Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Jänner 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Schnattinger als Schriftführer in der Entlassungssache betreffend Rudolf A, AZ 11 b Ns 416/78 (früher 6 Ns 484/74) des Kreisgerichtes Steyr, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 19. März 1975, AZ 7 Bs 156/75 und jenen des Kreisgerichtes Steyr vom 24. März 1975, GZ 6 Ns 484/74-15, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schneider, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 19. März 1975, AZ 7 Bs 156/75, sowie der auf diesem beruhende Beschluß des Kreisgerichtes Steyr vom 24. März 1975, GZ 6 Ns 484/74-15, verletzen das Gesetz in den Bestimmungen der § 48 Abs. 1 und 49 StGB Diese Beschlüsse, die im übrigen unberührt bleiben, werden im Ausspruch betreffend die Dauer und den Beginn der Probezeit, aufgehoben; ebenso werden alle darauf beruhenden Beschlüsse und Verfügungen, insbesondere die Beschlüsse des Kreisgerichtes Steyr vom 11. August 1978, GZ 11 b Ns 416/78-21, mit welchem die bedingte Entlassung des Rudolf A widerrufen wurde, und vom 20. Oktober 1978, Gz 11 b Ns 416/78-25, mit dem der Antrag auf Gewährung eines Aufschubes der Vollziehung der (Rest-)Freiheitsstrafe abgewiesen wurde, sowie die Verfügung vom 20. Oktober 1978, Punkt 3), 5), 6) und 7), enthaltend die Anordnung der Verständigungen von diesem Widerruf, die Strafvollzugsanordnung, die Strafantrittsaufforderung und die (allfällige) Vorführung zum Strafantritt, aufgehoben und es wird gemäß dem § 292 StPO in Verbindung mit dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Die Probezeit dauert ein Jahr.
Der Antrag der Staatsanwaltschaft Steyr vom 9. August 1978, die bedingte Entlassung des Rudolf A zu widerrufen, wird abgewiesen. Die bedingte Nachsicht des vorerwähnten Strafrestes wird mit 28. März 1975 für endgültig erklärt (§ 48 Abs. 3 StGB).
Mit seiner Beschwerde gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Steyr vom 20. Oktober 1978, GZ 11 b Ns 416/78-25, wird Rudolf A auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
I./ Aus den Akten 11 b Ns 416/78 (früher 6 Ns 484/74) des Kreisgerichtes Steyr, 15 Vr 864/73 und 26 Vr 4106/77 des Landesgerichtes Innsbruck sowie U 791/73 und U 620/77 des Bezirksgerichtes Rattenberg ergibt sich folgender Sachverhalt:
Der am 12. April 1927 geborene Rudolf A wurde mit dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. September 1973, GZ 15 Vr 864/73-20, wegen des Verbrechens der versuchten Notzucht nach den § 8, 125 StG und der übertretung gegen die körperliche Sicherheit nach den § 431, 432 (337 lit. b) StG zu einer schweren Kerkerstrafe von zwei Jahren sowie mit der Strafverfügung des Bezirksgerichtes Rattenberg vom 5. Oktober 1973, GZ U 791/73-4, wegen der übertretung der vorsätzlichen Körperverletzung nach dem § 411
StG zu einer Geldstrafe von 800 S, im Nichteinbringungsfall vier Tage Arrest, rechtskräftig verurteilt.
Die Freiheitsstrafe von zwei Jahren verbüßte der Verurteilte ab dem 12. November 1973. Unter Berücksichtigung der wegen Uneinbringlichkeit der Geldstrafe von 800 S erfolgten Beschlußfassung vom 11. Februar 1974, GZ U 791/73-6 des Bezirksgerichtes Rattenberg, die Ersatzfreiheitsstrafe von vier Tagen (im Anschluß an die zweijährige Freiheitsstrafe) zu vollziehen, wurden - ungeachtet der am 26. November 1974 erfolgten Bezahlung der Geldstrafe (siehe Erlagschein bei ON 4 und Ablichtung des Empfangscheines /umjournalisiert/ in U 791/73) - die zeitlichen Voraussetzungen für die bedingte Entlassung des Strafgefangenen Rudolf A (offenbar gemäß dem § 46 Abs. 1 und 3 StGB) mit 15. März 1975 angenommen (siehe S. 15 in 6 Ns 484/74 des Kreisgerichtes Steyr).
Mit dem Beschluß vom 20. Februar 1975, GZ 6 Ns 484/ 74-10, lehnte das Kreisgericht Steyr als Vollzugsgericht (vorerst) die bedingte Entlassung des Strafgefangenen ab.
Der gegen diesen Beschluß erhobenen Beschwerde des Strafgefangenen gab das Oberlandesgericht Linz mit dem Beschluß vom 19. März 1975, AZ 7 Bs 156/75 (= ON 14 in 6 Ns 484/74), dahin Folge, daß dem Strafgefangenen gemäß dem § 46 Abs. 1 StGB der Rest der über ihn mit dem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4. September 1973, GZ 15 Vr 864/73-20, verhängten Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen wurde. Zugleich setzte das Oberlandesgericht Linz die Dauer der Probezeit mit drei Jahren, beginnend mit dem Tage der Entlassung, fest. Ferner sprach es aus, daß die Durchführung der (bedingten) Entlassung dem Kreisgericht Steyr obliege.
