TE OGH 1979/2/27 9Os168/78

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Veröffentlicht am 27.02.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Februar 1979

unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Müller und Dr. Horak als Richter, sowie des Richteramtsanwärters Mag. Santa als Schriftführer, im selbständigen Verfahren gemäß § 42 Abs. 1 Pressegesetz und § 1 Abs. 3 Pornographiegesetz betreffend den Verfall von Filmkopien über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Jugendschöffengericht vom 14. Februar 1978, GZ. 1 b Vr 1440/76-31, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Stöger, und der Ausführungen des Verfallsbeteiligtenvertreters Dr. Zanger zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Abweisung des Verfallsantrages, soweit sich dieser auch auf die Laufbilder (Filme) mit der Bezeichnung 'G' und 'Le Voyeur' erstreckt, aufgehoben und das Verfahren in Ansehung des Filmes 'G' zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen; im übrigen wird gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Der Inhalt des von Johann A in gewinnsüchtiger Absicht eingeführten und in Münzfilmautomaten anderen (gegen Entgelt) vorgeführten unzüchtigen Laufbildes (Film) mit der Bezeichnung 'Le Voyeur' erfüllt den objektiven Tatbestand des Vergehens nach § 1 Abs. 1 lit. b und c PornG.

Gemäß § 1 Abs. 3 PornG, 42 PresseG wird auf den Verfall des vorbezeichneten Laufbildes (Film) erkannt.

Text

Gründe:

Der Angeklagte Johann A wurde mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 14. Februar 1978, GZ. 1 b Vr 1440/76- 31, von dem Anklagevorwurf, im Sommer 1976 (bis 20. September 1976) in Wien in gewinnsüchtiger Absicht mehrere unzüchtige Laufbilder, darunter auch die unter der Bezeichnung 'G' und 'Le Voyeur' sichergestellten Filme, (aus der BRD nach Österreich) eingeführt und anderen Personen vorgeführt und hiedurch das Vergehen nach § 1 Abs. 1 lit. b und c PornG (Bundesgesetz vom 31. März 1950, BGBl. 97/1950) begangen zu haben, gemäß dem § 259 Z 3 StPO und zwar schon mangels Vorliegens der subjektiven Tatseite freigesprochen. Gleichzeitig wurde mit diesem Urteil der auf Ausspruch des Verfalls der unzüchtigen Laufbilder gemäß den § 1 Abs. 3 PornG, 41 PresseG gerichtete Antrag der Staatsanwaltschaft (zur Gänze) abgewiesen, da die nur erwachsenen Personen zugänglich gewesenen Laufbilder objektiv nicht unzüchtig waren. Den Freispruch des Angeklagten A ließ die Staatsanwaltschaft in Rechtskraft erwachsen; desgleichen auch den Ausspruch des Gerichtes über die Abweisung ihres Antrags auf Verfall hinsichtlich der als Depositen erliegenden, mit B - F bezeichneten Filme. Die ziffernmäßig auf den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit. a des § 281 Abs. 1

StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der sie der Sache nach den Nichtigkeitsgrund der Z 11 der vorerwähnten Gesetzesstelle releviert, bekämpft das Urteil nur insoweit, als damit auch der Verfallsantrag hinsichtlich der mit 'G' und 'Le Voyeur' bezeichnten Laufbilder als nicht unzüchtig abgewiesen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.

Gemäß § 1 Abs. 3 PornG ist für den Fall, daß die (dem Abs. 1 dieser Gesetzesstelle zu unterstellende) Tat mit Beziehung auf ein Druckwerk verübt wurde - die verfahrensgegenständlichen Laufbilder (Filme) fallen unter den Druckwerksbegriff des § 2 Abs. 1 PresseG -, (abgesehen von den prozeßrechtlichen Bestimmungen, die für das seinerzeitige in dieser Form in das StGB nicht übernommene Vergehen nach § 516 StG gegolten haben) das Verfahren in Preßsachen überhaupt dem Sinn nach anzuwenden. Ist die Verfolgung einer bestimmten Person nicht durchführbar oder ihre Verurteilung wegen des Vorhandenseins von Gründen, die eine Bestrafung ausschließen, nicht möglich, so ist, wenn der Inhalt eine strafbare Handlung begründet, gemäß dem sohin zur Anwendung gelangenden § 42 Abs. 1 in Verbindung mit § 41 Abs. 1 PresseG auf Antrag des Anklägers auf Verfall in einem selbständigen Verfahren zu erkennen. Ergeben sich die Voraussetzungen für das selbständige Verfahren in der Hauptverhandlung über eine Anklage, so kann über den Antrag auf Verfall in dem freisprechenden Urteil erkannt werden (§ 42 Abs. 3 PresseG).

