Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7.März 1979 unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofes Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Walenta und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Jelinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut A wegen § 127 ff. StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 12. Oktober 1978, GZ. 3 e Vr 5534/78-35, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Lesigang und des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die Strafe auf 15 (fünfzehn) Monate herabgesetzt.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7.Dezember 1954 geborene Hilfsarbeiter Helmut A des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach § 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1, 129 Z. 1 und § 15 StGB.
schuldig erkannt. Inhaltlich des Urteilsspruchs hat er in Wien A/ am
28. Mai 1978 in Gesellschaft der gesondert verfolgten Jugendlichen
Manfred B und Alexander C als Beteiligten (§ 12 StGB.) der Firma D
(richtig E -
S. 7, 23 und 25) bewegliche Sachen durch Einbruch zu stehlen
versucht, indem er am Tatort Aufpasserdienste leistete, während die
Jugendlichen eine Mauer überkletterten und mit einer Maurerklammer
das Vorhängschloß einer zu den Firmenräumlichkeiten führenden Tür
abzusprengen begannen, B/ Mitbewohnern eines Resozialisierungsheims,
nämlich I. dem Franz F 1) im April 1978 eine Brieftasche mit
500 S, 2) im April 1978 100 S, 3) im Mai 1978 200 S, 4)
am 21.Mai 1978 650 S (im Urteilsspruch fehlerhaft 'S 56,--':
vgl. S. 91, 154 und Urteilsbegründung S. 164), II. dem Karl
G im Mai 1978 eine Hose im Wert von 50 S gestohlen.
Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z. 5 und 9 (der Sache nach lit. b) des § 281 Abs. 1 StPO.
Gegen Punkt A des Schuldspruchs wird vorgebracht, dieser sei mit dem Hinweis auf die Angaben der Mitbeteiligten B und C nur mangelhaft begründet;
das Erstgericht habe wesentliche Teile der Zeugenaussagen BS in der Hauptverhandlung übergangen und Widersprüche in den Angaben C unbeachtet gelassen.
Keiner dieser Einwände ist stichhältig:
In den erstgerichtlichen Entscheidungsgründen sind die Erwägungen angegeben, aus denen das Schöffengericht im Rahmen der ihm zustehenden freien Beweiswürdigung die (Mit-) Täterschaft des Angeklagten als erwiesen annahm, obwohl - worauf dabei ausdrücklich Bezug genommen wird -
der Zeuge B, der den Angeklagten im Vorverfahren eindeutig (nach einem Lichtbild und dann bei zwei Gegenüberstellungen: S. 25 und 86) identifiziert hatte, seine Aussage in der Hauptverhandlung diesbezüglich abschwächte. Da das Gericht davon ausging, daß B den Familiennamen des Angeklagten zuvor nicht kannte, brauchte es die Behauptung dieses Zeugen, der Untersuchungsrichter habe ihm den Namen 'in den Mund gelegt', nicht zu erörtern. Hinsichtlich der Barttracht des zu Identifizierenden liegt gleichfalls kein erörterungsbedürftiger Widerspruch vor; präzisierte doch der Zeuge B seine Aussage, es sei dieselbe wie die des mit ihm durch den Untersuchungsrichter konfrontierten Angeklagten - nämlich ein Vollbart - gewesen, schließlich dahin, daß der Mittäter nur eben nicht rasiert war (S. 148), was mit der Darstellung des Angeklagten, auch er sei bei der Gegenüberstellung unrasiert gewesen (S. 147), durchaus in Einklang gebracht werden kann.
Die Abweichung des Zeugen C von seinen früheren Aussagen, in denen er dem Angeklagten die Urheberschaft am Einbruchsplan und genaue (Vor-) Kenntnis des Tatorts zugeschrieben hatte, wurde vom Schöffengericht - wie der Beschwerdeführer selbst einräumt - ebenfalls in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen; beweiswürdigend gelangte das Gericht zu der überzeugung, daß die nunmehr gegebene Darstellung des Zeugen glaubwürdig sei. Damit ist aber der an eine frühere Aussage des genannten Zeugen anknüpfende Beschwerdeeinwand, mangels entsprechender Ortskenntnis könne der Angeklagte nicht der von dem Zeugen (ursprünglich) als ortskundig beschriebene Komplize gewesen sein, hinfällig. Sohin erweist sich entgegen den Beschwerdebehauptungen die Entscheidungsbegründung auch insoweit als vollständig und ausreichend. Schließlich ist durchaus denkbar, daß der Zeuge C den Angeklagten schon seit längerer Zeit vom Sehen aus (und beim Vornamen) kannte, seinen Familiennamen aber erst nach der gegenständlichen Straftat erfuhr; weder den dahin lautenden Aussagen dieses Zeugen noch auch der darauf gegründeten entsprechenden Urteilsfeststellung haftet mithin ein innerer Widerspruch an. In weiterer Ausführung der Mängelrüge behauptet der Beschwerdeführer, für die Feststellung, daß er (auch) die in den Punkten B/I/1, 3 und 4 des Schuldspruchs bezeichneten Diebstähle begangen habe, seien im angefochtenen Urteil keine oder nur offenbar unzureichende Gründe angegeben.
Dem ist entgegenzuhalten, daß der Schuldspruch in den in Rede stehenden Punkten keineswegs auf einem bloßen Verdacht seitens des Zeugen F beruht. Vielmehr werden im Urteil auch insoweit - schon bei der Darlegung des festgestellten Sachverhalts und sodann in dem der Beweiswürdigung gewidmeten Teil der Entscheidungsgründe - gewichtige, für die Täterschaft des Angeklagten sprechende objektive Beweisgründe aufgezeigt, welche in ihrem Zusammenhang die Grundlage eines folgerichtig aus ihnen abgeleiteten prozessualen Schuldbeweises bilden können. Der darin gelegene Akt freier Beweiswürdigung unterliegt im schöffengerichtlichen Verfahren keiner Anfechtung unter dem Gesichtspunkt einer vermeintlich unzureichenden Begründung.
