Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Jänner 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Borutik, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Dienst, Dr. Kießwetter, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Liebetreu als Schriftführer in der Strafsache gegen Karl A wegen der Vergehen des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach den § 146, 147 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 und 15 StGB sowie des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den § 15, 269
Abs. 1 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. Oktober 1978, GZ. 1 d Vr 4387/78-32, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwalt Dr. Harramach, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die vom Erstgericht über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 18 (achtzehn) Monate herabgesetzt.
Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 27.März 1939 geborene Kaufmann Karl A der Vergehen des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach den § 146, 147 Abs. 1 Z. 1, Abs. 2 und 15 StGB sowie des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den § 15, 269 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.
Nur gegen den Schuldspruch wegen des letztgenannten Vergehens wendet sich der Angeklagte mit einer auf den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Mit ihr macht er geltend, das Erstgericht habe sein als erwiesen angenommenes Tatverhalten, wonach er am 23.Juni 1978 in Wien Beamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme, zu hindern versuchte, indem er während seiner Eskortierung zum Streifenwagen die Beamten zur Seite stieß, sich losriß und flüchtete, zu Unrecht als Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den § 15, 269 Abs. 1
StGB beurteilt. Das Tatbild dieses Deliktes sei nämlich nur dann verwirklicht, wenn sich der Täter unter Anwendung 'größerer' Gewalt vom Amtsorgan losreiße, nicht aber, wenn er mit Händen und Füßen um sich schlage, um seine Festnahme zu vereiteln. Bei seinem Verhalten habe es sich um die unkontrollierte Abwehr einer gegen ihn gerichteten tätlichen Amtshandlung gehandelt, wobei es zu einer durchaus unbeabsichtigten Berührung mit dem Beamten gekommen sei, die ihm zu Unrecht als beabsichtigter Stoß angelastet werde. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung entspreche demgegenüber seine Tathandlung lediglich dem Begriff des 'passiven Widerstandes' und sei sohin nicht gerichtlich strafbar.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Soweit der Beschwerdeführer eine 'unbeabsichtigte Berührung' mit dem seine Festnahme versuchenden Polizeiwachebeamten im Zuge einer 'unkontrollierten Abwehr' oder eines ebensolchen 'Umherschlagens' behauptet, bringt er den angezogenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, weil er von urteilsfremden Annahmen, nicht aber von der begründeten Feststellung des Erstgerichtes ausgeht, wonach er sich - nachdem er sich bereits während der Eskorte zum Polizeiauto losgerissen hatte und geflüchtet war - beim Herannahen der ihn verfolgenden und einholenden Beamten an einem Baum festhielt und dem Polizeibeamten Josef B (richtig wohl 'C'; vgl. S. 152) einen Stoß versetzte, welcher diesen drei bis vier Schritte zurücktaumeln ließ und ihm die vorläufige weitere Fortsetzung seiner Flucht ermöglichte, die dann allerdings endgültig zu Ende war, als die Beamten ihn nochmals einholten und überwältigten (S. 298, 299, 305, 306); der Angeklagte hat sich demnach nach den Konstatierungen des Erstgerichtes nicht bloß passiv verhalten und auch nicht unkontrolliert herumgeschlagen und dabei den Beamten unbeabsichtigt getroffen, sondern gegen diesen durchaus gewollt einen gezielten Stoß geführt.
