TE OGH 1978/12/15 1Ob762/78

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Veröffentlicht am 15.12.1978
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Norm

ABGB §1098 Abs1
ABGB §1109 Abs1
Mietengesetz §18

Kopf

SZ 51/185

Spruch

Der Vermieter muß vom Mieter beabsichtigen, der baubehördlichen Bewilligung bedürftigen baulichen Veränderungen nur zustimmen, wenn diese zum vereinbarten Gebrauch des Mietgegenstandes unbedingt notwendig sind und die Interessen des Vermieters nicht beeinträchtigen

OGH 15. Dezember 1978, 1 Ob 762/78 (LGZ Wien 41 R 416/78; BG Innere Stadt-Wien 45 C 159/77)

Text

Der Beklagte ist Eigentümer des Hauses Wien 4, P-Straße 4. Seit 15. Oktober 1963 ist die Klägerin Hauptmieterin die in diesem Haus im dritten Stock gelegenen Wohnung Nr. 9, die aus drei Zimmern, Kabinett, Küche, Vorzimmer, WC und Bad besteht. Im Mietvertrag wurde der Klägerin das Recht eingeräumt, bauliche Veränderungen innerhalb des Mietobjektes vorzunehmen, sofern sie nicht der Zustimmung der Baubehörde bedürfen und den Bestand des Hauses nicht gefährden. Zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrages befand sich die Wohnungseingangstüre an der vom Stiegenhaus her gesehen linken Seite in einer tragenden Mauer. Etwa im Sommer 1964 verlegte die Klägerin im Einverständnis mit dem Beklagten die Eingangstüre ihrer Wohnung auf ihre Kosten an eine Stelle gegenüber dem Stiegenaufgang zum Obergeschoß, wodurch die Klägerin ein schönes Vorzimmer mit einem Fenster gewann. Da die Klägerin, die damals zwei Kinder hatte, nunmehr Mutter eines dritten Kindes ist, will sie das durch die Verlegung der Eingangstüre gewonnene Vorzimmer wieder als Zimmer verwenden und die Eingangstüre daher an die Stelle rückverlegen, an der sie sich bei Abschluß des Mietvertrages befand. Die von der Klägerin angestrebte Maßnahme bedarf der baubehördlichen Bewilligung. Von technischer Seite stehen dem Vorhaben keine Hindernisse entgegen, die Substanz des Hauses wäre nicht verletzt. Da der Beklagte der Verlegung der Wohnungseingangstüre und der Unterfertigung des Ansuchens an die Baubehörde nicht zustimmte, begehrt die Klägerin das Urteil, der Beklagte sei schuldig, die Verlegung der Eingangstüre durch mauerfeste Schließung der Eingangstüre gegenüber dem Stiegenaufgang zum Obergeschoß und Einsetzen des Türstockes samt Tür an der Wand links neben dem Stiegenaufgang zum Obergeschoß durch befugte Gewerbetreibende auf Kosten der Klägerin zu dulden. Die Beklagte wendete ein, daß die gewünschte Verlegung der Eingangstüre eine Entwertung des Bestandobjektes nach sich ziehen würde, weil man dann die Wohnung der Klägerin nicht über ein Vorzimmer mit Fenster, sondern über einen fensterlosen kleinen Vorraum betreten würde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Rechtsprechung leite aus dem dem Mieter gemäß § 1098 ABGB zustehenden Recht des Gebrauches der Bestandsache ab, daß der Mieter auch bauliche Änderungen des Bestandgegenstandes vornehmen könne, wenn diese durch die vertragsmäßige Benützung der Bestandsache erforderlich werden, die Substanz des Hauses nicht verletzt werde, die Veränderungen nicht erheblich und leicht wieder zu beseitigen seien und wichtige Interessen des Vermieters oder von Mitbewohnern nicht beeinträchtigt werden. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall gegeben, da die Verlegung der Wohnungseingangstüre zwar eine baubewilligungspflichtige Arbeit darstelle, jedoch eine Verletzung der Substanz des Hauses nicht erfolge. Bei Beendigung des Mietverhältnisses werde der Beklagte eine neuerliche Verlegung der Wohnungseingangstüre ohne weiteres verlangen können.

Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies; es stellte fest, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes 2000 S übersteige.

