TE OGH 1979/3/5 9Os2/79

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Veröffentlicht am 05.03.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.März 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Kießwetter, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Umlauft als Schriftführer in der Strafsache gegen Wilhelm A wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgericht Steyr vom 14.November 1978, GZ. 7 Vr 61/78-55, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Sprosec und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurde der am 11.Mai 1931 geborene Frührentner Wilhelm A 1.) des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und 2.) des Vergehens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Nach dem Inhalt des Urteilsspruches hat er in Steyr in der Nacht zum 23. Jänner 1978 Margit B durch Erdrosseln mit einer Damenstrumpfhose vorsätzlich getötet und am 24.Jänner 1978 aus der Verlassenschaft nach Margit B stammende Sachen in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert, nämlich verschiedene Schmuckgegenstände und einen Koffer mit neun Damenkleidern, gestohlen.

Bei der Strafbemessung wertete das Geschwornengericht unter anderem als erschwerend 'den verwerflichen Beweggrund der Mordtat, nämlich Eifersucht, die darin gipfelte, daß der Angeklagte die Frau (Margit B) einem anderen Mann nicht mehr gönnte'.

Die Geschwornen hatten - jeweils stimmeneinhellig - die im Sinne der Schuldsprüche laut Punkt 1) und 2) gestellten Hauptfragen 1) und 6) bejaht und die (auf Anregung der Verteidigung in das Fragenschema aufgenommene) Zusatzfrage 2), ob der Angeklagte zur Zeit der in der Hauptfrage 1) beschriebenen Mordtat wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinstrübung unfähig war, das Unrechtmäßige der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, verneint. Demgemäß waren die nur für den Fall der Verneinung der Hauptfrage 1) gestellten weiteren Fragen, nämlich die auf das Verbrechen der Tötung auf Verlangen nach § 77

StGB gestellte Eventualfrage 3) samt zugehöriger Zusatzfrage 4), gerichtet auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 StGB im Zeitpunkt der Begehung der in der Eventualfrage 3) bezeichneten Tat, sowie die Eventualfrage 5), gerichtet auf das Vergehen der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB, unbeantwortet geblieben. Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch wegen Mordes mit einer allein auf die Z. 6 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung. Mit dem bezeichneten Nichtigkeitsgrund rügt er die Unterlassung der Stellung einer auf das Verbrechen des Totschlages nach § 76 StGB gerichteten Eventualfrage als weitere Alternative zu der auf Mord lautenden Hauptfrage 1), wozu er ausführt, angesichts der vom Geschwornengericht - im Rahmen der Strafbemessung - angenommenen Eifersucht des Angeklagten als Tatmotiv und seiner hervorgekommenen Zuckerkrankheit mit komatischen Zuständen bestehe die Möglichkeit, daß sich die gegenüber der Getöteten bestehende Eifersucht des Angeklagten in einem präkomatischen Anfall zu einer heftigen Gemütsbewegung im Sinne des § 76 StGB entwickelte, die unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles als allgemein begreiflich zu beurteilen wäre.

Rechtliche Beurteilung

Die Rüge ist nicht berechtigt.

Die rein theoretische Möglichkeit eines gegenüber der tatsächlich erfolgten Fragestellung in seiner juristischen Gestaltung anders gelagerten Tatgeschehens - hier in der Richtung des Verbrechens des Totschlages nach § 76 StGB - bewirkt noch nicht die Zulässigkeit einer diesbezüglichen Eventualfrage (§ 314 Abs. 1 StPO). Diese müßte vielmehr durch bestimmte Verfahrensergebnisse oder entsprechendes Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung konkret indiziert sein (SSt. 39/50; RZ. 1978/54;

EvBl. 1978/119 u.a.m.).

Im vorliegenden Fall ist - entgegen dem Beschwerdevorbringen - nichts hervorgekommen, was für die Annahme gesprochen hätte, der Angeklagte habe sich - im Sinne des § 76 StGB - nur in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hinreissen lassen, Margit B zu töten. Denn weder die Verantwortung des Angeklagten (s. Bd. II, S. 153 ff., insbes. S. 158 ff. d.A.) - der jede Schuld am Tod der Margit B in Abrede stellte, sich vor allem mit Erinnerungslücken bzw. Zurechnungsunfähigkeit verantwortete (s. Bd. II, S. 163; 172 d.A.) und lediglich die entfernte Möglichkeit eines 'Sexualunfalles mit tödlichem Ausgang' bzw. eine (unbewußte) Tötung der Margit B auf deren Verlangen offen ließ, hingegen Eifersucht, bezogen auf die Getötete, als Motiv der Tat ebenso wie einen konkreten äußeren Anlaß (etwa eine Androhung Margit B, die Beziehungen zu ihm abzubrechen) für eine heftige Gemütsbewegung geradezu ausschloß (Bd. II, S. 158; 166 und 175 d.A.) - noch sonstige Verfahrensergebnisse (vgl. insbes. die Zeugenaussage Karoline C, Bd. II, S. 179 d.A., und die Gutachten der psychiatrischen Sachverständigen Dr. Klaus D, Bd. II, S. 46 ff., 195 ff. d.A., und Dr. Walter E, Bd. I, S. 265 ff., Bd. II, S. 201 ff. d. A.) boten für eine Betrachtung des Tatgeschehens unter den vom Beschwerdeführer (erst) in der Nichtigkeitsbeschwerde erörterten Gesichtspunkten irgendeinen konkreten Anhaltspunkt. Daraus folgt allerdings, daß die in den Urteilsgründen bei Darlegung der vom Geschwornengericht angenommenen Strafzumessungsgründe angeführte Eifersucht des Angeklagten als Beweggrund der Mordtat lediglich als ein bloß vermutetes (theoretisch mögliches) Tatmotiv des Angeklagten zu werten ist, auf das indes - wie aufgezeigt - ein bestimmtes Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung nicht hindeutete. Auch hieraus ist daher nicht die Zulässigkeit einer Eventualfrage in der Richtung des § 76 StGB - die im erstinstanzlichen Verfahren von keiner Seite beantragt worden ist - abzuleiten.

