Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Jänner 1979
unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Loesch als Schriftführers in der Strafsache gegen Franz Rudolf A wegen des Vergehens der Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG (alter Fassung) über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichtes vom 3. Juli 1978, GZ. 6 b Vr 1118/78-11, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers, Rechtsanwaltes Dr. Cerny, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird das Urteil gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Franz Rudolf A wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe im November oder Dezember 1968
in Wien seines Vorteiles wegen Sachen, hinsichtlich deren durch den zu AZ 6 a Vr 9210/75, Hv 281/75, des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verurteilten Gerhard B, sowie den nicht verfolgbaren Helmut van den C ein Schmuggel begangen wurde, nämlich einen Brillantring in Pyramidenform in Weißgold, eine Brosche mit Brillanten besetzt, gebogen, in Weißgold, einen Brillantring in Weißgold, drei goldene Armbänder, eine goldene Armkette mit weißen Kugeln als Zwischenglieder, zwei goldene Halsketten, ein goldenes Gliederarmband mit fünf Anhängern (Bettelarmband), eine goldene Damenarmbanduhr Marke 'Omega Automatic' mit schwarzem Lederband, eine goldene Damenarmbanduhr, längliche Facon mit Goldband, Marke 'Tissot', eine goldene Damenarmbanduhr, Marke 'Tissot', mit Goldarmband, mit darauf entfallenden Eingangsabgaben an Zoll in der Höhe von 8.992 S und an Ausgleichssteuer in der Höhe von 7.838 S, sohin insgesamt 16.830 S als strafbestimmendem Wertbetrag durch Ankauf und übernahme von Heinz Peter D und anschließendem Verkauf an Unbekannte an sich gebracht und verhandelt; Franz Rudolf A habe hiedurch das Vergehen der Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG (alter Fassung) begangen, gemäß dem § 214 FinStrG wegen Unzuständigkeit des Gerichtes freigesprochen.
Mit seinen Rechtsmitteln wird Franz Rudolf A auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz Rudolf A wegen des aus dem Spruch ersichtlichen Vergehens der Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG (alter Fassung) schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe, zu einer Freiheitsstrafe und zu anteiligem Wertersatz verurteilt.
Diesen Schuldspruch bekämpft Franz Rudolf A mit einer auf die Nichtigkeitsgründe nach dem § 281 Abs. 1 Z 10 und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und behauptet, durch die Anwendung des Finanzstrafgesetzes in seiner vor dem 1.1.1976 gültigen Fassung benachteiligt worden zu sein. Mit Berufung begehrt er die Ausschaltung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe. Ohne daß es nötig wäre, auf diese Rechtsmittel weiter einzugehen, vermag sich der Oberste Gerichtshof davon zu überzeugen, daß das Urteil an einer vom Angeklagten nicht gerügten Nichtigkeit im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO leidet, die sich zu seinem Nachteil ausgewirkt hat und daher von Amts wegen aufzugreifen ist. Das Gericht hat seine Zuständigkeit zur Erledigung der vorliegenden (seit 10. Februar 1978 anhängigen) Strafsache auf Grund der (durch die Finanzstrafgesetznovelle vom 29. April 1975, BGBl. 335, neu gefaßten und am 1.1.1976
in Kraft getretenen) Bestimmung des § 53 Abs. 4 FinStrG in Anspruch genommen, die besagt, daß das Strafverfahren gegen den Täter, gegen andere vorsätzlich an der Tat Beteiligte und gegen Hehler bei Gericht durchzuführen ist, wenn auch nur bei einer dieser Personen die gerichtliche Zuständigkeit aus den Abs. 1 bis 3 (des § 53 FinStrG n.F) gegeben ist.
Das Schöffengericht verweist hiezu darauf, daß zwei an der Tat Beteiligte, nämlich Gerhard B als Schmuggler des in den Niederlanden gestohlenen Schmuckes und Hans Peter D, der einen Teil des nach Österreich geschmuggelten Diebsgutes übernommen und hievon Teile an den Angeklagten weitergegeben hat, wegen Abgabenhehlerei vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 16. Dezember 1976 rechtskräftig verurteilt wurden (6 a Vr 9210/75-13).
