TE OGH 1979/2/15 12Os186/78

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Veröffentlicht am 15.02.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Februar 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Umlauft als Schriftführer in der Strafsache gegen Ernst A und andere Angeklagte wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach den § 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB und anderen strafbaren Handlungen über die vom Angeklagten Ernst A gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29.August 1978, GZ. 3 a Vr 8193/77-67, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Ausführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Haindl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil hinsichtlich des Angeklagten Ernst A zur Gänze aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3

StPO in der Sache selbst erkannt:

Ernst A wird von der wider ihn erhobenen Anklage im Dezember 1977 in Wien Sachen, die ein anderer durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen, nämlich Josef B durch den zu Punkt I a der Anklage bezeichneten Diebstahl (am 5.Dezember 1977 in Wien zum Nachteil der Edeltraud C) erlangt hat, an sich gebracht zu haben und zwar 1 goldene Damenanhängeruhr mit Mondmotiv, 1 goldene Brosche mit Rubinen und Perlen, 1 Goldkette und 1 Goldmedaillon, Barockmuster im Gesamtwert von 13.800 S durch Ankauf von Edmund D um den Betrag von 670 S, er habe dadurch das Vergehen der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 StGB begangen, gemäß § 259 Z. 4 StPO freigesprochen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Ernst A auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO wird dem Angeklagten Edmund D die polizeiliche Verwahrungshaft vom 5.Dezember 1977, 19 Uhr 45 bis 7. Dezember 1977, 12 Uhr 20 auf die Strafe angerechnet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde u.a. der am 3.September 1946 geborene Goldschmiedemeister Ernst A des Vergehens des fahrlässigen Ansichbringens von Sachen nach § 165 (§ 164 Abs. 1 Z. 2) StGB schuldig erkannt.

Ihm liegt zur Last, daß er am 5.Dezember 1977 in Wien fahrlässig Goldwaren, nämlich eine Damenanhängeruhr, eine Brosche mit Rubinen und Perlen, eine Kette und ein Medaillon im (Bruchgold-) Wert von 670 S, welche der Mitverurteilte Josef B durch Diebstahl erlangt hatte, von dem der Hehlerei schuldigen Edmund D um den genannten Preis kaufte (Punkt IV des Urteilssatzes).

Dieses Urteil bekämpft Ernst A mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z. 4, 5, 9 lit. a (sachlich auch lit. b) und 11 des § 281 Abs. 1 StPO Soweit die Beschwerde auf den letztgenannten Nichtigkeitsgrund gestützt wird, hat sie der Beschwerdeführer im Gerichtstag zurückgezogen.

In der Abweisung seines Antrags, Hildegard E als Zeugin darüber zu vernehmen, daß er von Edmund D einen Ausweis sowie die Angabe von Namen und Adresse verlangt und dieser einen guten Eindruck gemacht habe (S. 398-399), erblickt der Beschwerdeführer den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO, der jedoch nicht gegeben ist. Denn das Erstgericht hat ohnehin als erwiesen angenommen, daß der Beschwerdeführer von D (vorerst) Ausweisleistung forderte (S. 415), ihm aber - ohne hiebei aus dem von D erweckten Eindruck irgendwelche dem Beschwerdeführer nachteiligen Schlußfolgerungen abzuleiten - als Fahrlässigkeitsschuld der Sache nach angelastet, daß er, als D sich (trotz Aufforderung seitens des Beschwerdeführers) nicht legitimierte, den Ankauf gleichwohl tätigte und es seiner sonstigen Gepflogenheit zuwider unterließ, die (vorgebliche) Personsidentität des Verkäufers festzuhalten (S. 419). Diese Annahmen entsprechen aber dem Tatsachengeständnis des Beschwerdeführers (S. 366, 399). Durch das Unterbleiben des beantragten Zeugenbeweises wurden sohin keine Verteidigungsrechte beeinträchtigt.

Entgegen dem § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO relevierenden Beschwerdevorbringen stehen die eben wiedergegebenen - entscheidenden - Urteilsfeststellungen mit sich selbst nicht im Widerspruch. Sie sind aber auch, wie schon erwähnt, mit der Bezugnahme auf die Ergebnisse der Hauptverhandlung, in der die betreffenden Tatsachen vom Beschwerdeführer als richtig zugegeben wurden, zureichend begründet. Dem von der Beschwerde als übergangen reklamierten Umstand, daß D auf Befragen über die Herkunft der Schmuckgegenstände eine dem Beschwerdeführer unbedenklich scheinende Auskunft gab - über deren Inhalt übrigens die Darstellungen des Beschwerdeführers (S. 366, 399: 'sein Eigentum') und des Mitangeklagten D (S. 391: 'von meiner Schwester oder Freundin') nicht übereinstimmen -, kommt hingegen nach Lage des Falles, wie noch dargetan werden wird, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu.