Da für die angestrebte bauliche Veränderung am Mietgegenstand eine baubehördliche Bewilligung notwendig sei, könne die Klägerin den Anspruch auf Gestattung der von ihr gewünschten Veränderung weder auf die im Mietvertrag getroffene Vereinbarung noch auf § 18 MietG stützen. Zu Änderungen, die einer baubehördlichen Bewilligung bedürfen, könne der Mieter zwar nach § 1098 ABGB berechtigt sein, aber nur unter der Voraussetzung, daß die baulichen Veränderungen durch die vertragsgemäße Benützung der Bestandsache erforderlich werden, die Substanz des Hauses nicht verletzt wird, die Änderungen nicht erheblich und leicht wieder zu beseitigen sind und wichtige Interessen des Vermieters oder von Mitbewohnern nicht beeinträchtigt werden. Im konkreten Fall liege eine Notwendigkeit für die bauliche Veränderung aber nicht vor. Die Klägerin habe auch nie behauptet, daß die Verlegung der Wohnungstüre notwendig sei, um die Wohnung vertragsgemäß benützen zu können. Durch das aus der Vergrößerung der Familie der Klägerin entspringende Interesse an einer zweckmäßigeren Raumeinteilung werde eine solche Notwendigkeit jedenfalls nicht begrundet.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Rechte des Mieters zur Vornahme von Veränderungen am Bestandgegenstand ergeben sich, wie die Untergerichte schon darlegten, aus den Bestimmungen des § 1098 ABGB und des § 18 MietG. Die erstgenannte Bestimmung berechtigt den Mieter, den Mietgegenstand dem Vertrage gemäß zu gebrauchen und zu benützen. Die Bestimmung des § 18 Abs. 1 MietG erweitert diese Rechte dahin, daß der Vermieter die Vornahme von Änderungen am Mietgegenstand, die einer baubehördlichen Bewilligung nicht bedürfen und entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Mieters dienen, nicht untersagen darf, falls die Änderung weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Vermieters oder der Mieter, insbesondere auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses, noch eine Gefahr für die Sicherheit zur folge hat, und der Mieter die Kosten trägt.

Erste Voraussetzung für Änderungen, die der Vermieter nicht untersagen darf, ist, daß sie einer baubehördlichen Bewilligung nicht bedürfen.

