Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Jänner 1979 unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Kießwetter, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Loesch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Rudolf Georg A wegen des Verbrechens des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 11. Oktober 1978, GZ. 7 a Vr 476/78-7, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß dem § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Rudolf Georg A wird von der Anklage, er habe am 8. März 1978 in Bad Hall als Beamter, und zwar in seiner Eigenschaft als Post- und Fernmeldefachadjunkt, mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich an ihren Vermögensrechten zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich mißbraucht, indem er aus dem Wertzeichenvorschuß des Aushilfsschalters des Postamtes Bad Hall einen Bargeldbetrag von 2.000 S entnommen und für private Zwecke verwendet habe, und er habe hiedurch das Verbrechen des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB oder allenfalls das Vergehen der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 StGB (in Verbindung mit dem § 313 StGB) begangen, gemäß dem § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rudolf Georg A des Verbrechens
des Mißbrauchs der Amtsgewalt nach dem § 302 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.
Nach den für den Schuldspruch maßgeblichen Feststellungen war der Angeklagte beim Postamt Bad Hall im Schalterdienst eingesetzt. In dieser Funktion hatte er zu Beginn seiner Tätigkeit einen aus zu verkaufenden Briefmarken, Postkarten, Vordrucken u.ö. bestehenden Wertzeichenvorschuß im Wert von 10.000 S sowie einige hundert Schilling Wechselgeld übernommen. Das beim Verkauf eingenommene Geld hatte er zu verwahren und nach dem Erreichen eines gewissen Kassastandes zum Nachfassen der verkauften Briefmarken und sonstigen Poststücke zu verwenden. Obwohl er wußte, daß jede Entnahme des zum Wertzeichenvorschuß gehörigen Bargelds für private Zwecke verboten war, verwendete er davon am 8. März 1978 aus Bequemlichkeit 2.000 S zur Bezahlung einer privaten Rechnung bei seiner Tankstelle. Er hatte vor und war in der Lage, diesen Betrag in den nächsten Tagen wieder in die Kassa einzulegen. Der Abgang wurde jedoch schon am folgenden Tag bei einer Kontrolle festgestellt, worauf er die Entnahme sofort zugab und den Fehlbetrag ersetzte.
Im Tatverhalten des Angeklagten sah das Erstgericht alle Tatbestandsmerkmale des § 302 Abs. 1 StGB verwirklicht, doch nahm es abweichend von der Anklage an, daß sein Vorsatz auf eine Schädigung nicht von Vermögensrechten des Staates, sondern nur von dessen konkretem Recht ihm gegenüber auf ordnungsgemäße und den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Verwahrung und Verwaltung der ihm anvertrauten öffentlichen Gelder gerichtet gewesen sei. In diesem speziellen Recht des Staates gegenüber dem Angeklagten hinwieder erblickt die Staatsanwaltschaft in ihrer zu dessen Gunsten erhobenen, auf den § 281 Abs. 1 Z. 9
lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bloß eine Äußerung des allgemeinen staatlichen Rechts gegenüber dem Beamten auf eine pflichtgemäße Amtsausübung, dessen vorsätzliche Schädigung schon begrifflich Voraussetzung eines jeden wissentlichen Befugnismißbrauchs ist und welches daher als Objekt eines darüber hinausgehenden Schädigungsvorsatzes im Sinn des § 302 Abs. 1 StGB nicht in Betracht kommt.
Rechtliche Beurteilung
Insoweit ist der Beschwerde wohl beizupflichten. Damit ist aber noch nicht ausreichend geklärt, ob sich der Vorsatz des Angeklagten nicht allenfalls auf ein anderes konkretes Vermögensrecht des Staates als das nach den Urteilsfeststellungen gleichfalls als Angriffsziel ausscheidende Recht an der Vermögenssubstanz erstreckt hat, wie etwa darauf, bei aktuellem Bedarf über die in staatlicher Verwahrung befindlichen öffentlichen Mittel verfügen und damit öffentliche Aufgaben erfüllen zu können, worauf mit einigen Formulierungen in der Urteilsbegründung und insbesondere mit dem Hinweis auf eine veröffentlichte Entscheidung (RZ. 1978/113) möglicherweise Bezug genommen werden soll.