Mit seiner Rechtsrüge nach § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO - hierher gehört sachlich auch der unter Z. 5 dieser Gesetzesstelle erhobene Vorwurf einer Undeutlichkeit und Unvollständigkeit der rechtlichen Erwägungen des Urteils - bestreitet der Beschwerdeführer, im Sinne des § 6 (Abs. 1) StGB fahrlässig gehandelt zu haben. Diesem Vorbringen ist folgendes entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Das Maß der einzuhaltenden (objektiven) Sorgfaltspflicht richtet sich in Ermangelung einschlägiger Rechtsvorschriften nach den Gepflogenheiten der gewissenhaften und verständigen Angehörigen des jeweiligen Verkehrskreises (EvBl. 1965/280 u.a.; Burgstaller, Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht S. 50 ff.). Diesbezüglich hat der Beschwerdeführer sinngemäß angegeben, daß er selbst in seinem Gewerbebetrieb von (ihm unbekannten) Personen, welche ihm Goldwaren zum Kauf anbieten, Ausweisleistung zu verlangen und deren (nachgewiesene) Personaldaten zu notieren pflegt (S. 226, 366). Ist aber der Anbietende - wie im vorliegenden Fall - nicht imstande (oder nicht gewillt), den von ihm geforderten Identitätsnachweis zu erbringen, so muß dieser Umstand als geeignet angesehen werden, bei Einhaltung der für einen Goldwarenhändler nach der Verkehrssitte gebotenen Sorgfaltspflicht Bedenken in der Richtung eines strafbaren Vorerwerbs der angebotenen Goldwaren zu erwecken. Die nach den Umständen unüberprüfbare Auskunft eines solchen Verkäufers auf die Frage, wem die angebotenen Waren gehören, bietet erfahrungsgemäß keinerlei Gewähr für deren rechtmäßige Herkunft.

Wenn auch die früher im § 473 StG. speziell für bestimmte Gewerbetreibende, u.a. für Goldarbeiter, normierte Verbindlichkeit, einen verdächtigen Verkäufer anzuhalten, nicht (mehr) besteht, verletzt demnach eine Sorgfaltspflicht und handelt somit unter den weiteren Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 StGB fahrlässig, wer unter Außerachtlassung der umschriebenen, gerade Angehörige der genannten Berufsgruppen in erster Linie treffenden Sorgfalt Sachen, die ein anderer durch eine mit Strafe bedrohte Handlung gegen fremdes Vermögen erlangt hat, an sich bringt, verheimlicht oder verhandelt. Daß aber auch die weiteren Voraussetzungen fahrlässigen Handelns nach § 6 Abs. 1 StGB im Fall des Beschwerdeführers zutreffen, kann umso weniger bezweifelt werden, als keine Umstände vorliegen, denen zufolge er nach seinen Verhältnissen zu der erwähnten Sorgfalt etwa nicht befähigt oder diese ihm nicht zuzumuten gewesen wäre. Seine Handlungsweise wurde daher zu Recht dem Tatbestand des § 165 StGB unterstellt, mögen auch die sonstigen Umstände des Handels (wie Ort und Zeit des Anbots, Art und Menge der angebotenen Ware, vereinbarter Preis) an sich unbedenklich geschienen haben. Hingegen ist die Nichtigkeitsbeschwerde berechtigt, soweit der Beschwerdeführer den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. b (letzter Fall) des § 281 Abs. 1 StPO geltend macht und das Vorliegen der Voraussetzungen des § 42 StGB (mangelnde Strafwürdigkeit der Tat) behauptet.

Gemäß § 42 Abs. 1 StGB ist eine von Amts wegen zu verfolgende Tat, die nur mit Geldstrafe, mit nicht mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe oder mit einer solchen Freiheitsstrafe und Geldstrafe bedroht ist, dann nicht strafbar, wenn 1. die Schuld des Täters gering ist, 2. die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies 3. eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Täter von strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Zunächst schließt die Strafdrohung des § 165 StGB die Anwendung des § 42 Abs. 1 StGB nicht aus. Auch die Schuld des Täters ist noch als gering zu bezeichnen. Die Umstände des vorliegenden Handels waren an und für sich unbedenklich. Relativ geringwertige Goldwaren wurden in der Geschäftszeit im Lokal des Angeklagten angeboten. Art und Menge der Goldwaren waren keineswegs verdächtig, der vereinbarte Preis war angemessen. Die Fahrlässigkeit des Angeklagten, die lediglich darin bestand, daß er es unterließ, entgegen der für einen Goldwarenhändler nach der Verkehrssitte gebotenen Sorgfaltspflicht auf die Ausweisleistung des Verkäufers zu bestehen, bleibt erheblich hinter dem in der betreffenden Strafdrohung des § 165 StGB typisierten Unrechts- und Schuldgehalt zurück. Art, Ausmaß und Wichtigkeit aller effektiven Nachteile für den durch den Diebstahl betroffenen Eigentümer der Goldwaren und für die Gesellschaft im Ganzen, sind gering. Die Folgen der Tat sind somit unbedeutend. Bei dem unbescholtenen Angeklagten ist eine Bestrafung aus spezialpräventiven Erwägungen nicht erforderlich. Sie ist aber auch nicht geboten, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Der Unwert der Tat liegt somit noch unter der Grenze der Strafwürdigkeit, sodaß kein Strafbedürfnis besteht und § 42 StGB angewendet werden kann.

Es war somit der Nichtigkeitsbeschwerde aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StGB Folge zu geben, das Urteil hinsichtlich des Angeklagten Ernst A zur Gänze aufzuheben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3

StPO ein Freispruch gemäß § 259 Z. 4 StPO zu fällen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Das Ersturteil ist ferner zum Nachteil des Angeklagten Edmund D, der keine Rechtsmittel ergriffen hat, mit einer Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO insofern behaftet, als diesem Angeklagten unter Verstoß gegen § 38 StGB die (polizeiliche) Verwahrungshaft, in der er sich in diesem Verfahren nach der Aktenlage vom 5.Dezember 1977, 19 Uhr 45, bis 7.Dezember 1977, 12 Uhr 20, befunden hat (S. 43), nicht auf die (bedingt nachgesehene Freiheits-) Strafe angerechnet wurde. Dieses dem Erstgericht unterlaufene Versehen war gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen und die unterbliebene Vorhaftanrechnung demgemäß nachzuholen.

Anmerkung

E01815

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00186.78.0215.000

Dokumentnummer

JJT_19790215_OGH0002_0120OS00186_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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