TE OGH 1979/2/15 7Ob545/79

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Veröffentlicht am 15.02.1979
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Norm

CMR Art23
CMR Art24
CMR

Kopf

SZ 52/19

Spruch

Nach der CMR gebührt Ersatz nur für solche Folgeschäden und Verdienstentgang, die ausschließlich auf die Verspätung zurückzuführen sind. Für die Voraussetzungen einer Haftungsbegrenzung ist der Spediteur behauptungs- und beweispflichtig

OGH 15. Feber 1979, 7 Ob 545/79 (OLG Wien 2 R 2006/78; HG Wien 37 Cg 536/76)

Text

Die Beklagten kauften im Jahre 1973 von der Firma L. in Padua eine Besohlungsmaschine mit Kühlaggregat. Diese Maschine wurde im Auftrage der Firma L durch die Klägerin von Padua zu den Beklagten transportiert und bei den Beklagten abgeliefert. Nicht mehr strittig ist, daß die Klägerin berechtigt ist, ihre wegen des Transportes aufgelaufenen Forderungen gegen die Beklagten geltend zu machen. Unter Berücksichtigung eines Abzuges von 4 426.56 S für die Erneuerung des Kühlsystems beträgt die klägerische Forderung 65

544.90 S. Diesen Betrag macht die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit geltend.

Die Beklagten wendeten eine Gegenforderung von 23 567 S wegen Wertminderung der Maschine infolge mehrerer durch den Transport verursachter Schäden sowie Verdienstentgang von insgesamt 45 000 S mit der Begründung ein, infolge der Beschädigung der Maschine hätten Aufträge nicht erfüllt werden können.

Das Erstgericht sprach aus, daß die Forderung der Klägerin mit 65 544.90 S und die Gegenforderung der Beklagten mit mindestens dem selben Betrage zu Recht bestehen. Es wies daher das gesamte Klagebegehren ab. Hiebei stellte es fest, daß die Maschine bei Aufgabe durch die Firma L einwandfrei funktioniert hat. Im Zuge des Transportes erlitt sie jedoch mehrere Schäden, die mit größerem Zeitaufwand repariert werden mußten. Hiedurch ist dem Beklagten der behauptete Verdienstentgang von 45 000 S erwachsen. Ferner hat die Maschine eine Wertminderung von 23 567 S erlitten. Die Klägerin hafte für den Ersatz dieser ihre Forderung übersteigenden Schäden.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es übernahm zwar dessen Feststellungen, vertrat jedoch den Rechtsstandpunkt, infolge Erhebung einer ordnungsgemäßen Rechtsrüge sei die Sache nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Infolge des Vorliegens eines grenzüberschreitenden Gütertransportes mittels LKW seien die Gegenforderungen der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der CMR zu beurteilen. Dieses Übereinkommen sehe aber den Ersatz des entgangenen Gewinnes nicht vor. Aus diesem Gründe bestunden die eingewendeten Gegenforderungen wegen Verdienstentganges im Gesamtbetrag von 45 000 S keinesfalls zu Recht. Für die Wertminderung der Maschine hafte die Klägerin zwar grundsätzlich, weil ihr der in der CMR vorgesehene Gegenbeweis nicht gelungen sei, doch müsse berücksichtigt werden, daß nach Art. 23 Abs. 4 CMR die Entschädigung 25 Goldfranken für jedes fehlende Kilogramm des Rohgewichts nicht übersteigen dürfe. Diese Höchstgrenze gelte auch bei Entwertung der ganzen Sendung durch Beschädigung. Wurde nur ein Teil der Sendung entwertet, so sei dieser Betrag die Höchstgrenze dessen, was bei Verlust des entwerteten Teiles zu zahlen wäre. Das Erstgericht habe zwar den Betrag der Wertminderung festgestellt, nicht jedoch den Wert des als Berechnungsbasis geltenden Goldfrankens und das Rohgewicht der Sendung. Zur Klärung dieser Frage müsse das Verfahren ergänzt werden.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten Folge und verwies die Rechtssache an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Abänderungsantrag ist verfehlt, weil der OGH auf Grund eines Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluß gemäß § 519 Z. 3 ZPO keine Sachentscheidung fällen kann (Fasching IV, 414; EvBl. 1958/28 u. a.).

