertragslehrer der eingangs erwähnten Bundeslehranstalt selbst an der Lehrerkonferenz, in welcher die den Gegenstand des Strafverfahrens bildenden Äußerungen gefallen waren, teilgenommen hatte, somit Zeuge der in Frage stehenden strafbaren Handlung war (vgl. S. 196 d. A), mit Beschluß vom 11. Oktober 1972 in ablehnendem Sinne (vgl. S. 21 d. A).

In einer weiteren Hauptverhandlung am 5. Juni 1973

lehnte der Beschuldigte das gesamte Bezirksgericht Oberwart wegen Befangenheit ab (vgl. S. 179 d. A). über diesen Ablehnungsantrag entschied nach Vertagung der Hauptverhandlung und Erstattung von Stellungnahmen seitens der Richter des Bezirksgerichtes Oberwart die Ratskammer des Landesgerichtes Eisenstadt mit Beschluß vom 23. Oktober 1973 dahingehend, daß die vom Beschuldigten angezeigte Befangenheit des Bezirksgerichtes Oberwart nicht gegeben sei (vgl. ON 31

d. A).

2.) Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Oberwart vom 28. Oktober 1975, GZ U 314/72-72, wurde Ing. Osfried A wegen des vom Privatankläger inkriminierten Sachverhaltes der übertretung gegen die Sicherheit der Ehre nach dem § 488 StG schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt.

Infolge Berufung des Beschuldigten wurde dieses Urteil jedoch mit Entscheidung des Landesgerichtes Eisenstadt als Berufungsgerichtes vom 5. April 1976, AZ Bl 9/76, aus dem Nichtigkeitsgrund des § 468 Abs. 1 Z 3 (281 Abs. 1 Z 4) StPO aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen (vgl. ON 77 d. A).

3.) Nachdem der Beschuldigte in der Zwischenzeit einen Dienstvertrag mit der UNIDO abgeschlossen hatte und aus beruflichen Gründen im November 1975 nach Bangkok (Thailand) verreist war, wurde ihm im erneuerten Verfahren die Vorladung zu der zunächst für den 4. Oktober 1976 anberaumten und später auf den 18. Oktober 1976 verlegten Hauptverhandlung mit internationalem Rückschein zugestellt (vgl. S. 472 d. A). Da der Beschuldigte dem Gericht mit Schreiben vom 24. August 1976 unter Bezugnahme auf diese Vorladung jedoch mitteilte, daß er aus beruflichen Gründen bis 31. Dezember 1976 in Bangkok bleiben müsse und nicht über die Geldmittel verfüge, um vor diesem Zeitpunkt die Kosten einer Reise nach Österreich bestreiten zu können, und bekanntgab, daß er nicht mehr durch einen Verteidiger vertreten werde (vgl. S. 475 d. A), wurde diese Hauptverhandlung abberaumt. In der Folge wurde eine weitere Hauptverhandlung für den 13. Jänner 1977 ausgeschrieben und der Beschuldigte hiezu abermals mit internationalem Rückschein geladen (vgl. S. 479 d. A). Diese - sodann wiederum vertagte - Hauptverhandlung wurde in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführt, wobei das Gericht ohne aktenmäßige Deckung den Nachweis der erfolgten Zustellung der Vorladung an den Beschuldigten annahm (vgl. S. 493 f d. A).

Mit Schreiben vom 6. Februar 1977 teilte der Beschuldigte aus Bangkok dem Gericht mit, daß ihm die Vorladung zur Hauptverhandlung am 13. Jänner 1977 erst am 1. Februar 1977 zugestellt worden sei, wobei er die Richtigkeit dieser Behauptung durch Vorlage des Briefumschlages des Zustellstückes bescheinigte und vorbrachte, daß sein Vertrag mit der UNIDO bis 31. Oktober 1977 verlängert worden und es ihm aus finanziellen Gründen weiterhin nicht möglich sei, vor diesem Zeitpunkt einer Vorladung des Bezirksgerichtes Oberwart Folge zu leisten (vgl. S. 503 d. A).

Dessen ungeachtet wurde vom Gericht eine weitere Hauptverhandlung für den 29. März 1977 anberaumt und dem Beschuldigten eine Vorladung hiezu mit internationalem Rückschein nach Bangkok zugestellt, welche ihm vor diesem Termin zukam (vgl. S. 505 d. A). Diese Hauptverhandlung wurde gleichfalls in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführt und mit Urteil abgeschlossen.