Einer solchen Fragestellung stand schließlich aber auch die (rechtliche) überlegung entgegen, daß der vom Beschwerdeführer nunmehr behaupteten überreaktion ein - wie auch das Geschwornengericht im Rahmen der Ausführungen zur Strafbemessung zum Ausdruck brachte - verwerflicher Beweggrund zugrundeläge, der die erforderliche 'allgemeine Begreiflichkeit' einer solchen Gemütsbewegung ausschlösse (vgl. Kienapfel, Grundriß I, RN. 50, mit weiteren Hinweisen auf einschlägige Judikatur und Schrifttum; s. auch ÖJZ-LSK. 1977/379 und 1978/199). Denn abgesehen davon, daß es vorliegend schon an einer entsprechenden Relation der Tat zu einem sie herbeiführenden oder auslösenden äußeren Anlaß fehlte, handelte es sich bei der Getöteten um eine verheiratete Frau, deren eheliche Gemeinschaft - was der Angeklagte stets wußte - nur infolge einer mehrmonatigen Inhaftierung des Ehemannes eine (unfreiwillige) Unterbrechung erfahren hatte. Das unterstellte Ziel des Angeklagten, eine Wiedervereinigung der Eheleute - gewaltsam - zu hindern, wäre daher jedenfalls ein sittlich verwerfliches und könnte deshalb kein dem § 76 StGB entsprechendes Tatmotiv abgeben.

Aus allen diesen Erwägungen bestand für den Schwurgerichtshof mithin kein Anlaß, eine Eventualfrage auf Totschlag zu stellen, weshalb der geltendgemachte Nichtigkeitsgrund nicht gegeben ist. Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war somit zu verwerfen. Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu lebenslanger Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend den verwerflichen Beweggrund der Mordtat, nämlich Eifersucht, die darin gipfelte, daß der Angeklagte die Frau einem anderen Mann nicht mehr gönnte, weiters die heimtückische Vorgangsweise unter Ausnützung der Hilflosigkeit der Frau nach Einnahme von Schlaftabletten, die Zielstrebigkeit des Angeklagten bis zur Wegschaffung der Leiche und Vorbereitung zu deren Verbrennung auf der Mülldeponie, sowie das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen, als mildernd hingegen die Abnormität des Angeklagten, die durch eine gewisse Labilität mit neurotischen Zügen, erhöhte Reizbarkeit und erhöhte Triebhaftigkeit bei nachlassender Potenz gekennzeichnet ist. Von diesen Strafzumessungsgründen ausgehend vermeinte das Geschwornengericht, daß nur eine lebenslange Freiheitsstrafe schuld- und tatangemessen sei.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte demgegenüber die Verhängung einer angemessenen zeitlichen Freiheitsstrafe an. Der Berufung kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu. Das Geschwornengericht hat dem Angeklagten zu Recht lediglich dessen psychische Abnormität als mildernd zugute gehalten. Auch der Berufungswerber vermag letztlich keine weiteren mildernden Umstände, die die Taten, vor allem den Mord an Margit B, in einem günstigeren Lichte erscheinen ließen, darzutun, zumal die von ihm angeführten Umstände von dem vom Erstgericht angeführten Milderungsgrund umfaßt werden. Daß der Angeklagte infolge seiner Erkrankung die Strafhaft mehr verspürt als ein gesunder Strafgefangener, stellt für sich allein keinen hinreichenden Grund dar, um deshalb die Strafe milder zu bemessen, wozu kommt, daß in der Strafhaft die entsprechende Behandlung der Zuckerkrankheit durchaus gewährleistet ist. Als erschwerend fällt nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs vor allem ins Gewicht, daß der Angeklagte die Mordtat unter gezielter Ausnützung seiner körperlichen überlegenheit gegenüber einem hilflosen Opfer begangen hat. Gerade darin zeigt sich die besondere Verwerflichkeit der Tötungshandlung und damit der sehr hohe Grad der Schuld des Angeklagten. Dazu kommt, daß der Angeklagte - dem vorliegend auch ein Vermögensdelikt zur Last liegt - insoweit bereits mehrfach einschlägig vorbestraft ist. Daß der Angeklagte aus Eifersucht gehandelt hat, stellt hingegen - wie schon im Rahmen der Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde ausgeführt wurde - bloß ein vermutetes Tatmotiv dar, das bei der Strafbemessung nicht gesondert erschwerend wirkt und jedenfalls keinen besonders verwerflichen Beweggrund im Sinne des § 33 Z. 5 StGB darstellt. Selbst wenn daher Eifersucht als Motiv des Mordes angenommen würde, läge darin allein noch kein gesondert zu wertender Erschwerungsgrund.

In Abwägung der solcherart gegebenen Strafzumessungsgründe und unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung (§ 32 StGB) entspricht vorliegend auch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes die vom Geschwornengericht verhängte lebenslange Freiheitsstrafe dem hohen Schuld- und Unrechtsgehalt der abgeurteilten Straftaten, aber auch der Täterpersönlichkeit des Angeklagten, weshalb die Verhängung einer zeitlichen Freiheitsstrafe nicht in Erwägung gezogen werden konnte.

Mithin mußte auch der Berufung des Angeklagten der Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01821

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00002.79.0305.000

Dokumentnummer

JJT_19790305_OGH0002_0090OS00002_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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