TE OGH 1979/2/20 5Ob524/79

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Veröffentlicht am 20.02.1979
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Norm

ABGB §870
ABGB §875
ABGB §878
ABGB §879
ABGB §1118
ABGB §1295
ABGB §1299
ABGB §1313a
ABGB §1315
Handelsgesetzbuch §377 Abs5
KO §1
KO §6
KO §23
KO §46
Mietengesetz §19 Abs2 Z1

Kopf

SZ 52/22

Spruch

Es besteht keine allgemeine Rechtspflicht, den Geschäftspartner über alle Umstände aufzuklären, die auf seine Entschließung einen Einfluß haben können. Doch ist sie dann zu bejahen, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs eine Aufklärung erwarten durfte. Diese Schutzpflicht endet an der Grenze objektiver Voraussehbarkeit einer Gefährdung der Interessen des Gegners

Aus dem Bestand eines Mietverhältnisses allein kann keine Verpflichtung des in Konkurs geratenen Mieters abgeleitet werden, dem Vermieter von seiner Insolvenz Nachricht zu geben. Im Falle des Anbotes des Vermieters auf Zahlung einer Entschädigungssumme für die Aufgabe der Bestandrechte an einen Mieter ist dieser aber zufolge der außervertraglichen gesteigerten Verantwortung, den Vermieter vor Schädigungen durch rücksichtsloses, d.h. berechtigte Schutzinteressen vernachlässigendes Verhalten zu bewahren, zur Aufklärung über die nunmehrige Konkursverfangenheit seines Vermögens verpflichtet

OGH 20. Feber 1979, 5 Ob 524/79 (LGZ Wien 41 R 465/78; BG Fünfhaus 4 C 809/77)

Text

Der Beklagte ist Eigentümer des Hauses X-Gasse 30.

H. G. betrieb in dem in diesem Haus gelegenen Geschäftslokal Nr. 2, dessen Mieterin sie war, bis anfangs Mai 1977 ein Friseurunternehmen. Am 21 März 1977 wurde vom Landesgericht für ZRS Wien über ihr Vermögen der Konkurs eröffnet und der nun hier klagende Rechtsanwalt zum Masseverwalter bestellt. Vor der Konkurseröffnung wurden durch längere Zeit hin zwischen den Rechtsanwälten der Mietvertragspartner Verhandlungen mit dem Ziel geführt, das Vertragsverhältnis gegen Bezahlung eines Entschädigungsbetrages durch den Vermieter an die Mieterin einvernehmlich zur Auflösung zu bringen, doch konnte keine Einigung über die Höhe des Betrages erzielt werden: zuletzt hatte die Mieterin das Anbot des Vermieters vom 21. Feber 1977 auf Zahlung von 80 000 S abgelehnt, nachdem sie vorher vom Vermieter vergeblich 150 000 S bei sofortiger Räumung bzw. 120 000 S bei Räumung binnen eines Jahres begehrt hatte. Eine Woche nach der Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen veranlaßte die Gemeinschuldnerin ihren Rechtsvertreter, den Rechtsanwalt des Vermieters zur Erneuerung seines früheren Anbotes, betreffend die Auflösung des Mietvertrages gegen Bezahlung einer Entschädigung, zu bewegen und ihm hiebei die Konkurseröffnung über ihr Vermögen zu verschweigen, weil andernfalls der Vertragswille des Vermieters nicht geweckt werden könnte. Durch den Rechtsanwalt der Gemeinschuldnerin dazu bewogen, erneuerte der Rechtsvertreter des Vermieters das Anbot, für die Aufgabe der Mietrechte 80 000 S zuzüglich Umsatzsteuer zu bezahlen, und erklärte, mit diesem Anbot bis 20. April 1977 im Wort zu bleiben. Zu dieser Zeit hatte weder der Vermieter noch sein Anwalt Kenntnis von der Konkurseröffnung über das Vermögen der Mieterin. Hätten sie von diesem Umstand Kenntnis gehabt, dann wäre das Anbot an die Mieterin nicht gestellt worden, denn sie hätten damit gerechnet, das Geschäftslokal der Mieterin ohne weitere Kosten oder doch zu weit günstigeren Bedingungen als den von ihnen angebotenen zu bekommen. Der von dem Rechtsanwalt der Gemeinschuldnerin von dem Anbot des Vermieters in Kenntnis gesetzte Masseverwalter hat mit Ermächtigung des Konkursgerichtes innerhalb der Anbots-Bindungsfrist dem Vertreter des Vermieters erklärt, das Anbot anzunehmen. Der Rechtsanwalt des Vermieters nahm hiebei den Rechtsstandpunkt ein, es sei eine rechtsgültige Vereinbarung nicht zustande gekommen. Nach der am 10. August 1977 vom Vermieter eingebrachten gerichtlichen Aufkündigung verpflichtete sich der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Mieterin vergleichsweise, dem Vermieter das Geschäftslokal bis 30. November 1977 geräumt zu übergeben.