Zu Unrecht wirft der Rekurs der Klägerin vor, ihre Berufungen hätte eine gänzliche Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles nicht gedeckt. Es ist zwar richtig, daß die Klägerin in ihrem Berufungsantrag nicht ausdrücklich die Abänderung des Punktes 3 des erstgerichtlichen Urteiles erwähnt hat, doch erstreckte sich die Anfechtungserklärung ebenso auf das erstgerichtliche Urteil in seiner Gesamtheit wie der in erster Linie gestellte Aufhebungsantrag. Der Punkt 1 des erstgerichtlichen Urteiles, demzufolge die eingeklagte Forderung mit 65 544.90 S zu Recht besteht, konnte naturgemäß von der Klägerin nicht bekämpft werden. Ihr Bestreben mußte auf eine Abänderung des Punktes 2 in dem die eingewendeten Gegenforderungen als zu Recht bestehend erkannt wurden, gerichtet sein. Demnach entspricht der Abänderungsantrag der Berufung dem Rechtsstandpunkt der Klägerin. Der Punkt 3 des erstgerichtlichen Urteiles ist nur das notwendige Ergebnis aus den beiden vorangegangenen Punkten. Bleibt der Ausspruch über das Zurechtbestehen der eingeklagten Forderung aufrecht, werden dagegen die Gegenforderungen als nicht zu Recht bestehend erkannt, so ist die notwendige Folge eine der Klage zur Gänze stattgebende Erledigung. Sohin lassen nicht nur die Berufungsausführungen, sondern auch der Berufungsantrag im Zusammenhang mit der Anfechtungserklärung klar das Ziel der Klägerin erkennen, weshalb das Berufungsgericht berechtigt war, von einer gänzlichen Anfechtung des Ersturteiles auszugehen. Bei Anwendung des § 471 Z. 3 ZPO ist nämlich kein allzu strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, wenn aus der Berufungsschrift eindeutig entnommen werden kann, welche Entscheidung der Berufungswerber anstrebt (JBl. 1955, 203; SZ 39/156 u. a.).

Dem Rekurs ist zuzugeben, daß Art. 23 Abs. 5 CMR auch den Ersatz "mittelbarer Schäden" (entgangener Gewinn oder allfällige Folgeschäden) zum Gegenstand hat, weil er die Ersatzpflicht für die durch Überschreitung der Lieferfristen entstandenen Schäden regelt und derartige Schäden denknotwendig nur mittelbare Schäden im oben aufgezeigten Sinn sein können (Muth, Leitfaden zur CMR[3], 100; Heuer, Die Haftung des Frachtführers nach der CMR, 138). Andererseits hat aber das Berufungsgericht richtig erkannt, daß sich die Ersatzpflicht für die aus Beschädigung oder Verlust des beförderten Gutes nach der CMR ergebenden Schäden ausschließlich auf die Beschädigung am Gut und nicht auf derartige mittelbare Schäden bezieht, was sich insbesondere aus der Regelung der Art. 23, 24 und 26 ergibt (Züchner, Ersatzpflicht für Lieferüberschreitung nach der CMR, VersR 1970, 701; Heuer a. a. O., 117; Muth a. a. O., 97, 100; Precht, CMR-Handbuch[2], 93). Notwendigerweise bringt jedoch ein Verlust des Gutes immer ebenso wie auch dessen Beschädigung häufig eine Nichteinhaltung der vertraglichen Lieferfristen mit sich. Würde man in derartigen Konkurrenzfällen den Ersatzanspruch nach Art. 23 Abs. 5 CMR beurteilen, dann würde dies in einem Großteil der Fälle zu einer Aushöhlung des Grundsatzes führen, daß für die aus dem Verlust oder der Beschädigung des Gutes entstandenen Schäden Verdienstentgang oder Folgeschäden nicht zu ersetzen seien. Art. 23 Abs. 5 CMR ist daher dahin auszulegen, daß ein Anspruch nach dieser Bestimmung den Nachweis voraussetzt, daß der Schaden ausschließlich auf die Verspätung zurückzuführen ist. Nach dieser Bestimmung kann deshalb nicht Ersatz mittelbarer Schäden verlangt werden, die als Folge eines Güterschadens an anderen Vermögenswerten des Berechtigten eintreten (Heuer a. a. O., 137). Der Umfang der Ersatzpflicht in den Konkurrenzfällen des Verlustes oder der Beschädigung einerseits und der Verspätung andererseits richtet sich grundsätzlich auch den für Verlust und Beschädigung geltenden Bestimmungen, wenn und soweit der Verspätungsschaden zugleich unmittelbarer Güterschaden und mittelbarer Sachfolgeschaden ist. Über den Tatbestand der Verspätungshaftung kann niemals Ersatz des nach Art. 23 Abs. 1 und 25 Abs. 1 CMR ausgeschlossenen mittelbaren Schadens verlangt werden (Heuer a. a. O., 139).