Die Frage kann indessen auf sich beruhen, weil der Rechtsrüge jedenfalls aus einem anderen Gesichtspunkt Berechtigung zukommt. Mißbrauch der Amtsgewalt ist deren rechtswidriger Gebrauch. Er setzt demnach voraus, daß sich das Tatverhalten (mindestens phasenweise) als Ausübung der (damit in concreto mißbrauchten) Befugnis des Beamten zur Vornahme von Amtsgeschäften darstellt, also äußerlich als ein der Art nach in seine funktionelle Kompetenz fallendes Amtsgeschäft (RZ. 1978/
63 = verstärkter Senat), als ein Verhalten (Tun oder Unterlassen), zu dem er im Rahmen seiner Organstellung in abstracto berechtigt, das in concreto aber rechtswidrig ist (Erl. Bem. zur RV des StGB,
30. d. Beil. zu den sten. Prot.
des NR., XIII. GP., S. 455).
Ein Beamter, dem bloß die Verwahrung einer Sache obliegt, ohne daß ihm (über die damit verbundene manipulative Tätigkeit und über die Verpflichtung zur Rückgabe hinaus) weitere Verfügungen darüber zustehen, mißbraucht folglich mit einer solchen unberechtigten Verfügung nicht seine Amtsgewalt, weil er damit zwar rechtswidrig handelt, aber nicht im Rahmen einer ihm auch nur in abstracto zukommenden Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften. Dementsprechend konnte auch vor der Geltung des StGB ein derartiges Verhalten nicht als Mißbrauch der Amtsgewalt (§ 101 StG.), sondern nur als Amtsveruntreuung (§ 181 StG.) erfaßt werden (JBl. 1965 S. 592 u.a.).
Im vorliegenden Fall hatte der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen das beim Verkauf aus dem Wertzeichenvorschuß eingenommene Bargeld bloß zu verwahren und zum Nachfassen, also zum Abführen an seine Dienststelle zu verwenden. Von einer ihm zustehenden 'Verwaltung' der Verkaufserlöse im Sinn einer Befugnis zu irgendwelchen Verfügungen darüber, insbesondere etwa zu Entnahmen für Einkäufe o.dgl., kann daher ungeachtet der zum Teil dahin lautenden Terminologie des Urteils keine Rede sein. Daraus folgt, daß der Angeklagte - anders als die Täter in den zu 9 0s 168/76 =
RZ.
1977/44, 9 0s 117/77 = ÖJZ-LSK 1977/381, 10 0s 117/77 =
RZ 1978/63, 13 0s 54/78 = RZ. 1978/113 und 13 0s 170/78
n. v. entschiedenen Fällen - bei der ihm zur Last liegenden Entnahme von 2.000 S aus dem Wertzeichenvorschuß zur Bezahlung einer Rechnung nicht in Ausübung der ihm zustehenden Befugnis zur Vornahme von Amtsgeschäften gehandelt und folglich durch dieses gleichwohl widerrechtliche Verhalten nicht seine Amtsgewalt mißbraucht hat. Der Schuldspruch nach dem § 302 Abs. 1 StGB erweist sich demnach als verfehlt. Da der Angeklagte durch die ohne Bereicherungsvorsatz begangene Tat auch weder den Tatbestand der Veruntreuung nach dem § 133 StGB (in Verbindung mit der allenfalls anzuwendenden Strafschärfungsvorschrift des § 313 StGB), noch den einer anderen gerichtlich strafbaren Handlung verwirklicht hat, war er in Stattgebung der staatsanwaltschaftlichen Nichtigkeitsbeschwerde sofort freizusprechen.
Anmerkung
E01747European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0130OS00196.78.0125.000Dokumentnummer
JJT_19790125_OGH0002_0130OS00196_7800000_000