Mit der Behauptung, es sei durch die rechtzeitige Annahme des Anbots des Vermieters, für die Aufgabe der Mietrechte an dem Geschäftslokal 80 000 S zu bezahlen, ein gültiger Vertrag zustande gekommen, der Vermieter weigere sich jedoch zu unrecht, die vereinbarte Zahlung zu leisten, begehre der Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Mieterin die Verurteilung des beklagten Vermieters zur Zahlung von 80 000 S samt 14 400 S an Umsatzsteuer und 4% Zinsen zuzüglich 18% Umsatzsteuer aus 35 400 S vom 5. Mai 1977 bis 1. Dezember 1977 und aus 94 400 S seit 2. Dezember 1977.

Der Beklagte hat die Abweisung des Klagebegehrens beantragt und im wesentlichen eingewendet, er hätte bei Kenntnis des ihm von dem Rechtsanwalt der Gemeinschuldnerin bewußt verschwiegenen Umstandes, daß über das Vermögen seiner Mandantin der Konkurs eröffnet wurde, niemals das dann vom Masseverwalter angenommene Anbot gestellt, da ihm das Geschäftslokal ohne weitere Zahlung ohnedies zugefallen wäre.

Das Gericht erster Instanz wies das Klagebegehren kostenersatzpflichtig ab. Es erblickte in dem bewußten Verschweigen der Konkurseröffnung über das Vermögen der Mieterin durch ihren Rechtsvertreter anläßlich der Aufforderung zur Stellung eines neuen Anbots, betreffend die Auflösung des Mietvertrages gegen Bezahlung einer Entschädigung, Arglist im Sinne des § 870 ABGB und äußerte die Rechtsansicht, der Vertrag sei deshalb ungültig und es sei gleichgültig, ob der beim Beklagten veranlaßte Irrtum als Geschäftsirrtum oder als Motivirrtum beurteilt werde und ob er wesentlich oder unwesentlich sei.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des klagenden Masseverwalters nicht Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Es besteht kein Zweifel darüber, daß ein unter arglistiger Täuschung zustande gekommener Vertrag nicht ohne weiteres nichtig, sondern nur anfechtbar ist, denn das Gesetz mißbilligt zwar ein solches Verhalten eines Vertragspartners, berücksichtigt jedoch die dadurch beeinträchtigte Freiheit der Willensbestimmung des anderen Vertragspartners dadurch, daß es diesem die Entscheidung frei gibt, ob er - nach Entdeckung seiner Täuschung - das Geschäft weiterhin gelten lassen will oder nicht (Larenz, AT des Bürgerlichen Rechts I[4], 349; Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I[4], 112). Das aufeine solche Art zustande gekommene Rechtsgeschäft ist also zunächst gültig (Larenz a. a. O., 112; JBl. 1957, 240) und seine Anfechtung muß gerichtlich geltend gemacht werden (Koziol - Welser a. a. O., 112). Gleichviel, ob die gerichtliche Anfechtung im Wege der Klage oder der Einrede erfolgt, in beiden Fällen ist nicht eine ausdrückliche und förmliche Anfechtungserklärung erforderlich, sondern es genügt, daß die von der getäuschten Vertragspartei im Prozeß vorgebrachten Tatsachen und ihr darauf gegrundetes Urteilsbegehren ihren Entschluß offenlegen, das unter dem Einfluß arglistiger Täuschung zustande gekommene Rechtsgeschäft nicht mehr gelten lassen zu wollen. Hier hat der Beklagte bei der Streiteinlassung in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 28. November 1977 seinen Urteilsantrag, das Klagebegehren abzuweisen, im wesentlichen mit der Behauptung begrundet, er hätte bei Kenntnis des ihm von dem Rechtsanwalt der Gemeinschuldnerin bewußt verschwiegenen Umstandes, das über das Vermögen seiner Mandantin der Konkurs eröffnet wurde, niemals das dann vom Masseverwalter angenommene Anbot gestellt, weil ihm das Geschäftslokal ohne weitere Zahlung ohnedies zugefallen wäre; seine Anbotstellung sei nur infolge Irrtums über die Konkursverfangenheit der Gemeinschuldnerin erfolgt. Aus dieser Rechtsverteidigung des Beklagten ergibt sich unzweifelhaft, daß er die Abweisung des auf Vertragserfüllung gerichteten Klagebegehrens des Masseverwalters begehrt, weil er das den Klageanspruch begrundende Rechtsgeschäft nicht mehr gelten lassen wolle, da es unter dem Einfluß arglistiger Täuschung der Gegenseite zustande gekommen sei. Die Rüge des Revisionswerbers, die Anfechtungseinrede sei vom Beklagten nicht wirksam geltend gemacht worden und hätte deshalb von den Vorinstanzen nicht beachtet werden dürfen, ist deshalb nicht gerechtfertigt. Der OGH hat in zahlreichen Entscheidungen die Ansicht geäußert, daß die Einrede der Arglist nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden müsse, es vielmehr genüge, wenn die sie begrundenden Tatsachen vorgebracht werden (EvBl. 1972/123, S. 234; JBl. 1974, 144; JBl. 1974, 369; MietSlg. 26 061 u. a., zuletzt 1 Ob 188/75 unveröffentlicht).

