Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Racek und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Friedrich und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brachtel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Paul A wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs. 1, 129 Z. 1 StGB. und anderer strafbarer Handlungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12.Oktober 1978, GZ. 6 a Vr 3614/78-76, den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
über die Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Text
Gründe:
Das Schöffengericht erkannte den am 1.Jänner 1952
geborenen, zuletzt beschäftigungslosen Installateur Paul A des Verbrechens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1, 129 Z. 1 StGB. sowie der Vergehen des Betrugs nach § 146, 147 Abs. 1 Z. 1 und 15 StGB. und nach § 9 Abs. 1 Z. 1 und 2 SuchtgiftG. schuldig. Er ficht die Schuldsprüche wegen Diebstahls (III) und wegen überlassens von Suchtmitteln (IV 1-4) aus § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. an.
Inhaltlich des Urteils hat der drogensüchtige Beschwerdeführer am 19. April 1978 dem praktischen Arzt Dr. Ludwig B aus dessen Ordination in Ottakring acht Ampullen Heptadon und eine Barschaft von 200 S durch Nachsperre (mit einem Sperrhaken) gestohlen. Der Nichtigkeitswerber greift einen Teil der in der Hauptverhandlung abgelegten Aussage des Zeugen Dr. B heraus, wonach bei ihm schon früher einmal eingebrochen und Heptadon gestohlen worden sei und wonach er beim zweiten Mal (dem urteilsgegenständlichen Fall) außer den Heptadon-Ampullen einen Geldbetrag von 300 S, das örzteverzeichnis, das Medikamentenverzeichnis, Krankengeschichten bzw. Befunde (vom Angeklagten zugegeben: neunzehn Stück - S. 437) und Rezepte vermißt habe (S. 444 bis 449); da der Zeuge den Täter nicht betreten hat, konnte er nur Mutmaßungen darüber anstellen, wie der Diebstahl bewerkstelligt worden ist. Der Beschwerdeführer erblickt in der Bezugnahme des Gerichts auf diese Aussage mit dem Argument eine mangelhafte Begründung, daß Vermutungen eines Zeugen keine Feststellungsgrundlage abgeben.
Der Schöffensenat hat dem Zeugen Dr. B vollen Glauben geschenkt, weil er einen ausgezeichneten persönlichen Eindruck hinterließ und für die Richtigkeit seiner Darstellung auch innere Gründe sprechen. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann insoweit im einzelnen auf die Urteilsausführungen verwiesen werden (S. 465, 466); dies umso mehr, als die erste der beiden Begründungen für die Annahme der Glaubwürdigkeit des Zeugen ausreicht (vgl. RiZ. 1970 S. 16 u. v.a.m.). Darnach hat das Gericht festgestellt, daß die Tür vom Wartezimmer zum Ordinationsraum und in letzterem die Lade des Schreibtischs Dris. B versperrt waren, daß sich gegen 12 Uhr 30, als der Arzt das Wartezimmer für die Patienten öffnete, in dem Schreibtisch acht Ampullen Heptadon und etwa 200 S Bargeld befanden und daß beim Beginn der Ordination um 15 Uhr das Medikament, die Barschaft sowie vom Schreibtisch neunzehn Krankengeschichten (Befunde) und diverse Rezepte fehlten (S. 459 f.). Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung (S. 437, 448) zugegeben, Befunde und Rezeptformulare vom Schreibtisch genommen zu haben (sie wurden sichergestellt). Er will dies allerdings während der Behandlung durch Dr. B in einem unbeobachteten Augenblick getan haben; auf Grund der Aussage des Zeugen und der örtlichen Situation wurde diese Möglichkeit vom Gericht ausgeschlossen.
Da ferner kein Anhalt dafür vorhanden ist, daß der Beschwerdeführer jemals in den Besitz von Schlüsseln zur Ordination und Schreibtisch gekommen sei, schloß der Gerichtshof denkfolgerichtig, daß sich A zwischen 12 Uhr 30 und 15 Uhr die später fehlenden Sachen mittels Verwendung eines Sperrhakens verschaffte, der für die Öffnung einfacher Schlösser genügt (S. 445, 460, 466).