4.) Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Oberwart vom 29. März 1977, GZ U 314/72-93, wurde der Beschuldigte abermals der übertretung gegen die Sicherheit der Ehre nach dem § 488 StG schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er am 14. März 1972 in Pinkafeld durch Mitteilung von teils erdichteten, teils entstellten Tatsachen, nämlich durch die Äußerung, Dipl. Ing. Oskar B wende clevere Tricks an, um ihn auszumanövrieren, sei es bei der Vergabe von Stunden, beim Kurs in Mauer, beim Computerkurs in Mödling und durch zwei verleumderische Briefe an den Landesschulrat, den Privatankläger namentlich fälschlich bestimmter unehrenhafter und solcher unsittlicher Handlungen beschuldigte, die geeignet sind, diesen in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen und herabzusetzen.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Gericht u.a. im Hinblick auf den im zeitlichen Geltungsbereich des StG gelegenen Tatzeitpunkt bei Vornahme eines Günstigkeitsvergleiches im Sinne des § 61 StGB zum Ergebnis, daß der angewendete erste Strafsatz des § 493 StG gegenüber der Strafbestimmung des § 111 Abs. 1 StGB die für den Beschuldigten günstigere Norm und sohin die Tat nach StG-Recht zu beurteilen sei.

5.) Dieses Urteil wurde dem Beschuldigten wieder mit internationalem Rückschein zugestellt und erwuchs in Rechtskraft (vgl. S. 520 und 527 d. A). Eine Anordnung des Richters in der Zustellverfügung, daß dem Beschuldigten auch eine Rechtsbelehrung zuzustellen sei, unterblieb.

Wie sich jedoch aus dem - einem Schreiben des Beschuldigten an das Bundesministerium für Justiz vom 15. August 1977 beigeschlossenen - Briefumschlag des Zustellstückes ergibt, war der Ausfertigung eine Rechtsbelehrung folgenden Wortlautes beigefügt:

'Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung binnen 14 Tagen zulässig, welches beim Bezirksgericht Oberwart einzubringen ist.' 530Die angeführten Vorgänge und Entscheidungen verletzen das Gesetz in mehrfacher Richtung.

Ad 1.):

Die Bestimmung des § 74 StPO, wonach über die Zulässigkeit der Ablehnung einer Gerichtsperson in der Regel der Vorsteher des Gerichtes, dem sie angehört (Abs. 1), und (Abs. 2) über die Ablehnung des Vorstehers eines Bezirksgerichtes, aber auch eines ganzen Bezirksgerichtes, die Ratskammer des übergeordneten Gerichtshofes erster Instanz (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer III/1, Nr. 6 zu § 74 StPO) entscheidet, regelt nur die Frage, wer über einen vor Beginn der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungsantrag zu erkennen hat. Hingegen hat über einen während der Hauptverhandlung gestellten Ablehnungsantrag gemäß dem § 238 StPO das erkennende Gericht selbst zu entscheiden (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer III/1, Nr. 8 zu § 74 StPO), was gemäß dem § 447 Abs. 1 StPO auch für das Verfahren vor den Bezirksgerichten gilt.

Eine Vertagung der Hauptverhandlungen vom 10. Oktober 1972 und vom 5. Juni 1973 durfte demnach nicht aus dem Grund erfolgen, um die Entscheidung des Vorstehers des Bezirksgerichtes Oberwart bzw. der Ratskammer des Landesgerichtes Eisenstadt über die gestellten Ablehnungsanträge einzuholen. Vielmehr hätte der Verhandlungsrichter des Bezirksgerichtes Oberwart über diese Anträge selbst zu entscheiden gehabt. Der Vorsteher des Bezirksgerichtes Oberwart und die Ratskammer des Landesgerichtes Eisenstadt waren sohin für die bezüglichen Beschlußfassungen nicht zuständig; ihre Beschlüsse verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 238 StPO (in Verbindung mit § 447 Abs. 1 StPO).

Dazu kommt, daß die Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 Z 1 StPO, wonach ein Richter von der Vornahme gerichtlicher Handlungen in Strafsachen in allen Instanzen ausgeschlossen ist, wenn er außerhalb seiner Dienstverrichtung Zeuge der in Frage stehenden Handlungen gewesen ist, auf den Vorsteher des Bezirksgerichtes Oberwart zutrafen; er hätte sich daher gemäß dem § 71 Abs. 1 StPO einer - einen Akt der Rechtsprechung darstellenden - Entscheidung über die Zulässigkeit der Ablehnung eines Strafrichters zu enthalten gehabt.