Die Rechtsrüge des Revisionswerbers ist indessen auch in der Sache selbst nicht gerechtfertigt.

Die gesetzliche Regelung der Anfechtbarkeit von Verträgen, die unter dem Einfluß arglistiger Täuschung zustande gekommen sind (§ 870 ABGB), schützt die Entschließungsfreiheit (Larenz a. a. O., 350): Es soll niemand in seinem Entschluß, ein Rechtsgeschäft überhaupt oder doch mit einem bestimmten Inhalt vorzunehmen, durch eine mittels Vorspiegelung falscher oder Verschweigung wahrer Tatsachen von seinem Geschäftspartner gewollte Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums bewußt mit dem Ziel beeinträchtigt werden, daß dadurch sein rechtsgeschäftlicher Wille beeinflußt wird oder doch beeinflußt werden könnte (in diesem Sinne Larenz a. a. O., 349 f.). Hier handelt es sich um den besonderen Fall der Täuschung durch Verschweigen eines Umstandes, von dem der Verschweigende annehmen mußte, daß er für die Entschließung seines Geschäftspartners von Bedeutung ist oder doch von Bedeutung sein könnte (Larenz a. a. O., 350; Soergel - Hefermehl, BGB I[11], 540). In einem solchen Fall genügt die hypothetische Kausalität, daß nämlich die unterlassene Aufklärung, wenn sie erfolgt wäre, den Getäuschten von dem Geschäft überhaupt oder doch von einem Geschäft mit dem bestimmten Inhalt abgehalten haben würde (Larenz a. a. O., 350). Durch Verschweigen kann freilich eine Täuschung nur dann begangen werden, wenn eine Pflicht zum Reden besteht (Larenz a. a. O., 350), der Schweigende also eine ihm zukommende Rechtspflicht zur Aufklärung verletzt (Soergel - Hefermehl a. a. O., 540; RZ 1963, 196; SZ 37/76; SZ 47/148 u. a.). Es besteht zwar keine allgemeine Rechtspflicht, den Geschäftspartner über alle Umstände aufzuklären, die auf seine Entschließung einen Einfluß haben können (Soergel - Hefermehl a. a. O., 540), doch ist sie dann zu bejahen, wenn der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs eine Aufklärung erwarten durfte (Larenz a. a. O., 349 und die dort angeführten Belegstellen). Frotz hat in seiner grundsätzlichen Abhandlung über "Die rechtsdogmatische Einordnung der Haftung für culpa in contrahendo" (Gschnitzer - Gedenkschrift, 163 ff.) überzeugend nachgewiesen, daß die Privatrechtsordnung in notwendiger Erfüllung einer überindividuellen Sozialfunktion als Korrelat der eingeräumten privatautonomen Gestalungsmöglichkeit eine gegenüber der normalen außervertraglichen Verantwortung gesteigerte Verantwortung der Geschäftspartner gebiete. Es ist in der Tat für eine auf den möglichst störungsfreien und gefahrlosen Ablauf des rechtsgeschäftlichen Verkehrs angewiesene Gemeinschaft, die sich eine ihren Lebensbedürfnissen entsprechende Privatrechtsordnung schaffen muß, notwendig, das Prinzip der Rücksichtslosigkeit und Unbekümmertheit bei der Anbahnung rechtsgeschäftlicher Sonderverbindungen abzulehnen; müßte nämlich jeder Verkehrsteilnehmer damit rechnen, daß dieses Prinzip bis zur Grenze der deliktischen Verantwortung legitim sei, so würde der rechtsgeschäftliche Verkehr, der praktisch regelmäßig Vorstadien durchläuft, in untragbarer Weise durch ängstliche Vorsicht und Mißtrauen behindert (a. a. O., 173, 174). Funktionelle Aufgabe dieser gesteigerten außervertraglichen Verantwortung der Partner ist es daher, einander vor Schädigungen durch rücksichtsloses,d. h. berechtigte Schutzinteressen vernachlässigendes Verhalten zu bewahren (a. a. O., 174). Diese Schutzpflicht endet an der Grenze objektiver Vorhersehbarkeit einer Gefährdung der Interessen des Gegners (a. a. O., 175). Die Unterlassung dieser Pflichten durch seinen Stellvertreter oder Verhandlungsgehilfen - es sei denn, daß es sich bloß um eine aus Gefälligkeit eingeschrittene Kontaktperson handelt, von der keine besondere Sorgfalt erwartet werden darf (dazu Welser, Vertretung ohne Vollmacht, 112) - ist der Partei zuzurechnen, für welche er tätig wurde (Larenz a. a. O.,350; Welser a. a. O. 108 ff.); er ist nicht "Dritter" im Sinne des § 875 ABGB (Koziol - Welser a. a. O., 113).