Da der Angeklagte Johann A von dem Anklagevorwurf des Vergehens nach § 1 Abs. 1 lit. b und c PornG freigesprochen wurde und im Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Filmen eine Verfolgung einer anderen Person (im Inland) nach der gegebenen Sachlage nicht in Betracht kam, lagen zunächst die formellen Voraussetzungen zur Anwendung der - hier allein in Betracht kommenden -

Bestimmungen des § 42 Abs. 1 und Abs. 3 PresseG jedenfalls vor. Den Antrag auf Verfall der mit 'G' und 'Le Voyeur' bezeichneten Laufbilder hat das Gericht mit der Begründung abgewiesen, daß daran zu zweifeln sei, ob in diesen Filmen 'bei der Darstellung lesbischer Handlungen bereits die Grenzen dessen überschritten wurden, was sexuell normal empfindenden Menschen auf dem Gebiet sexueller Darstellungen gerade noch als erträglich zuzumuten sei'. Im übrigen, so fährt das Erstgericht in der für den bekämpften Ausspruch gegebenen Begründung fort, 'könne hier von einer Propagierung lesbischer Handlungen kaum gesprochen werden und bestünden auch beim Schöffengericht gewisse Zweifel, ob die Darstellung lesbischer Beziehungen schlechthin, ohne Rücksicht auf ihr Ausmaß und ihre Intensität, als harte Pornographie anzusehen sei.' Diesen Ausführungen des Erstgerichtes ist jedoch zu erwidern, daß der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung des verstärkten Senates vom 6. Juni 1977, AZ 13 Os 39/77

(EvBl. 1977/186), auf deren Inhalt zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann, keinen Zweifel darüber offen ließ, daß neben auf sich selbst reduzierten und von Zusammenhängen mit anderen Lebensäußerungen losgelösten, anreisserisch verzerrten Unzuchtsakten, die als solche ihrer Art nach verboten und strafbar sind, wie etwa sexuelle Gewalttätigkeiten, insbesondere sadistischer oder masochistischer Natur und Unzuchtsakten mit Unmündigen, zur sogenannten harten Pornographie auch Darstellungen der vorgeschilderten Art von Unzuchtshandlungen mit Personen des gleichen Geschlechtes oder mit Tieren zählen, die, selbst wenn die Handlung nicht oder doch nur beschränkt strafbar ist, jedenfalls nicht propagiert werden dürfen (§ 220 StGB). Die beim Erstgericht in dieser Hinsicht aufgetretenen und zur Abweisung des Verfallsantrages führenden Zweifel waren sohin, und diesbezüglich ist die Beschwerde im Recht, wenigstens teilweise unbegründet.

Richtig ist allerdings, daß nicht jede bloß flüchtige oder kurzfristige Berührung von Körperteilen der Geschlechtssphäre einer Person des gleichen Geschlechtes zur (rechtlichen) Annahme einer Unzuchtshandlung führt und deren Darstellung nicht schon an sich unzüchtig im Sinne des § 1 PornG i; denn es setzt der Begriff des Unzuchtstreibens (§ 209 StGB) einen intensiven (längerwährenden und unmittelbaren) Kontakt mit dem Körper des Anderen im Bereich des Geschlechtsteils voraus (Leukauf-Steininger 951; vgl. EvBl. 1978/213/S 666 und EvBl.

1978/216/S 668). Nur wenn diese spezifisch sachbezogenen und - soweit nach der Art des Druckwerkes möglich -

zeitlichen Merkmale gleichgeschlechtlicher Betätigung in einem Druckwerk in entsprechender Aufmachung zum Ausdruck gebracht wurden, kann die für die Annahme dieser Art 'harter Pornographie' erforderliche propagandistische Wirkung (EvBl. 1977/186), das ist die Eignung, Menschen zur Homosexualität zu verführen, bejaht werden.

In dieser Hinsicht hat nun das Erstgericht bezüglich des Inhaltes des Filmes 'Le Voyeur' Feststellungen getroffen, die einen entsprechend intensiven sexuellen Kontakt zwischen Personen des gleichen Geschlechtes wiedergeben.

