TE OGH 1979/1/11 13Os166/78

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Veröffentlicht am 11.01.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Jänner 1979 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Loesch als Schriftführers in der Strafsache gegen Alfred A wegen des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB. über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 7.September 1978, GZ. 20 Vr 726/76-122, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Proksch und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Karollus, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 12.August 1937 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Alfred A auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen, welche die ihnen gestellte Hauptfrage stimmeneinhellig bejaht hatten, des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB.

schuldig erkannt, weil er am 24.Jänner 1976 in Frankfurt am Main die Alice B dadurch, daß er sie mit einem Schlag auf den Kopf betäubte und ihr dann mit einem Messer den Vorderhals bis auf die Wirbelsäule durchtrennte, vorsätzlich tötete.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte Alfred A mit seiner auf die Nichtigkeitsgründe der Z. 9 und 12

- der Sache nach Z. 6, 9 und 13 - des § 345 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Eine Unvollständigkeit der Antwort der Geschwornen im Sinn des § 345 Abs. 1 Z. 9 StPO. erblickt der Beschwerdeführer darin, daß durch die Bejahung der Hauptfrage nicht zweifelsfrei feststehe, ob er das Verbrechen des Mordes (§ 75 StGB.) oder das Verbrechen des Totschlages (§ 76 StGB.) begangen habe. Beides seien Vorsatzdelikte, weshalb die bloße Beantwortung der Hauptfrage nicht ausschließe, daß er die Tat in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung verübt habe. Allein der Umstand, daß angenommen worden sei, Alice B wäre vor der Tötung betäubt worden, lasse den Schluß auf eine lebhafte Auseinandersetzung zu, sodaß das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer allgemein begreiflichen Gemütsbewegung hätte geprüft werden müssen. Da durch die Frage und ihre Beantwortung die Tatbildmäßigkeit nach § 76 StGB. nicht ausgeschlossen werden könne, sei nicht klar erkennbar, welches Tatbild die Geschwornen nun tatsächlich angenommen hätten.

Weder der vom Beschwerdeführer angerufene Nichtigkeitsgrund nach Z. 9 noch der von ihm in diesem Zusammenhang der Sache nach weiters geltend gemachte Mangel der Fragestellung im Sinn der Z. 6 des § 345 Abs. 1 StPO. ist gegeben.

Der Wahrspruch ist unvollständig, wenn eine Frage zu Unrecht nicht beantwortet wurde (KH. 2455 u.a.). Dies trifft vorliegend nicht zu. Undeutlich wäre der Wahrspruch, wenn sein Sinn nicht klar ist (KH. 4155). Auch davon kann keine Rede sein, weil die Geschwornen die ihnen anklagekonform gestellte, auf Mord lautende Hauptfrage eindeutig bejahten.

Ob der Angeklagte sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tat habe hinreissen lassen, hatten die Geschwornen nicht zu beantworten, weil ihnen eine entsprechende Schuldfrage (Eventualfrage) nicht gestellt worden war. Die Stellung einer solchen Frage war - wie die Generalprokuratur richtig darlegt - auch gar nicht indiziert.

Gemäß dem § 314 Abs. 1 StPO. ist eine Eventualfrage u.a. dann zu stellen, wenn in der Hauptverhandlung Tatsachen vorgebracht wurden, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte.

Gegenstand einer solchen Eventualfrage kann jedoch nur ein tatsächliches Substrat bilden; bloß abstrakt denkbare Möglichkeiten und Mutmaßungen scheiden aus (SSt. 44/29).

Für die Annahme, daß der Angeklagte sich nur in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu habe hinreissen lassen, die Frau zu töten, erbrachte das Beweisverfahren keine konkreten Anhaltspunkte.

'Allgemein begreiflich' ist eine Gemütsbewegung nach herrschender Rechtsprechung nur dann, wenn auch der Durchschnittsmensch sich vorstellen kann, er selbst geriete unter den besonderen Umständen des Falls in eine derartige Gemütsverfassung (ÖJZ-LSK. 1975/185), deren Ursache demnach sittlich verständlich sein muß und nicht im Charakter des Täters oder in seinen verwerflichen Neigungen, sondern lediglich in äußeren Umständen zu suchen sein darf (EvBl. 1976/119). Im besonderen fehlen hier auch objektive Anhaltspunkte dafür, daß der Tötungshandlung überhaupt eine 'lebhafte Auseinandersetzung' oder gar ein Kampf mit dem Opfer vorangegangen wäre (S. 111/I. Band).