Hier hat der im Namen der Gemeinschuldnerin aufgetretene Rechtsanwalt, der zufolge nachträglicher Genehmigung durch den Masseverwalter als dessen Verhandlungsgehilfe anzusehen ist, im Einvernehmen mit der Gemeinschuldnerin den Vertreter des nun beklagten Vermieters unter bewußter Verschweigung der Eröffnung des Konkurses über ihr Vermögen zur Erneuerung seines von der Gemeinschuldnerin bereits vor Konkurseröffnung abgelehnten Angebots, für die Aufgabe ihrer Mietrechte an dem Geschäftslokal einen Entschädigungsbetrag von 80 000 S zu bezahlen, in dem Bewußtsein veranlaßt, daß der Abschlußwille des Vermieters bei Offenlegung des verschwiegenen Umstandes nicht geweckt werden könnte.

Durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Bestandnehmerin wurde die Fortdauer des Bestandverhältnisses nicht berührt. Das Bestandverhältnis wird nämlich grundsätzlich in einem solchen Fall mit der durch den Masseverwalterin vertretenen Konkursmasse fortgesetzt (EvBl. 1977/90 und dort angeführte Literatur). Die durch § 23 Abs. 1 KO beiden Vertragsteilen eingeräumte Möglichkeit zur Störung der vertraglichen Leistungspflichten durch Auflösung des Vertragsverhältnisses im Wege der Kündigung oder nach §§ 1117, 1118 ABGB (a. a. O.) ist bei Bestandobjekten, die dem Kündigungsschutz des Mietengesetzes unterliegen, jedenfalls derart beschränkt, daß die Konkurseröffnung über das Vermögen der Bestandnehmerin selbst keinen Kündigungsgrund nach § 19 Abs. 1 MG abgibt (SZ 6/298; MietSlg. 8118 u. a.). Aus dem Bestand des Mietvertragsverhältnisses allein kann keine Verpflichtung der mit ihrem Vermögen in Konkurs geratenen Mieterin abgeleitet werden, dem Vermieter von ihrer derart offenkundig gewordenen Insolvenz Nachricht zu geben, zumal das Risiko der Fortdauer des Vertrages mit dem insolventen Vertragspartner wegen § 46 Abs. 1 Z. 3 KO nur in geringem Maße schutzwürdig ist (EvBl. 1977/90) und das Mietengesetz erst im Falle des qualifizierten Verzuges mit der Bezahlung des Mietzinses, Zuschlages oder sonstigen Entgelts (§ 19 Abs. 2 Z. 1 MG) die Auflösung des Bestandvertrages zuläßt. Es ist jedoch, vom Fall der Verwertung der Mietrechte als Bestandteil eines in dem Mietobjekt betriebenen Unternehmens im Wege der Veräußerung des Unternehmens abgesehen (wodurch es zur Abspaltung der Bestandrechte kommt, die den Vermieter keinen Kündigungsgrund abgibt), infolge der vom Konkurszweck her notwendigen Zerstörung des Unternehmens als organisierte Erwerbsangelegenheit im Zuge der Vermögensliquidation eine Verwertung der auch in ihrer Ausübung unübertragbaren Bestandrechte nicht möglich, so daß in aller Regel der Vermieter mit der Aufgabe der Bestandrechte durch