Norm
Versichernngsvertragsgesetz §12 Abs3Kopf
SZ 52/3
Spruch
Der Haftpflichtversicherer muß den mitversicherten Lenker gemäß § 12 Abs. 3 VersVG zwar nicht ausdrücklich auf das Regreßrecht nach § 158f VersVG hinweisen, doch schadet der zur Irreführung geeignete Hinweis, daß dem Mitversicherten bei Unterlassung der rechtzeitigen Klage der Verlust "der Entschädigungsansprüche aus dem Schadensfall" drohe
OGH 11. Jänner 1979, 7 Ob 52/78 (OLG Linz, 1 R 110/78; KG Ried im Innkreis 2 Cg 502/75)
Text
Die Klägerin begehrt als Haftpflichtversicherer eines LKW-Zuges vom beklagten Lenker - das Verfahren gegen den Versicherungsnehmer und Halter ist rechtskräftig beendet - im Regreßweg gemäß § 158 f. VersVG den Ersatz ihrer Leistungen an den geschädigten Dritten und die Feststellung der Ersatzpflicht für weitere derartige Leistungen. Sie behauptete, einerseits wegen Versäumung der Klagefrist nach § 12 Abs. 3 VersVG und andererseits aus dem Rechtsgrund der Gefahrerhöhung nach den §§ 23 und 25 VersVG leistungsfrei zu sein. Im Revisionsverfahren ist nur noch der erste Klagsgrund strittig.
Beide Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren aus der Erwägung ab, daß das Ablehnungsschreiben der Klägerin vom 6. September 1973 den Erfordernissen des § 12 Abs. 3 VersVG nicht entsprochen habe. Dieses Schreiben hat folgenden Wortlaut:
"Sehr geehrter Herr F!
Im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall vom 8. November 1972 in F wurde der obgenannte LKW-Zug über Auftrag des Polizeikommissariats F durch die technische Prüfstelle für den Kraftfahrzeugverkehr T begutachtet. Dabei wurde festgestellt, daß die Bremsanlage des Anhängers wesentliche Mängel aufwies, welcher Umstand als Mitursache für das Zustandekommen des Verkehrsunfalls anzusehen ist. Dieser Defekt an der Bremsanlage war bereits längere Zeit vor dem Unfall eingetreten und für Sie als Lenker des LKW-Zuges auf jeden Fall zu erkennen gewesen.
Aus diesem Gründe müssen wir Ihnen unter Hinweis auf die §§ 23 und 25 des Versicherungsvertragsgesetzes den Deckungsschutz versagen.
Zur Vermeidung des Verlustes der Entschädigungsansprüche aus dem Schadenfall vom 8. November 1972 steht Ihnen die Geltendmachung im Wege der Klage bei dem zuständigen Gericht innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach Zustellung dieses Ablehnungsschreibens frei. Wir machen Sie auf diese Frist gemäß § 12 Abs. III des Versicherungsvertragsgesetzes ausdrücklich aufmerksam.
§ 12 Abs. III Versicherungsvertragsgesetz lautet: ....."
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Klägerin nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß an das Schreiben des Versicherers, mit dem die Gewährung des Versicherungsschutzes nach § 12 Abs. 3 VersVG abgelehnt wird, besonders strenge Anforderungen gestellt werden müssen, weil die Fristsetzung für den Versicherungsnehmer oder Mitversicherten die Gefahr des Verlustes erworbener Rechte aus dem Versicherungsvertrag durch Versäumung der Klagefrist unabhängig davon mit sich bringt, ob die behauptete Leistungsfreiheit vorliegt. Die Ablehnungserklärung muß deshalb klar und unzweideutig erkennbar machen, in welchem Umfang er durch Versäumung der Klagefrist seinen Anspruch auf Versicherungsschutz einbüßt (ZVR 1973/224 u. v. a.). Der Versicherer darf keinen Zweifel daran lassen, daß durch die Unterlassung der rechtzeitigen Klage der Versicherungsanspruch, das ist der materielle Anspruch auf Deckung der Haftpflichtforderungen Dritter auf Grund des Versicherungsvertrages, zur Gänze verloren geht (Stiefel - Wussow - Hofmann, AKB[10] 385 f.; Pienitz - Flöter, AKB[4], 80 § 8, 5; Prölss - Martin, VVO[21], 125; Bruck - Möller, VVG[8] I, 266; BGH, VersR 1968, 589 u. a.).