Die Unglaubwürdigkeit der den Diebstahl der Barschaft und des Medikaments sowie die Nachsperre bestreitenden Verantwortung des Angeklagten unterstrich das Gericht zusätzlich mit der Erwägung, daß er diese Verantwortung mehrmals wechselte (S. 467). Vor der Polizei hatte der Beschwerdeführer zunächst behauptet, nicht zu wissen, woher die Rezepte stammen (S. 247 unten), später aber zugegeben, sie dem Dr. B entfremdet zu haben (S. 248); dann wollte er sich vor dem Untersuchungsrichter entsinnen, die Wegnahme aus einem Seitenkästchen des Schreibtischs mittels einer Ablenkung des Arztes zustande gebracht zu haben (S. 189 b) und schließlich schilderte er den Vorgang in der Hauptverhandlung ganz anders, nämlich so, daß ein rascher Griff genügt habe, um 'vom Tisch' (also offenkundig von der Schreibtischplatte) die Befunde und die Rezeptformulare an sich zu nehmen (S. 437, 447, 449). Zusammenfassend ist darum zu sagen, daß der Gerichtshof im Diebstahlsfaktum seiner Begründungspflicht gemäß § 270 Abs. 2 Z. 5 StPO. nachgekommen ist, während in der Beschwerde letzten Endes nur gegen die im Nichtigkeitsverfahren unanfechtbare Beweiswürdigung fruchtlos polemisiert wird. Das gilt namentlich für die dort in Betracht gezogene, rein hypothetische Möglichkeit, daß der Einbruch in das Ordinationszimmer von anderen Personen verübt worden sein könnte (S. 495 oben). Daß der Rechtsmittelwerber in übereinstimmung mit der entsprechenden Angabe des Zeugen Dr. B vor dem Untersuchungsrichter (S. 376) und mit der Anklageschrift nur wegen Diebstahls von 200 S (und nicht von 300 S, vgl. S. 445) verurteilt wurde, kann ihn nicht beschweren (§ 282 StPO.). Im gleichen Rahmen verpönter Tatsachenbekämpfung hält sich aber auch das gegen die Feststellung der Weitergabe von Suchtmitteln (Schuldspruch IV 1-4) gerichtete Beschwerdevorbringen. Daß das Schöffengericht den hier als Entlastungszeugen aufgetretenen Suchtgiftempfängern keinen Glauben beigemessen hat, ist richtig, stellt aber keinen Begründungsmangel dar. Die dafür angegebenen Gründe stehen weder mit Verfahrensergebnissen noch mit den Denkgesetzen oder mit der Lebenserfahrung im Widerspruch. Zu dem vom Beschwerdeführer vermißten Eingehen auf jede Aussage im einzelnen war das Gericht schon deshalb nicht verpflichtet, weil § 270 Abs. 2 Z. 5 StPO. nur eine gedrängte Abfassung der Entscheidungsgründe vorschreibt. Was insbesonders Christine C und Auguste D betrifft, so hat der Beschwerdeführer im Verfahren 21 b Vr 2216/78 des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Zeuge unter Vorhalt des § 153 StPO. (S. 103) eingeräumt, der ersteren Heptadon, der letzteren Morphinlösung gegeben zu haben (S. 105). Daß der Rechtsmittelwerber dieses Zugeständnis im Fall D sofort wieder abgeschwächt hat, konnte bei der bereits geschilderten wechselhaften Verantwortung des Angeklagten das Erstgericht nicht hindern, nach der Verlesung des Akteninhalts (S. 450) seine Beurteilung des Sachverhalts auch darauf zu stützen.
Im übrigen haben im Vorverfahren Franz E den Bezug von (wenigstens) vier Ampullen Heptadon (S. 53), Kurt F den Bezug von zwei Ampullen Heptadon an zwei aufeinanderfolgenden Tagen (S. 49, 51, 97) und Auguste D den Empfang von Morphinlösung (S. 57) vom Beschwerdeführer bestätigt. Diese Depositionen konnten nach Vorlesung in der Hauptverhandlung (S. 450) als vollgültige Beweismittel dem Schuldspruch unterlegt werden (S. 463). Damit versagt die Mängelrüge zur Gänze.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO. schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Für die Verhandlung und Entscheidung über die Berufung wird ein Gerichtstag anberaumt werden (§ 296 Abs. 3 StPO.).
Anmerkung
E01720European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00202.78.0117.000Dokumentnummer
JJT_19790117_OGH0002_0100OS00202_7800000_000