Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 15.Februar 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Steininger als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Umlauft als Schriftführer in der Strafsache gegen Günter A wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 4 (81 Z. 2) StGB über die von der Staatsanwaltschaft Korneuburg gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Jugendschöffengericht vom 24.Oktober 1978, GZ. 11 d Vr 579/78-80, erhobene Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, der Auführungen des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Lock und der Ausführungen des Generalanwaltes Dr. Gehart, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird dahin Folge gegeben, daß über den Angeklagten unter Ausschaltung des § 37 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 Monaten verhängt wird. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird diese Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 26.November 1961 geborene Installateurlehrling Günter A des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1, und 4 (81 Abs. 2) StGB schuldig erkannt und hiefür nach § 88 Abs. 4, zweiter Fall StGB unter Anwendung der § 11 Z. 1 JGG. und 37 StGB zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen, im Falle der Uneinbringlichkeit zu 60 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt, wobei die Höhe des Tagessatzes mit S 30,-- bestimmt wurde. Bei der Strafzumessung nahm das Erstgericht als erschwerend keinen Umstand, als mildernd das reumütige Geständnis, die eigene schwere Verletzung und den relativ geringen Grad der Alkoholisierung an. Gegen dieses Urteil haben der Angeklagte das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und eine 'Schuldberufung', die Staatsanwaltschaft Berufung ergriffen. Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Schuldberufung des Angeklagten wurden bereits mit Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 17.Jänner 1979, GZ. 12 Os 198/78-4, - welchem der nähere Sachverhalt zu entnehmen ist -, in einer nichtöffentlichen Beratung zurückgewiesen. Gegenstand des Gerichtstages ist somit nur mehr die Entscheidung über die Berufung der Anklagebehörde, mit welcher diese die Verhängung einer (unbedingten) Freiheitsstrafe an Stelle der Geldstrafe begehrt.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung der Staatsanwaltschaft ist teilweise berechtigt. Bei im alkoholisierten Zustand begangenen Verkehrsdelikten wird von der Bestimmung des § 37 StGB nicht nur aus spezialpräventiven, sondern insbesonders aus generalpräventiven Gründen nur in Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden können. Die erforderliche Einsicht, daß der Genuß von Alkohol vor Antritt einer Fahrt mit einem Motorfahrrad mit besonderer Gefahr für Leib, Leben und körperlichen Sicherheit von anderen verbunden ist, kann auch bei einem das 16. Lebensjahr überschritten habenden Jugendlichen, welchem gesetzlich die Berechtigung zum Lenken eines solchen Fahrzeuges eingeräumt ist, wie bei erwachsenen Personen vorausgesetzt werden, sodaß aus dem Alter des Angeklagten bei der Wahl der Strafart besondere Präverenzen für eine Geldstrafe nicht zu gewinnen sind.
Auch im übrigen liegt ein besonderer Ausnahmefall nicht vor, da der begangene Fahrfehler ohne Verschulden Dritter unterlaufen und für die, wenn auch nicht erhebliche Alkoholisierung typisch ist. Die eigene Verletzung wiegt nicht so schwer, um von ihr allein eine besonders nachhaltige Wirkung auf den Täter erwarten zu lassen. So gesehen war es verfehlt, von den Bestimmungen des § 37 StGB Gebrauch zu machen und über den Angeklagten eine (wenn auch unbedingte) Geldstrafe zu verhängen.
Ausgehend von dem vom Erstgericht im übrigen richtig und vollständig erkannten Strafzumessungsgründen erschien dem Obersten Gerichtshof bei Prüfung aller Umstände des Falles und unter Bedachtnahme auf die im § 32 StGB festgelegten allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten tat- und schuldangemessen.
Dem weiteren Berufungsbegehren der Anklagebehörde, die Freiheitsstrafe aus generalpräventiven Gründen nicht bedingt nachzusehen, konnte hingegen nicht gefolgt werden.
Richtig ist, daß die Frage, ob bei einem vom Täter in alkoholisiertem Zustand verschuldeter Verkehrsunfall die Strafe bedingt nachzusehen ist, grundsätzlich nach einem strengen Maßstab zu beurteilen ist und daß derartige Straftaten in der Regel sowohl aus spezial- wie auch aus generalpräventiven Erwägungen die Ahndung durch eine auch tatsächlich zu vollstreckende Strafe erfordern, weil nur dadurch die Strafzwecke erreicht werden können. § 43 Abs. 1 StGB schließt aber die Gewährung bedingter Strafnachsicht - sofern eine ein Jahr nicht übersteigende Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe verhängt wird - bei keinem Delikt von vornherein aus. Es muß vielmehr stets unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles geprüft werden, ob die bloße Androhung der Vollstreckung der Strafe (allein oder in Verbindung mit anderen Maßnahmen) genügen werde, um den Täter von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, und es nicht des Vollzugs der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Dabei sind vor allem die Art der Tat, aber auch die Person des Rechtsbrechers, der Grad seiner Schuld, sein Vorleben und sein Verhalten nach der Tat zu berücksichtigen. Aus spezialpräventiver Sicht entscheidet allein der Umstand, ob die in Schwebe bleibende Strafdrohung aus besonderen Gründen kriminalpolitisch als das zweckmäßigere Mittel anzusehen ist, um den Täter in Hinkunft vor einem Rückfall zu bewahren und ihn zu resozialisieren. Unter diesen Gesichtspunkten ist allerdings der geringe Grad der Alkoholisierung und die wenn auch nicht bedeutende eigene Verletzung soweit von Bedeutung, daß es nicht der Vollziehung der Freiheitsstrafe bedarf, um spezialpräventiv die erforderliche Wirkung zu erzielen.
Da aber gerade bei jugendlichen Rechtsbrechern die bei Delikten dieser Art sonst im Vordergrund stehenden generalpräventiven Erwägungen hinter jene der Spezialprävention zurückzutreten haben, wie letztlich auch die Fassung des § 11 Z. 3 JGG. erkennen läßt, erlauben diese nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes im konkreten Falle noch die Gewährung bedingter Strafnachsicht, ohne Belange der Generalprävention zu verletzen.
Da im übrigen nach der Judikatur eine unbedingte Geldstrafe gegenüber einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe als mildere Strafe anzusehen ist (SSt. 43/58), wirkt sich die vorliegende Entscheidung im Ergebnis auch zum Nachteil des Angeklagten aus und ist besser als eine Geldstrafe geeignet, die erforderlichen Strafzwecke erreichen.
Insoweit war der Berufung der Staatsanwaltschaft ein Erfolg zu versagen und im übrigen wie im Spruche zu erkennen. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E01761European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00198.78.0215.000Dokumentnummer
JJT_19790215_OGH0002_0120OS00198_7800000_000