Schließlich rügt der Beschwerdeführer unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z. 12 des § 345 Abs. 1

StPO., daß bei Annahme des Deliktes nach § 76 StGB. (Totschlag) an Stelle der vom Erstgericht (nach § 75 StGB.) verhängten lebenslangen lediglich eine Freiheitsstrafe von maximal zehn Jahren hätte verhängt werden dürfen.

Diese Rüge, mit welcher der Sache nach der materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund der Z. 13 des § 345 Abs. 1

StPO. geltend gemacht wird, ist jedoch nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil der betreffende Nichtigkeitsgrund voraussetzt, daß der Strafausspruch unter Zugrundelegung der vom Erstgericht vorgenommenen rechtlichen Unterstellung der Tat auf einen Rechtsirrtum zurückzuführen ist.

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war darum zu verwerfen.

Beizufügen ist, daß sich nach der vorläufigen Beratung über die in Rede stehende Nichtigkeitsbeschwerde erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ersturteil zugrundegelegten Tatsachen nicht ergaben (§ 362 StPO.).

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten gemäß der Strafnorm des § 75 StGB. unter Bedachtnahme auf die § 31, 40 StGB. (Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5.Mai 1976, AZ. 5 c Vr 2.063/76) zu einer Freiheitsstrafe auf Lebensdauer (§ 18 Abs. 1 StGB.).

Bei der Strafbemessung waren erschwerend die auf der gleichen schädlichen Neigung wie die vorliegende Tat beruhenden Vorstraftaten (Angriffe gegen die Gesundheit von Menschen - § 33 Z. 2 StGB.), die Grausamkeit der Tathandlung (§ 33 Z. 6 StGB.) und die Begehung des Mordes an der betäubten Alice B, welche demgemäß wehrlos war (§ 33 Z. 7 StGB.); als mildernd wurde kein Umstand gewertet. Die Berufung des Angeklagten richtet sich gegen das Strafausmaß. Sie ist nicht im Recht.

Die hier wiedergegebenen Strafzumessungsgründe wurden bereits in erster Instanz nicht nur im wesentlichen vollzählig und zutreffend erfaßt und festgestellt, sondern auch ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht nach richtig gewürdigt. Gemäß den allgemeinen Strafbemessungsgrundsätzen des § 32 Abs. 3 StGB. ist im allgemeinen die Strafe u.a. um so strenger zu bemessen, je größer die Schädigung ist, je rücksichtsloser der Täter die Tat ausführte und je weniger Vorsicht gegen die Tat hatte gebraucht werden können. Daraus allein schon folgt, daß das Erstgericht die gefundenen Strafschärfungsgründe zutreffend einstufte und beurteilte: Insbesondere der Umstand, daß der Angeklagte sein Opfer, nachdem er es mit einem Schlag auf den Kopf betäubt hatte, mit einem Messer geradezu abschlachtete, mußte besonders strafbeeinflussend ins Gewicht fallen, und zwar in Anbetracht der Tatsache, daß der Angeklagte wiederholt - teils einschlägig - vorbestraft ist, also eine die Rechtsordnung zielstrebig ablehnende Haltung an den Tag legt. Nach sorgfältiger Prüfung und Würdigung der Strafzumessungsgründe gelangte der Oberste Gerichtshof bei all dem zur Auffassung, daß das Erstgericht mit Recht über den Angeklagten eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängte, weil keinerlei Umstände vorliegen, die hier eine Freiheitsstrafe auf bestimmte Zeit ausreichend erscheinen lassen könnten.

Aus diesen Erwägungen konnte der Berufung des Angeklagten kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01887

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0130OS00166.78.0111.000

Dokumentnummer

JJT_19790111_OGH0002_0130OS00166_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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