Ad 3.):

a) Eine Ausübung staatlicher Hoheitsrechte auf fremdem Staatsgebiet, wie sie jede unmittelbare Zustellung einer strafgerichtlichen Verfügung darstellt, mit der für den Empfänger (ihm unter Umständen nachteilige) rechtserhebliche Wirkungen verknüpft sind, mithin insbesondere auch die zu eigenen Handen zu erfolgende (§ 79 StPO) Zustellung der Vorladung des Beschuldigten zur Hauptverhandlung und der Urteilsausfertigung an ihn, ist nach den Bestandteile des Bundesrechtes bildenden allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts (Art. 9 B-VG) nur insoweit zulässig, als sie völkerrechtlich allgemein anerkannt ist bzw. allgemeiner völkerrechtlicher übung entspricht - was jedoch bezüglich einer unmittelbaren (postalischen) Zustellung von strafgerichtlichen Verfügungen im Ausland nicht zutrifft - , oder aber in zwischenstaatlichen Verträgen oder auf der Grundlage der Gegenseitigkeit vorgesehen ist. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so kann ein solcher Zustellakt im Ausland (nur) auf Grund eines Rechtshilfeersuchens bewirkt werden, wobei sich Art und Umfang der im einzelnen Fall möglichen Rechtshilfe (ebenfalls) vor allem aus (allfälligen) zwischenstaatlichen Verträgen bzw. aus dem Prinzip der Gegenseitigkeit ergeben (vgl. u.a. LSK 1978/221). Da nun vorliegend mit Thailand einschlägige zwischenstaatliche Vereinbarungen nicht bestehen und in Ansehung von (strafverfahrensrechtlichen) Zustellungsakten die Gegenseitigkeit nicht als gewährleistet angesehen werden kann (vgl. Drechsler-Linke, Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in Strafsachen, Z 27 Abs. 4 und Anmerkung 2 zu Z 37 StrafRHE; JABl. Nr.1/1977), fehlt es an den Voraussetzungen für eine zulässige Zustellung von Geschäftsstücken der in Rede stehenden Art im internationalen Postverkehr. Die vom Bezirksgericht Oberwart verfügte Postzustellung der zu 3.) angeführten Geschäftsstücke an den damals in Bangkok berufstätigen Beschuldigten erweist sich demnach als gesetzwidrig.

b) Die Durchführung einer Hauptverhandlung und die Urteilsfällung in Abwesenheit des Beschuldigten gemäß dem § 459 StPO setzt dessen gehörige Vorladung voraus. Soweit Vorladungen an den Beschuldigten zur Hauptverhandlung mittels internationalem Rückschein zugestellt wurden, liegt nach dem eben Gesagten eine gehörige Zustellung von vornherein nicht vor. überdies ist gemäß dem § 455 Abs. 1 StPO im bezirksgerichtlichen Verfahren die Vorladung (in der Regel) so einzurichten, daß dem Beschuldigten von ihrer Zustellung nach Abrechnung der Zeit, die er benötigt, um sich an den Ort des Gerichtes zu verfügen, bis zur Hauptverhandlung ein Zeitraum von wenigstens vierundzwanzig Stunden freibleibt, und es darf das Gericht in Abwesenheit des Beschuldigten nur verhandeln, wenn die Zustellung zur Verhandlung ausgewiesen ist (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer III/

3, Nr. 14 zu § 459 StPO). Die Durchführung der Hauptverhandlung am 13. Jänner 1977, bei welcher eine wirksame Zustellung der Vorladung an den Beschuldigten nicht ausgewiesen und zu welcher dem Beschuldigten erst am 1. Februar 1977 eine Vorladung zugestellt worden war, widersprach daher auch insoweit dem Gesetz. Aus den Bestimmungen der § 455 Abs. 1, 478 Abs. 1

StPO ergibt sich schließlich das im ordentlichen bezirksgerichtlichen Verfahren uneingeschränkt wirksame Recht des Beschuldigten auf Teilnahme an der Hauptverhandlung, welches grundsätzlich nur durch Ungehorsam gegen die gerichtliche Vorladung, nicht aber durch ein wegen eines erheblichen oder gar unabwendbaren Hindernisses erfolgtes Ausbleiben des Beschuldigten verwirkt wird. Bei Berücksichtigung dieses Grundsatzes hätte das Bezirksgericht Oberwart im Hinblick auf das vom Beschuldigten in seinen Schreiben vom 24. August 1976 und vom 6. Februar 1977 behauptete - und hinreichend bescheinigte - Hindernis (vgl. auch die Urteilsfeststellungen über die finanzielle Leistungsfähigkeit des Beschuldigten, S. 404 f, 431 und 520 d. A), mag er auch einen formellen Vertagungsantrag nicht gestellt haben, die Hauptverhandlungen vom 13. Jänner 1977 und vom 29. März 1977 nicht durchführen und ein Abwesenheitsurteil im Sinne des § 459 StPO nicht fällen dürfen.