Das Kreisgericht Steyr verfügte daraufhin am 24. März 1975 unter Verwendung des StPO-Form. BedEnt. 2 die bedingte Entlassung Rudolf A mit 28. März 1975, ersichtlich gemäß dem § 46 Abs. 3 StGB von der Gesamtdauer der - seiner Meinung nach - unmittelbar nacheinander zu verbüßenden Strafen zu diesem Zeitpunkt auf Grund der beiden mit den eingangs erwähnten Erkenntnissen von insgesamt zwei Jahren und vier Tagen ausgehend, sohin mit einem Strafrest von sieben Monaten und 19 Tagen gemäß dem § 46 Abs. 1 StGB und bestimmte, der zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz vom 19. März 1975 folgend, die Probezeit mit drei Jahren. Die Entlassung erfolgte am 28. März 1975, 07 Uhr (S. 3 sowie ON 15 und 17 der Akten 11 b Ns 416/78 des Kreisgerichtes Steyr).
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Steyr vom 9. August 1978 (S. 36) widerrief das Kreisgericht Steyr mit dem Beschluß vom 11. August 1978, GZ 11 b Ns 416/78-21, gemäß dem § 53 Abs. 1 StGB die bedingte Entlassung, weil Rudolf A wegen innerhalb der Probezeit von drei Jahren begangener strafbarer Handlungen, und zwar vom Landesgericht Innsbruck am 19. Dezember 1977, GZ 26 Vr 4106/77-5 (Protokollsund Urteilsvermerk) wegen des Vergehens des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB und vom Bezirksgericht Rattenberg am 17. März 1978, GZ U 620/77-17 (Protokolls- und Urteilsvermerk), wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach dem § 198 Abs. 1 StGB, verurteilt worden war.
Dieser Beschluß ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen. Der Antrag des Rudolf A auf Gewährung eines Strafaufschubes bis Ende Oktober 1979 wurde mit Beschluß des Vollzugsgerichtes vom 20. Oktober 1978, GZ 11 b Ns 416/78-25, gemäß dem § 6 Abs. 1 Z 1 StVG abgewiesen und der Vollzug des Strafrestes angeordnet. über seine dagegen erhobene Beschwerde vom 8. November 1978 (ON 27) wurde noch nicht entschieden. Der Verurteilte hat die (Rest-)Strafe noch nicht angetreten.
Rechtliche Beurteilung
II./ Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 19. März 1975, AZ 7 Bs 156/75, und die darauf beruhende beschlußmäßige Verfügung der bedingten Entlassung durch das Kreisgericht Steyr vom 24. März 1975, GZ 6 Ns 484/74-15, stehen insoweit mit dem Gesetz nicht im Einklang, als die Probezeit mit drei Jahren, beginnend mit dem Tag der Entlassung, festgesetzt wurde.
Denn gemäß dem § 48 Abs. 1 StGB dauert die Probezeit bei der bedingten Entlassung aus einer zeitlichen Freiheitsstrafe so lange wie der bedingt nachgesehene Strafrest, mindestens aber ein Jahr und höchstens fünf Jahre.
Daraus folgt, daß im vorliegenden Fall, weil der (angenommene) Strafrest weniger als ein Jahr, nämlich sieben Monate und 19 (richtig: 15) Tage, betrug, die Probezeit nur mit einem Jahr hätte festgesetzt werden dürfen. Gemäß dem § 49
StGB beginnt die Probezeit mit der Rechtskraft der Entscheidung, mithin vorliegendenfalls am 24. März 1975; allerdings werden Zeiten, in denen der Verurteilte auf behördliche Anordnung angehalten worden ist, sohin auch die Zeit bis zur Entlassung auf Grund der bedingten Strafnachsicht (hier: bis 28. März 1975), in die Probezeit nicht eingerechnet. Die rechtsirrige Bemessung der Probezeit mit drei Jahren hat sich zum Nachteil des bedingt Entlassenen ausgewirkt. Denn bei - im Sinne der § 48, 49 StGB - richtiger Berechnung des Probezeitendes mit 28. März 1976 (vgl. dazu u.a. ÖJZ-LSK 1975/51) könnte die vorerwähnte Verurteilung durch das Landesgericht Innsbruck vom 19. Dezember 1977 zu 26 Vr 4106/77 (Tatzeit: 13. Oktober 1977) nicht als Widerrufsgrund im Sinne des § 53 StGB angesehen werden.
Die Tatzeiten der Unterhaltsverletzungen, welche Gegenstand der Verurteilung durch das Bezirksgericht Rattenberg vom 17. März 1978 zu U 620/77 sind, reichen zwar in die Probezeit (erster Tatzeitraum: April 1975 - Dezember 1976); jedoch war deshalb bei Ablauf der Probezeit kein Strafverfahren gegen Rudolf A anhängig (Einlangen der Anzeige erst am 11. Juli 1977), sodaß gemäß dem letzten Halbsatz des § 56
StGB der Widerruf am 11. August 1978 nicht mehr zulässig war. Aus den dargelegten Gründen war über die von der Generalprokuratur zur Wahrung des Gesetzes erhobene Nichtigkeitsbeschwerde spruchgemäß zu entscheiden.
Anmerkung
E01666European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00195.78.0111.000Dokumentnummer
JJT_19790111_OGH0002_0120OS00195_7800000_000