Im vorliegenden Fall beruhen die Gegenforderungen darauf, daß das transportierte Gut beschädigt worden ist. Ein Schaden, der ausschließlich auf die Überschreitung der Lieferfristen zurückzuführen wäre, ist nicht behauptet worden. Demnach hat das Berufungsgericht zu Recht die Haftung der Klägerin für den durch die Beschädigung der Maschine eingetretenen Verdienstentgang von insgesamt 45 000 S abgelehnt.

Was die Höhe der Ersatzpflicht der Klägerin bezüglich der Wertminderung von 23 567 S anlangt, sind die Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes zwar grundsätzlich richtig, doch kann dies nicht zu dem Ergebnis seiner Entscheidung führen. Zutreffend verweist der Rekurs zwar darauf, daß unter Zugrundelegung des in Beilage./12 angeführten Gewichts der Maschine die Haftungsgrenze des Art. 25 Abs. 4 CMR durch die noch offene Gegenforderung bei weitem nicht erreicht würde, doch ist im Verfahren erster Instanz lediglich die Echtheit, nicht aber die Richtigkeit der Beilage./12 außer Streit gestellt worden. Bei der in der CMR vorgesehenen Haftungsbegrenzung handelt es sich jedoch um einen Umstand, der zur Vernichtung eines Anspruches führt. Für die Beurteilung, ob die für eine Haftungsbegrenzung notwendigen Voraussetzungen im konkreten Fall vorliegen, bedarf es der Kenntnis bestimmter Tatsachen. Es ist daher Sache jener Parteien, die die Haftungsbegrenzung zu ihren Gunsten in Anspruch nehmen will, eine entsprechende Einwendung zu erheben und ein konkretes Tatsachenvorbringen hiezu zu erstatten. Eine solche Einwendung hat die Klägerin nicht erhoben, sie hat auch die Erstattung eines Tatsachenvorbringens hiezu unterlassen. Aus diesem Gründe muß davon ausgegangen werden, daß die noch verbleibende Gegenforderung von 23 567 S die Haftungsgrenze des Art. 25 Abs. 4 CMR nicht überschreitet. Folglich erweist sich die Sache insoweit als spruchreif, als die zu Recht bestehende Klagsforderung um die zu Recht bestehende Gegenforderung von 23 567 S zu kürzen ist.

Anmerkung

Z52019

Schlagworte

CMR - Ersatz für Folgeschäden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0070OB00545.79.0215.000

Dokumentnummer

JJT_19790215_OGH0002_0070OB00545_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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