Ad 2.) und 4.):

a) Nach dem im Zeitpunkt der Tat in Geltung gestandenen § 495 Abs. 2 StG (in der Fassung des Strafrechtsänderungsgesetzes 1971, BGBl. Nr. 273), dessen Regelung dem § 117 Abs. 2 StGB entspricht, waren strafbare Handlungen gegen die Ehre, die gegen einen Beamten während der Ausübung seines Amtes oder Dienstes begangen wurden, mit Zustimmung (Ermächtigung) des Verletzten und der diesem vorgesetzten Behörde (Stelle) vom Staatsanwalt zu verfolgen;

es lag also primär ein Ermächtigungsdelikt (§ 2 Abs. 3 StPO) vor. Nach der im Tatzeitpunkt und im Zeitpunkt der in Betracht kommenden Urteilsfällungen bestehenden Rechtslage war das dem Verletzten in den zitierten Bestimmungen eingeräumte Privatanklagerecht demnach subsidiär; ein mit der öffentlichen Anklage konkurrierendes selbständiges Privatanklagerecht stand dem Beleidigten in den bezeichneten Fällen nicht zu (vgl. Foregger-Serini, StGB2, S. 216 f;

Leukauf-Steininger, 582; anderer Meinung Mayerhofer-Rieder, Anmerkung 1 zu § 117 StGB). Die Anklageberechtigung des Verletzten war vielmehr davon abhängig, daß der öffentliche Ankläger die strafbare Handlung nicht verfolgte oder von der Verfolgung zurücktrat (§ 495 Abs. 2 vierter Satz StG; § 117 Abs. 2 vierter Satz StGB). Eine önderung dieser eine gelegentliche Schlechterstellung des im Sinne des § 117 Abs. 2 StGB in seiner Ehre Verletzten gegenüber beleidigten Privatpersonen bewirkenden Rechtslage wurde erst durch die mit 1. Juli 1978 in Kraft getretene StPO-Novelle 1978, BGBl. Nr. 169, insoferne vorgenommen, als nach dem § 2 Abs. 2 StPO n.F. in den Fällen des § 117 Abs. 2 StGB (erster und zweiter Satz) nunmehr der Verletzte auch dann selbst (primär) zur Anklage berechtigt ist, wenn der öffentliche Ankläger die strafbare Handlung deshalb nicht verfolgen kann, weil entweder der Verletzte innerhalb der Frist des § 46 Abs. 1 StPO ohne vorangehende Anfrage des öffentlichen Anklägers unwiderruflich erklärt, die erforderliche Ermächtigung nicht zu erteilen, oder eine der zur Ermächtigung erforderlichen Erklärungen des Verletzten und der diesem vorgesetzten Stelle auf Anfrage des öffentlichen Anklägers verweigert wird.

Im vorliegenden Fall stellt die Tätigkeit des Privatanklägers als Direktor einer öffentlichen Schule und als Vorsitzender bei einer Trimesterkonferenz in der von ihm geleiteten Schule die Dienstverrichtung eines Beamten der Unterrichtsverwaltung dar. Ehrenrührige Angriffe, die während dieser Dienstverrichtung gegen ihn gerichtet wurden, unterliegen gemäß dem § 495 Abs. 2 StG (§ 117 Abs. 2 StGB) daher der öffentlichen Anklage. Da im gegenständlichen Fall mangels einer Ablehnung der Strafverfolgung durch den öffentlichen Ankläger innerhalb der sonst dem Verletzten für das Verlangen nach Verfolgung offenstehenden Frist von sechs Wochen (§

Rechtliche Beurteilung

StG und § 117 Abs. 2 StGB - vgl. hiezu auch S. 247, 269, 303 und 433 d. A) das subsidiäre Anklagerecht des Verletzten nicht wirksam war, hätte somit die sowohl dem Erstgericht als auch dem Berufungsgericht obliegende amtswegige Prüfung des Verfolgungsrechtes des Anklägers gemäß dem § 259 Z 1 StPO zu einem Freispruch des Beschuldigten von der erhobenen Privatanklage führen müssen.

b) Nicht dem Gesetz entspricht ferner die in den beiden Urteilen des Bezirksgerichtes Oberwart vertretene Auffassung, daß die Strafbestimmung der § 488, 493 (erster Strafsatz) StG gegenüber jener des § 111 Abs. 1 StGB die für den Täter günstigere sei. Denn da § 493 StG in seinem ersten Strafsatz eine Freiheitsstrafe von einer Woche bis zu drei Monaten androht, während § 111 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen vorsieht und sohin die gegenüber einer Freiheitsstrafe gelindere Sanktion einer Geldstrafe enthält, ist die letztgenannte Bestimmung im Sinne des § 61 StGB als die günstigere Norm anzusehen (vgl. u.a. EvBl.

