Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Santa als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michael A wegen des Verbrechens der versuchten Notzucht nach den §§ 15, 201 Abs 1 StGB. mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18.Dezember 1978, 1 e Vr 8569/77-40, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner (nicht ausgeführten) Berufung wird der Betroffene auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der beschränkt entmündigte Michael A gemäß dem § 21 Abs 1 StGB. in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er am 29.August 1977 in Wien unter dem Einfluß eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB.) Maria B mit Gewalt gegen ihre Person, und zwar dadurch, daß er sie am Arm packte und in einen Park zerrte, ihr dabei auch den Mund zuhielt, sie auf den Boden warf und zu entkleiden trachtete, zum Zweck ihres Mißbrauchs zum außerehelichen Beischlaf in diesem Zustand widerstandsunfähig zu machen versucht und damit eine Tat begangen habe, die ihm außer seinem Zustand als das mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Verbrechen der versuchten Notzucht nach den §§ 15, 201 Abs 1 StGB. zugerechnet worden wäre.
Rechtliche Beurteilung
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen gegen dieses Urteil kommt Berechtigung zu.
Sein ursprüngliches Zugeständnis, er habe Maria B zum Beischlaf zwingen und diesen gegen ihren Willen ausüben wollen (S. 23, 36), hatte der Beschwerdeführer in zwei Eingaben an das Gericht und bei seiner Exploration durch den Sachverständigen Dr. C mit der sinngemäßen Darstellung widerrufen, die Frau habe ihm in sexueller Hinsicht Avancen gemacht und er hätte nur mit ihrer Zustimmung einen Geschlechtsverkehr mit ihr durchgeführt (ON. 14, 17, S. 9 in ON. 19).
Aus dem Hauptverhandlungsprotokoll sind Angaben über seinen Tatvorsatz nicht ersichtlich.
Unter diesen Umständen war der vom Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellte Antrag auf Vernehmung der Maria B als einzige Tatzeugin im Interesse einer Klärung des Sachverhalts in bezug auf die subjektive Tatseite des dem Betroffenen zur Last liegenden Anlaßdelikts vollauf berechtigt. Durch die sowohl gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 252 StPO.) als auch gegen das Verbot vorgreifender Beweiswürdigung verstoßende Abweisung dieses Antrags mit der Begründung, daß auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens und der Vernehmung der Zeugin vor der Polizei der Sachverhalt in jeder Weise geklärt sei, hat das Erstgericht augenscheinlich Verfahrensgrundsätze hintangesetzt, deren Beachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten war.
Schon diese vom Beschwerdeführer zutreffend gerügte Nichtigkeit nach dem § 281 Abs 1 Z. 4 StPO. nötigt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache in die erste Instanz, ohne daß es erforderlich wäre, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen. Mit Zustimmung der Generalprokuratur war daher gemäß dem § 285 e StPO. schon bei der nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen.
Anmerkung
E01760European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0130OS00028.79.0302.000Dokumentnummer
JJT_19790302_OGH0002_0130OS00028_7900000_000