Der Revisionswerberin ist zuzugeben, daß ihr Ablehnungsschreiben vom 6. September 1973 mit der Mitteilung, daß sie unter Hinweis auf die §§ 23 und 25 VersVG den Deckungsschutz versagen müsse, und mit der wörtlichen Wiedergabe des § 12 Abs. 3 VersVG der eingangs dargestellten Forderung in einem gewissen Maße entsprochen hat. Die Vorinstanzen haben aber richtig erkannt, daß das Ablehnungsschreiben dennoch zu Mißverständnissen Anlaß geben konnte und deshalb nicht dem Gesetz entsprach. Die Formulierung, daß dem Empfänger des Schreibens die Geltendmachung im Wege der Klage "frei stehe", ist allerdings noch vertretbar, weil im gleichen Satz klargestellt wird, daß dies "zur Vermeidung des Verlustes" von Ansprüchen erforderlich wäre. Auch tritt der OGH der in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Rechtsansicht bei, daß es einer zusätzlichen Belehrung darüber, daß der Versicherte durch Unterlassung der Klage auch gegenüber einem Regreß des Versicherers den Einwand der Deckungspflicht verliere, nicht bedarf, zumal die Vorschriften der §§ 158c und f VersVG später als § 12 Abs. 3 VersVG geschaffen wurden und sie nur die Besserstellung der geschädigten Dritten und nicht jene des Versicherten bezweckten (Prölss - Martin, VVG[21], 126; Stiefel - Wussow - Hofmann, AKB[10], 385; Bauer, VersR 1972, 189, 191; BGH, VersR 1970, 755). Nach der zutreffenden Beurteilung der Vorinstanzen war aber die Fassung der Rechtsbelehrung, daß dem Beklagten - der in der Haftpflichtversicherung als Lenker mitversichert war - die Klagefrist zur Vermeidung des Verlustes "der Entschädigungsansprüche aus dem Schadensfall" gesetzt werde, insofern irreführend, als der Empfänger der Meinung sein konnte, durch die Unterlassung der Klage nur allfällige eigene Ersatzansprüche zu verlieren, ohne andererseits klar erkennen zu müssen, daß sich die Klägerin im Falle der Unterlassung der Klagsführung bei ihm für alle ihre Leistungen an die geschädigten Dritten regressieren werde. Unter Entschädigungsansprüchen werden nach dem allgemeinen Sprachgebrauch in erster Linie eigene Forderungen auf Entschädigung verstanden (vgl. in diesem Sinn §§ 100 und 156 VersVG), allenfalls noch Ansprüche auf Entschädigung (= Deckung) von Ersatzansprüchen Dritter gegen den Versicherten, nicht aber bereits gedeckte Ansprüche Dritter, deretwegen ein Regreß in Betracht kommt. Selbst die abschließende Zitierung des § 12 Abs. 3 VersVG konnte in diesem Fall die bereits veranlaßten Mißverständnisse nicht mehr mit Sicherheit beseitigen.
In der Entscheidung ZVR 1977/234 hat der OGH allerdings ein sehr ähnliches Ablehnungsschreiben der nunmehrigen Klägerin für ausreichend erachtet. Damals hatte der Versicherer aber wenigstens noch beigefügt, die Ablehnung des Deckungsschutzes bedeute, daß der mitversicherte Kfz-Lenker für alle Aufwendungen aus eigenem aufzukommen habe. Soweit die Rechtslage abgesehen von diesem Unterschied damals anders beurteilt worden sein sollte, vermöchte der OGH daran bei neuerlicher Prüfung aus den angeführten Gründen nicht festzuhalten.
Der OGH tritt deshalb der Meinung der Vorinstanzen bei, daß das Ablehnungsschreiben der Klägerin im vorliegenden Fall in seiner Gesamtheit dem Gebot der vollständigen und eindeutigen Belehrung des Versicherten über den Verlust des Deckungsschutzes aus der Haftpflichtversicherung nicht entsprach.
Anmerkung
Z52003Schlagworte
Regreßrecht, Hinweis nach § 158 f VersVGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0070OB00052.78.0111.000Dokumentnummer
JJT_19790111_OGH0002_0070OB00052_7800000_000