1975/269 /= u.a. ÖJZ-LSK 1975/91/, EvBl. 1976/42). Die im Urteil des Bezirksgerichtes Oberwart vom 29. März 1977 zum Ausdruck gebrachte Auffassung, die in den Günstigkeitsvergleich auch die Bestimmung des § 323 Abs. 1 StGB miteinbezieht, wonach u.a. § 37 StGB auch auf Taten anzuwenden ist, auf die im übrigen StG-Recht Anwendung findet, erweist sich deshalb als verfehlt, weil § 323 Abs. 1 StGB voraussetzt, daß recte altes Recht angewendet wird, was ausschließlich nach § 61 StGB zu beurteilen ist.

Ad 5.):

a) Wie sich schon aus den Erwägungen zu 3.) ergibt, steht auch die Zustellung des in Abwesenheit ergangenen vorerwähnten Urteils an den Beschuldigten mittels internationalen Rückscheines in Thailand nicht mit dem Gesetz im Einklang.

b) In der das Urteil vom 29. März 1977, GZ U 314/72-93, betreffenden Zustellverfügung unterblieb entgegen der Vorschrift des § 152 Abs. 3 Geo. die ausdrückliche Anordnung, daß dem Beschuldigten auch eine Rechtsmittelbelehrung zuzustellen ist. Tatsächlich wurde der dem Beschuldigten zugestellten Urteilsausfertigung zwar eine Rechtsmittelbelehrung angeschlossen, jedoch war diese unvollständig und unrichtig.

Zum Zwecke der Rechtsmittelbelehrung des Beschuldigten wäre im Sinne des § 66 Abs. 1 Geo. das hiefür aufgelegte Formblatt StPO-Form RMB 2 zu verwenden gewesen, welches eine ausführliche Darstellung der prozessualen Recht des Beschuldigten enthält, gegen den im bezirksgerichtlichen Verfahren ein Abwesenheitsurteil ergangen ist. Die im vorliegenden Fall erteilte Belehrung verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der § 3, 466 Abs. 2 und 478 StPO, da sie sich auf die mit Rücksicht auf den Inhalt des § 466 Abs. 2 StPO unrichtige Aussage beschränkte, daß gegen das Urteil binnen vierzehn Tagen eine Berufung beim Bezirksgericht Oberwart eingebracht werden könne. Neben dieser unrichtigen Mitteilung enthielt die Belehrung jedoch keinen Hinweis auf das dem Beschuldigten aus § 478 StPO erwachsene Einspruchsrecht und die sich bei Verbindung von Einspruch und Berufung ergebende Verlängerung der Berufungsanmeldefrist (vgl. SSt 31/105). Darüber hinaus ließ die Rechtsbelehrung den Beschuldigten darüber im Unklaren, daß die Berufungs- und Einspruchsfrist im Falle eines Abwesenheitsurteils nach dem ausdrücklichen Wortlaut der § 466 Abs. 2 und 478 Abs. 1 StPO nicht durch die Urteilsverkündung, sondern durch die Urteilszustellung in Gang gesetzt wird. Sie konnte vom Beschuldigten dahin mißverstanden werden, daß ihm eine Urteilsanfechtung zufolge eines vor der Urteilszustellung erfolgten Fristenablaufes nicht mehr möglich sei.

Aus den dargelegten Gründen war gemäß dem § 292, vorletzter bw. letzter Satz StPO spruchgemäß zu entscheiden. Der Kostenausspruch stützt sich auf § 390 Abs. 1 StPO (Zur Frage der Berechtigung des Obersten Gerichtshofes, bei einer nach dem § 292 StPO ergehenden Entscheidung (u.a.) zum Nachteil des Privatanklägers (auch) eine Kostenentscheidung zu treffen (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer, III/2, Nr. 46 a, 53, 53 a und 53 b zu § 292 StPO)

Anmerkung

E01702

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0120OS00131.78.1214.000

Dokumentnummer

JJT_19781214_OGH0002_0120OS00131_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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