Wenn die Baubehörde einschreiten muß und ihre Zustimmung zu erteilen hat, besteht ein Zustimmungs- bzw. Verbotsrecht des Vermieters. Die Rechte des Bestandnehmers gehen also keinesfalls so, weit, daß er dem Eigentümer eine wesentliche bauliche Umgestaltung des Bestandsobjektes aufzwingen könnte, es sei denn, daß sie kraft behördlicher Verfügung angeordnet wurde, denn das Recht, die bauliche Gestaltung und Form des Hauses zu bestimmen, ist als integrierender Bestandteil des Eigentumsrechtes dem Eigentümer vorbehlten (JBl. 1955, 69). Die Rechtsprechung hat allerdings auch schon die Auffassung vertreten, daß der Vermieter auch Änderungen, die einer baubehördlichen Bewilligung bedürfen, für die aber die sonstigen Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 MietG zutreffen, nur insoweit widersprechen darf, als er nicht schon nach den Bestimmungen das Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches über den Bestandvertrag zur Duldung solcher Änderungen verpflichtet erscheint; das dem Mieter nach § 1098 ABGB zustehende Gebrauchsrecht soll diesen auch zu - selbst einer baubehördlichen Bewilligung bedürftigen - baulichen Veränderungen berechtigen, wenn die Substanz des Hauses nicht verletzt wird und die Veränderung nicht erheblich und leicht wieder zu beseitigen ist, weil in diesen Fällen die Pflicht des Bestandnehmers, die Sache nach Beendigung des Bestandvertrages im gleichen Zustand wie übernommen zurückzustellen (§ 1109 ABGB), nicht in Frage gestellt sei. Es wurde auch noch darauf hingewiesen, daß die Ausübung des Untersagungsrechtes durch den Vermieter als schikanös beurteilt werden könnte, wenn der Vermieter damit erkennbar keinen anderen Zweck verfolgt als dem Mieter zu schaden (EvBl. 1964/140; ähnlich JBl. 1965, 423; EvBl. 1963/313; MietSlg. 8643). Diese Rechtsprechung war aber nicht unbedenklich, kann doch keine Frage bestehen, daß § 18 Abs. 1 MietG eine Erweiterung der dem Mieter nach § 1098 ABGB zustehenden Rechte bringen sollte; diese Bestimmung wäre unnötig gewesen, wenn § 1098 ABGB dahin zu verstehen wäre, daß die gleichen Rechte auch schon nach dieser Bestimmung zustunden und darüber hinaus selbst dann, wenn eine baubehördliche Bewilligung erforderlich ist. Die neuere Rechtsprechung schränkte demgemäß auch ein. So sagte die Entscheidung MietSlg. 16 132, daß der Bestandgeber (nur) dann verpflichtet sei, seine Zustimmung zu vom Mieter vorgesehenen baulichen Veränderungen, für die eine baubehördliche Bewilligung erforderlich ist, zu geben, wenn durch die Veränderungen die Interessen des Bestandgebers nicht beeinträchtigt werden und die Veränderungen zum vereinbarten Gebrauch des Bestandgegenstandes unbedingt notwendig seien; es würde der vertraglichen Verpflichtung widersprechen, Räume zu einem bestimmten Zweck in Bestand zu geben und die Zustimmung zu baulichen Veränderungen zur Ermöglichung dieses Zweckes zu verbieten, obwohl dadurch Interessen des Bestandgebers nicht beeinträchtigt werden (so auch EvBl. 1969/219; JBl. 1969, 92; MietSlg. 21 180). Eine grundsätzliche Erörterung der auch für den vorliegenden Fall wesentlichen Rechtsfrage erfolgte in der Entscheidung SZ 42/75; diese führte aus, aus dem dem Mieter gemäß § 1098 ABGB zustehenden Recht des Gebrauches der Bestandsache werde abgeleitet, daß der Mieter, vorbehaltlich der Wiederherstellungspflicht nach Beendigung der Miete gemäß § 1109 ABGB, auch bauliche Änderungen des Bestandgegenstandes vornehmen könne, wenn diese durch die vertragsmäßige Benützung der Bestandsache erforderlich werden, die Substanz des Hauses nicht verletzt werde, die Änderung nicht erheblich und leicht wieder zu beseitigen seien und wichtige Interessen des Vermieters oder der Mitbewohner nicht beeinträchtigt werden. Lägen diese Voraussetzungen vor, dann müsse der Vermieter die bauliche Änderung selbst dann dulden, wenn sie einer baubehördlichen Bewilligung bedürfe. In diesem Sinne wird auch die Auffassung vertreten, daß der Vermieter eine vom Mieter geforderte Änderung am Mietgegenstand nicht schon auf Grund der Vorschrift des § 18 MietG untersagen könne, wenn die Änderungen einer baubehördlichen Bewilligung bedürfen; seien Räumlichkeiten zu einem bestimmten Zweck (z. B. zum Betriebe eines Kinos) vermietet worden, dann seien bauliche Veränderungen, die zur Erreichung des Zweckes, für den das Bestandobjekt gemietet wurde, notwendig seien, insbesondere Veränderungen, die von einer zuständigen Verwaltungsbehörde verlangt werden, schon auf Grund des Mietvertrages zu dulden; eine Grenze für die Gestattung solcher baulicher Veränderungen bildeten nur schutzwürdige Interessen des Vermieters (Schimetschek in ImmZ 1972, 345). Diese Auffassung teilt auch die jüngere Rechtsprechung (MietSlg. 28 141, 25 124). Ihr allein ist zu folgen, denn § 1098 ABGB garantiert nur die Zuhaltung des Vertrages und alle Rechte, die zur Erreichung seines Zweckes erforderlich sind, aber nicht mehr.

Mit Recht vertrat das Berufungsgericht die Rechtsauffassung, daß die von der Klägerin gewünschte Veränderung durch Verlegung der Wohnungseingangstüre, die einer baubehördlichen Bewilligung bedarf, auf den vertragsgemäßen Gebrauch der von der Klägerin gemieteten Wohnung ohne Einfluß ist. Es handelt sich also nicht um eine notwendige Maßnahme, um den vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung zu ermöglichen. Der Wunsch der Klägerin auf verbesserte Raumausnützung wegen Vergrößerung der Familie hat mit der Frage, ob die Verlegung der Wohnungstüre erforderlich ist, um eine vertragsgemäße Benützung der Wohnung zu ermöglichen, nichts zu tun. Die Wohnung ist vielmehr auch ohne die Veränderung vertragsgemäß zu benützen. Ob durch die Veränderung wichtige Interessen des Beklagten berührt werden, ist dann unerheblich. Die Wahrung der sich aus dem Eigentum ergebenden Rechte ist auch - abgesehen davon, daß Schikane nicht behauptet wurde (SZ 28/133) - nicht schikanös (MietSlg. 25 126/27). Der Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin mehr zu gewähren, als es Gesetz und Vertrag verlangen.

Anmerkung

Z51185

Schlagworte

bauliche Veränderungen am Mietobjekt, Vermieter, Zustimmung zu vom Mieter beabsichtigten baulichen, Veränderungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1978:0010OB00762.78.1215.000

Dokumentnummer

JJT_19781215_OGH0002_0010OB00762_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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