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Ansicht des Schöffengerichtes läßt sich jedoch aus diesem Urteil gegen die Genannten die gerichtliche Zuständigkeit für ein Strafverfahren gegen den Angeklagten A nicht ableiten. Denn diese nach § 53 Abs. 4 FinStrG (n.F) abgeleitete Zuständigkeit des Gerichtes tritt u.a. nur dann ein, wenn die Gerichtskompetenz gegen einen der Täter oder einen vorsätzlich an der Tat Beteiligten oder einen der Hehler nach den Absätzen 1 bis 3 des § 53 FinStrG i.d.F.
d. FinStrG 1975 begründet ist, an welcher Voraussetzung es im gegenständlichen Fall jedoch mangelt. Die Gerichtszuständigkeit in der vorerwähnten Strafsache 6 a Vr 9210/75 gegen Gerhard B und Hans Peter D ergibt sich nämlich nicht auch nach dieser Gesetzesstelle, sondern nur aus dem bis zum 1. Jänner 1976
in Kraft gestandenen § 53 Abs. 2 lit. a und c FinStrG (alte Fassung), nach welchem u.a. das Gericht zur Bestrafung der Finanzvergehen des Schmuggels und der Abgabenhehlerei an Sachen, hinsichtlich derer ein Schmuggel begangen worden war, dann berufen war, wenn der strafbestimmende Wertbetrag 50.000 S überstieg. Dies traf bei Gerhard B und Hans Peter D zu, die beide mit rechtskräftigem Urteil vom 16. Dezember 1976, GZ 6 a Vr 9210/75-13, anklagekonform (ON 3), und zwar Gerhard B des Finanzvergehens des Schmuggels nach dem § 35 Abs. 1 lit. a FinStrG mit einem strafbestimmenden Wertbetrag von 110.332 S und Hans Peter D des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG mit strafbestimmenden Wertbeträgen von 97.999 S und 524 S schuldig erkannt worden waren;
andere, D betreffende Schuldsprüche können in diesem Zusammenhang außer Betracht bleiben.
Die Zuständigkeit des Gerichts zur Erledigung der Finanzstrafsache 6 a Vr 9210/75 gegen B und D ergäbe sich sohin zwar aus der alten Fassung des § 53 Abs. 2
lit. a und c FinStrG, die eine Wertgrenze von 50.000 S vorsah, wäre aber nach dessen neuer Fassung durch die Fin-StrGNov. 1975, die die Wertgrenze auf 200.000 S anhob, ausgeschlossen. Es war daher verfehlt, aus einer an sich ausgeschlossenen Gerichtskompetenz unter Berufung auf § 53 Abs. 4 FinStrG n.F eine Gerichtskompetenz zur Erledigung der vorliegenden Strafsache gegen Franz Rudolf A abzuleiten und in Anspruch zu nehmen. Art. VII § 3 Abs. 2 der Finanzstrafgesetznovelle 1975 kommt hier nicht zur Anwendung, da die Sache erst am 10.2.1978 bei Gericht anfiel. Auch andere Anknüpfungspunkte für das Vorliegen einer gerichtlichen Kompetenz in der Strafsache gegen Franz Rudolf A fehlen: Der strafbestimmende Wertbetrag bei der nach den gerichtlichen Feststellungen mehr als zehn Jahre zurückliegenden (§ 55 Abs. 8 FinStrG a.F) Tat betrug 16.030 S, lag somit nicht nur unter der die Gerichtszuständigkeit herbeiführenden Summe von mehr als 200.000 S (§ 53 Abs. 2 lit. c FinStrG n.F), sondern überdies auch unter der Wertgrenze von 50.000 S nach dem § 53 Abs. 2
lit. c FinStrG (a.F). Ebenso fallen dem Angeklagten weder erschwerende Umstände nach § 38 FinStrG nach Rückfall im Sinne der § 41 oder 47 FinStrG (§ 53 Abs. 1 lit. a Fin-StrG n.F) zur Last.
Es zeigt sich somit, daß das Schöffengericht seine Zuständigkeit zu Unrecht in Anspruch genommen hat, weswegen der Angeklagte, ohne daß es notwendig wäre, auf seine dies nicht rügende Nichtigkeitsbeschwerde einzugehen, gemäß dem § 214 FinStrG freigesprochen werden mußte.
Anmerkung
E01899European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0130OS00183.78.0111.000Dokumentnummer
JJT_19790111_OGH0002_0130OS00183_7800000_000