Nach den Urteilsannahmen wird nämlich in diesem Film unter anderem eine Frau dargestellt, die eine andere zunächst am Busen und dann am Geschlechtsteil betastet, worauf beide Frauen einander den Geschlechtsteil küssen, immerhin eine breite und den vorerwähnten Erfordernissen entsprechende Schilderung kontinuierlicher gleichgeschlechtlicher Akte.

Anders als bei diesem Film, der seinem Inhalt nach sohin der harten Pornographie zuzurechnen ist, hat das Erstgericht hinsichtlich des Filmes 'G' nicht die für eine abschließende rechtliche Beurteilung der dargestellten Szenen auf ihre Unzüchtigkeit im Sinne der Bestimmungen des Pornographiegesetzes getroffen. Denn bezüglich dieses Filmes wurde vom Gericht lediglich als erwiesen angenommen, daß eine Frau nach einem Geschlechtsakt mit einem Mann eine andere Frau auf den Geschlechtsteil küßt. Weitere Ausführungen, die eine rechtliche Würdigung des Verhaltens der dargestellten Frauen in der aufgezeigten Richtung möglich machen, enthält das Urteil nicht, obwohl solche nach dem Gesagten gerade bei Laufbildern, die anders als Standbilder keinen statischen Eindruck vermitteln, für die Beurteilung der Intensität der dargestellten Handlung bedeutsam sind.

Es war daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde spruchgemäß

zu erkennen.

Nach der zufolge der Bestimmung des § 1 Abs. 3

PornG für das vorliegende Verfallserkenntnis maßgeblichen Anordnung des § 42 Abs. 2, letzter Satz, PresseG treffen die Verfahrenskosten, wenn im selbständigen Verfahren gemäß § 42 PresseG auf Verfall erkannt wird, den Herausgeber oder Verleger. Dieser Benennung der Kostenpflichtigen liegen spezifisch presserechtliche Begriffe zugrunde. Der Begriff des 'Herausgebers' im Sinne des Pressegesetzes ist überhaupt nur im Zusammenhang mit einer periodischen Druckschrift anwendbar (vgl. die § 5 Abs. 2, 16 Abs. 1, 19 Abs. 1, 40 und insbesondere 41 Abs. 3 PresseG). Demnach kommt ein Herausgeber für den im vorliegenden Verfahren vom Verfall betroffenen Film, der keinesfalls dem in § 2 Abs. 2 PresseG umschriebenen Begriff der periodischen Druckschrift unterstellt werden kann, von vorneherein nicht in Betracht.

Johann A ist zwar als Käufer dieser von ihm im Ausland erworbenen und ins Inland eingeführten Filme nach der allgemeinen Bestimmung des § 444 Abs. 1 StPO als Verfallsbeteiligter (im weiteren Sinn) anzusehen, weil ihm wohl ein Recht auf den für verfallen erklärten Film zukommt. Er hat nach dieser Bestimmung jedoch nur die Rechte, nicht auch die Pflichten eines Beschuldigten.

Seine seinen Rechtsanspruch begründende Beziehung zu diesem vom Verfall betroffenen Laufbild kann aber auch mit der Tätigkeit eines

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im Pressegesetz seinem Begriffsinhalt nach nicht näher definierten

-

Verlegers keinesfalls gleichgestellt werden, und zwar gleichgültig, ob man vom Verlegerbegriff des § 1172 ABGB (der das vom Urheber eines Werkes erworbene Vervielfältigungs- und Vertriebsrecht zum Gegenstand hat) oder von dem nach der Judikatur zum Pressegesetz entwickelten Verlegerbegriff (wonach Verleger derjenige ist, der den Vertrieb des Druckwerks in seiner Hand vereinigt und leitet) ausgeht (vgl. Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze, S. 461), weil ihm durch den Kauf des vom Verfall betroffenen Filmes kein Vertriebsrecht in Ansehung dieses Filmes schlechthin, sondern allenfalls nur in bezug auf das von ihm erworbene Einzelstück zukommen konnte.

Es hatte demnach ein Kostenausspruch nach dem § 42 Abs. 2, letzter Satz, PresseG überhaupt zu entfallen.

Anmerkung

E01818

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00168.78.0227.000

Dokumentnummer

JJT_19790227_OGH0002_0090OS00168_7800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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