den Masseverwalter als dem Vertreter der Konkursmasse rechnen darf. In einem solchen Fall erlangt der Vermieter auch ohne Zahlung einer Entschädigungssumme an den Masseverwalter das freie Verfügungsrecht über das frei gewordene Geschäftslokal. Es kann daher kein Zweifel daran bestehen, daß der Vermieter bei Kenntnis der Konkurseröffnung über das Vermögen der Mieterin eines Geschäftslokales grundsätzlich keine Veranlassung haben kann, für die Aufgabe der Mietrechte eine Entschädigung anzubieten oder doch wenigstens ein von ihm vor Konkurseröffnung gestelltes und von der Mieterin als zu gering abgelehntes Anbot auf Bezahlung einer bestimmten Entschädigungssumme ohne Abstrich zu erneuern. Dieser hypothetischen Kausalität der unterlassenen Aufklärung des nun beklagten Vermieters mußte sich der im Namen der Gemeinschuldnerin aufgetretene Rechtsanwalt anläßlich seiner Aufforderung an den Vertreter des Vermieters bewußt gewesen sein und er war es auch, wie die Vorinstanzen auf der Tatsachenebene angenommen haben. Er wäre deshalb nach den oben dargelegten Grundsätzen der außervertraglichen gesteigerten Verantwortung, den Vermieter vor Schädigungen durch rücksichtsloses Verhalten zu bewahren, zur Aufklärung über die nunmehrige Konkursverfangenheit des Vermögens der Gemeinschuldnerin verpflichtet gewesen. Da dieser Rechtsanwalt als sein Verhandlungsgehilfe diese Aufklärungspflicht verletzt hat, ist seine arglistige Motivierung des Vertreters des Vermieters zur Erneuerung seines Anbots auf Zahlung einer Entschädigungssumme für die Aufgabe der Mietrechte dem klagenden Masseverwalter zuzurechnen. Der nun beklagte Vermieter hat deshalb mit Recht die Arglisteinrede dem Zahlungsbegehren des klagenden Masseverwalters im Konkurs über das Vermögen der Gemeinschuldnerin entgegengehalten. Die Ansicht des Revisionswerbers, der Beklagte habe ja auf Grund des zustande gekommenen Vertrages genau das erhalten, was er wollte, offenbart, daß er die dieses "Wollen" motivierende Kraft der arglistigen Täuschung des im Namen der Gemeinschuldnerin auftretenden Rechtsanwaltes außer acht läßt: es muß nämlich angenommen werden, daß der Beklagte bei Kenntnis des Umstandes, daß über das Vermögen seiner Vertragspartnerin der Konkurs eröffnet wurde, das nicht gewollt hätte, wozu er sich infolge seines Irrtums bestimmen ließ.

Anmerkung

Z52022

Schlagworte

Allgemeine Schutzpflichten, Grenze, Insolvenz des Mieters, keine Benachrichtigungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0050OB00524.79.0220.000

Dokumentnummer

JJT_19790220_OGH0002_0050OB00524_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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