Soweit der Angeklagte aber sinngemäß vermeint, auch eine gegen einen Beamten ausgeübte aktive Gewaltanwendung müsse eine solche 'größeren Ausmaßes' sein, um den Tatbestand des Widerstandes gegen die Staatsgewalt zu erfüllen, befindet er sich in einem Rechtsirrtum. Das Gesetz verlangt zur Verwirklichung des Tatbildmerkmales der 'Gewalt' im Sinne des § 269 Abs. 1 StGB keineswegs eine besonders qualifizierte Form körperlicher Kraftanwendung. Sie muß nur so beschaffen sein, daß sie nach den Umständen des Falles geeignet ist, durch ihren Einsatz die Durchführung der in Aussicht genommenen Amtshandlung ernstlich und in wirksamer Weise zu hindern. Auch die vom Beschwerdeführer zitierte zu § 81 StG. ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 23.Februar 1937, SSt. 17/25, bringt in diesem Sinne bloß zum Ausdruck, daß zur Erfüllung des Tatbestandes die Anwendung einer größeren Kraft erforderlich ist als jene eines Täters, der - ohne einen Widerstand überwinden zu müssen - sich ohne Aufbietung nennenswerter Kraft von jemandem, der ihn festhält, nur 'losmacht'.
Es kann aber nicht ernstlich bezweifelt werden, daß das Versetzen eines so wuchtigen Stoßes, daß der davon getroffene Beamte drei bis vier Schritte zurücktaumelt, objektiv geeignet ist, diesen an der Vornahme der beabsichtigten Festnahme des Täters zu hindern und dem Letztgenannten die Flucht - hier: die Fortsetzung der bereits begonnenen Flucht - zu ermöglichen. Da nach den weiteren Feststellungen des Erstgerichtes diese erhebliche Gewaltanwendung auch in subjektiver Hinsicht zum Zwecke der Vereitelung der Festnahme gesetzt und dieses Ziel nur deshalb nicht erreicht wurde, weil der Angeklagte kurz darauf doch überwältigt werden konnte, sind sämtliche Tatbestandsmerkmale des versuchten Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach den § 15, 269 Abs. 1 StGB in objektiver wie auch in subjektiver Hinsicht erfüllt. Zu Recht hat das Erstgericht den Angeklagten daher auch dieses Vergehens schuldig erkannt.
Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war sohin zu verwerfen.
Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten unter Anwendung des § 28 StGB nach dem § 147 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 21 Monaten. Es nahm hiebei zu Unrecht gemäß den § 31, 40 StGB auf das zwar seit dem 14.September 1978 rechtskräftige, aber in erster Instanz schon am 28.Februar 1978, somit bereits vor den gegenständlichen Straftaten gefällte Urteil des Jugendgerichtshofes Wien zum AZ. 1 b Vr 1442/77 Bedacht (vgl. u. a. Mayerhofer-Rieder, Das Öst. Strafrecht, § 31 StGB, Nr. 26, 27, 30 und 31), wobei ihm überdies der Fehler unterlief, dem Angeklagten Karl A statt der über diesen verhängten 6-monatigen Freiheitsstrafe die mit demselben Urteil über dessen Bruder Wolfgang A ausgesprochene Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 100 S zuzuordnen.
Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht die einschlägigen Vorstrafen des Karl A, das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen sowie die Tatwiederholungen als erschwerend, das Geständnis des Angeklagten und dessen Bereitschaft zur Schadensgutmachung hingegen als mildernd.
Die auf Herabsetzung der verhängten Freiheitsstrafe gerichtete Berufung ist trotz der - nicht mehr behebbaren -
unzulässig gewesenen Anwendung der Bestimmungen der § 31, 40 StGB begründet.
Die vom Schöffengericht festgesetzte Freiheitsstrafe erweist sich vor allem unter Bedachtnahme auf das tatsächliche Gewicht der dem Angeklagten von den Geschädigten z.T. sehr leicht gemachten Betrügereien und im Vergleich mit ähnlich gelagerten Fällen als etwas zu hoch. Eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten ist tat- sowie schuldangemessen und reicht auch in spezialpräventiver Hinsicht noch aus.
Der Berufung des Angeklagten war sohin Folge zu geben und die vom Erstgericht verhängte Strafe angemessen herabzusetzen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E01683European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0110OS00189.78.0109.000Dokumentnummer
JJT_19790109_OGH0002_0110OS00189_7800000_000