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L10018 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Vorarlberg;Norm
BerufungskommissionsV Nüziders 1991 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Bayjones als Richter, im beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, in der Beschwerdesache der MK in N, vertreten durch Dr. Michael Battlogg in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen die Gemeindevertretung der Gemeinde N in N, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer baurechtlichen Angelegenheit (Beteiligter im Sinne des § 8 AVG: HB in B), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Gemeinde N Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,00 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1. Mit Bescheid vom 6. Mai 1998, Zl. 131/86-007-1, erteilte der Bürgermeister der Gemeinde N dem beteiligten Bauwerber die baubehördliche Bewilligung für eine Reihe von Baumaßnahmen sowie weitere für deren Vornahme nötige Ausnahmegenehmigungen und Abstandsnachsichten nach dem Vorarlberger Baugesetz - BauG, LGBl. Nr. 39/1972.
Der dagegen von der Beschwerdeführerin als Nachbarin erhobenen Berufung gab die Berufungskommission der genannten Gemeinde mit Bescheid vom 5. Oktober 1998 (zur gleichen Geschäftszahl) keine Folge. Die dagegen erhobene Vorstellung wies die Bezirkshauptmannschaft Bludenz mit Bescheid vom 27. Jänner 1999, Zl. I - 5/3/Nü/98, als unbegründet ab.
Auf Antrag des Bauwerbers verlängerte der Bürgermeister der Gemeinde N mit Bescheid vom 22. Mai 2000, Zl. 131/86-007-4, die Wirksamkeit der Baubewilligung "nach Maßgabe des Baubescheides vom 6. Mai 1998, Zl. 131/86-007-1, mit Rechtskraft vom 5. Oktober 1998 um zwei Jahre, somit bis zum 5. Oktober 2002" gemäß § 36 Abs. 2 BauG.
Mit Erkenntnis vom 23. Mai 2001, Zl. 99/06/0037, hob der Verwaltungsgerichtshof den Vorstellungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Bludenz vom 27. Jänner 1999 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Sodann behob die Bezirkshauptmannschaft Bludenz mit Bescheid vom 30. August 2001, Zl. I-5/3/Nü/01, den Bescheid der Berufungskommission der Gemeinde N und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die genannte Berufungskommission zurück.
Die Beschwerdeführerin erhob am 4. September 2003 die vorliegende Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof und brachte vor, die Gemeindevertretung der Gemeinde N sei "bis heute im Zusammenhang mit der Erledigung der Berufung untätig", obwohl sie in Bindung an die tragenden Gründe des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes verpflichtet gewesen wäre, eine dieser Rechtsauffassung Rechnung tragende Berufungsentscheidung zu treffen.
2. Gemäß § 26 Abs. 1 des Vorarlberger Gemeindegesetzes (Vlbg. GG), LGBl. 40/1985, sind die Organe der Gemeinde (u.a.) der Gemeinderat, der die Bezeichnung "Gemeindevertretung" führt (lit. a), und die Berufungskommissionen (lit. e).
Gemäß § 50 Abs. 1 lit. a Z. 13 Vlbg. GG bedürfen Entscheidungen über Rechtsmittel gegen Bescheide des Gemeindevorstandes und des Bürgermeisters in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, eines Beschlusses der Gemeindevertretung. Nach der Z. 14 dieser Bestimmung bedarf auch die Ausübung der in den verwaltungsverfahrensgesetzlichen Vorschriften vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse eines solchen Beschlusses.
Gemäß § 53 Vlbg. GG kann in den Angelegenheiten des § 50 Abs. 1 lit. a Z. 13 leg. cit. die Gemeindevertretung, wenn es im Interesse der Zweckmäßigkeit, Raschheit oder Einfachheit gelegen ist, durch Verordnung einer Berufungskommission die Befugnis übertragen, in ihrem Namen Entscheidungen und Verfügungen zu treffen oder sonstige Amtshandlungen vorzunehmen.
Die Gemeindevertretung der Gemeinde N hat mit dem in der Sitzung am 22. März 1991 gefassten Beschluss eine Verordnung über die Einrichtung und Geschäftsordnung einer Berufungskommission (im Folgenden: Berufungskommissionsverordnung - BkV) erlassen, nach deren § 1 für die Gemeinde zur Entscheidung über Rechtsmittel gegen Bescheide des Gemeindevorstandes und des Bürgermeisters in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches eine Berufungskommission eingerichtet wird. Dieser kommt die Aufgabe zu, im Namen der Gemeindevertretung Entscheidungen und Verfügungen zu treffen oder sonstige Amtshandlungen vorzunehmen. Gemäß § 8 BkV trat diese Verordnung am 9. April 1991 in Kraft.
Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist Sinn des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGG (wonach als belangte Behörde die oberste Behörde zu bezeichnen ist, deren Entscheidung in der Rechtssache verlangt wurde), in einer jeden Zweifel ausschließenden Art und Weise den Verwaltungsgerichtshof erkennen zu lassen, welcher Behörde Säumnis vorgeworfen wird. Welche Behörde belangte Behörde des Säumnisbeschwerdeverfahrens ist, kann allerdings nicht nur aus der zutreffenden Bezeichnung der Behörde durch den Beschwerdeführer ersehen werden, sondern ist auch aus dem Inhalt der Beschwerde insgesamt und den der Beschwerde angeschlossenen Beilagen sowie aus der dem Verwaltungsgerichtshof bekannten Rechtslage betreffend den Vollzugsbereich und die Behördenorganisation erschließbar. Jene Behörde ist Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, die bei verständiger Wertung des gesamten Beschwerdevorbringens einschließlich der der Beschwerde angeschlossenen Beilagen als belangte Behörde zu erkennen ist. Es ist allerdings unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei der von ihr vorgenommenen Bezeichnung der belangten Behörde eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut nicht unmittelbar erschlossen werden kann. Die Beurteilung gilt angesichts des dahinter stehenden Regelungszweckes sowohl für die Bezeichnung der belangten Behörde in Bescheidbeschwerden als auch in Säumnisbeschwerden (vgl. den hg. Beschluss vom 30. Juli 2002, Zl. 2002/05/0755, mwN).
Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Beschwerde die Säumnis der Gemeindevertretung der Gemeinde N (als belangte Behörde im Sinne des § 28 Abs. 3 VwGG) geltend. Nach dem Vlbg. GG in Verbindung mit der BkV ist allerdings nicht die Gemeindevertretung zuständig, über eine Berufung gegen einen Bescheid des Bürgermeisters in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches zu entscheiden, sondern die (als eigenes Gemeindeorgan gemäß den §§ 26 Abs. 1 lit. e und 53 Vlbg. GG in Verbindung mit der BkV geschaffene) Berufungskommission. Für die Entscheidung über die Berufung kommt nach der Kassation ihres Bescheides vom 5. Oktober 1998 durch die BH Bludenz daher (neuerlich) nur die Berufungskommission in Betracht. Mit diesem Bescheid wurde - wie dargelegt - in diesem Sinne die Angelegenheit an die Berufungskommission zurückverwiesen. Die Berufungskommission hat bisher nicht entschieden. Die gegen die Gemeindevertretung erhobene, in dieser Hinsicht keine andere Deutung zulassende Säumnisbeschwerde erweist sich demnach als unzulässig, weil die Gemeindevertretung im Beschwerdefall (noch) keine Entscheidungspflicht traf (vgl. den hg. Beschluss vom 23. November 1995, Zl. 92/06/0084).
Auch der Umstand, dass die säumige Behörde (d.h. die Berufungskommission) durch Ermächtigung der Gemeindevertretung zuständig ist, in ihrem Namen zu entscheiden, bewirkt nicht, dass das Verwaltungshandeln (bzw. die Säumnis) der Berufungskommission der Gemeindevertretung zugerechnet werden kann und die Bezeichnung der Gemeindevertretung als säumige Behörde zutreffend wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 2002, Zl. 2002/01/0029, sowie den hg. Beschluss vom 12. März 1992, Zl. 92/06/0041, mwN).
Da die nach § 27 VwGG geforderten Voraussetzungen zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht nach Art. 132 B-VG für die von der Beschwerdeführerin gemäß § 28 Abs. 3 bezeichnete im bezogenen Bauverfahren säumige Behörde nicht gegeben waren, erweist sich die Beschwerde als unzulässig. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Das Kostenmehrbegehren der belangten Behörde war in analoger Anwendung des § 49 Abs. 1 letzter Satz VwGG idF der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 mangels Vertretung im Verfahren durch einen Rechtsanwalt abzuweisen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2005, Zl. 2003/06/0018, mwN).
Wien, am 26. April 2005
Schlagworte
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Diverses Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003060144.X00Im RIS seit
15.07.2005