Der Vorwurf mangelhafter Begründung versagt schließlich auch in bezug auf das Urteilsfaktum B/II. Denn gerade auf den als übergangen relevierten Umstand, daß die gestohlene Hose dem Beschwerdeführer nicht gepaßt hätte, geht das angefochtene Urteil ein, indem darauf hingewiesen wird, daß der Zeuge G die vom Angeklagten getragene Hose als die seine erkannte, weil sie dem Angeklagten zu kurz war und außerdem charakteristische - vom Eigentümer selbst angebrachte (S. 153) - Nähte aufwies; damit geht aber auch der weitere Einwand einer leichten Verwechselbarkeit ähnlich aussehender Hosen ins Leere. In seiner auf Z. 9 (der Sache nach lit. b) des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Rechtsrüge beansprucht der Beschwerdeführer für das Urteilsfaktum B I 2 den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue; er vermag auch damit nicht durchzudringen.
Den Urteilsfeststellungen zufolge hat der Beschwerdeführer zwar den in Rede stehenden Diebstahl von 100 S dem Bestohlenen gegenüber auf dessen Vorhalte eingestanden und ihm den Geldbetrag eine Woche später (freiwillig und vor einer Anzeigeerstattung) zurückgegeben. Indes handelte es sich bei dem gegenständlichen diebischen Angriff nach den weiteren Feststellungen des Erstgerichts bloß um einen Teilakt in Ausführung eines einheitlichen Willensentschlusses (S. 163, 167). Wenn sich aber wiederholte diebische Angriffe als einem einheitlichen Handlungsentschluß entsprungene Ausführungsakte kennzeichnen, so tritt der Strafaufhebungsgrund nur dann in Wirksamkeit, wenn der aus der Gesamtheit dieser Angriffe entstandene Schaden gutgemacht wird (SSt. XXI/46, XXV/93). Es besteht kein Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Darnach kommt aber dem Beschwerdeführer tätige Reue nicht zustatten, weil er einen Gesamtschadensersatz an F nicht geleistet hat.
Die Diebstähle zum Nachteil des F können wohl, wie es die Generalprokuratur tut, zwanglos als fortgesetztes Delikt angesehen werden. Tätige Reue wäre aber dem Angeklagten auch dann nicht zuzubilligen, wenn es sich nicht um ein fortgesetztes Verbrechen im strengen Sinn dieser Begriffsbildung handelte. Wenn etwa auf Grund eines einheitlichen Willensentschlusses des Täters mehreren Personen an verschiedenen Orten, sei es auch rasch aufeinanderfolgend, Sachen gestohlen worden wären, wenn also der persönliche und der örtliche Zusammenhang der einzelnen Angriffe fehlte;
oder wenn, wie in dem der Entscheidung SSt. XXV/93 zugrundegelegenen Fall, einem einheitlichen Handlungsentschluß zufolge ein Diebstahl und eine Veruntreuung verübt, also auf der Grundlage einer einzigen Willensbildung zwei Tatbestände verwirklicht worden wären, so wären die Voraussetzungen für die Annahme jener Figur der unechten oder scheinbaren Realkonkurrenz (fortgesetztes Delikt) unvollständig, aber noch immer wäre die Verklammerung der Einzelangriffe durch den einheitlichen Entschluß und durch die zeitliche Abfolge von dessen Verwirklichung gegeben (siehe SSt. XXV/93).
Da die tätige Reue, wie schon ihre Bezeichnung aussagt, als Strafaufhebungsprivileg vorwiegend im subjektiven Bereich angesiedelt ist, soll dessen deliktsbezogene Dimension für die Anwendung des Privilegs den Ausschlag geben, so zwar, daß der Begriff der Tat im § 167 Abs. 2 Z. 1 StGB. unter diesen Umständen zwanglos alle Einzelangriffe vereinigt.
Örtliche, sachliche, persönliche und sonstige Bezüge, die darüber hinaus für die Figur des fortgesetzten Delikts maßgebend sein können, sollten hier zurücktreten. Auf die Konstruktion eines fortgesetzten Verbrechens braucht man sich daher in diesem wie in allen gleichgelagerten Fällen nicht einlassen.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 129 StGB. zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden, die Voraussetzungen des § 39 StGB. erfüllenden Vorstrafen, den raschen Rückfall und die Wiederholung, als mildernd den Umstand, daß es im Faktum I beim Versuch geblieben war und die teilweise Schadensgutmachung hinsichtlich des vorerwähnten Betrags von 100 S.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung des Strafmaßes an. Diesem Rechtsmittel kommt Berechtigung zu.
Nach dem auch vom Erstgericht im Urteil (S. 162) zitierten, bei der
Strafzumessung aber nicht berücksichtigten Gutachten des
Sachverständigen Primarius Dr. H (ON. 17 S. 127 im Verfahren 3 e Vr
9287/74 des Landesgerichts für Strafsachen Wien) ist der
Berufungswerber zwar zurechnungsfähig, aber höhergradig debil. Sein
intellektuelles Niveau entspricht einem Schwachsinn leichten bis
mittleren Grades. Es liegt somit ein weiterer, vom Erstgericht
jedoch nicht berücksichtigter Milderungsgrund (§ 34
Z. 1, dritter Fall, StGB.) vor, dem bei der Strafzumessung
erhebliches Gewicht zukommt. Außerdem ist der Unrechtsgehalt der
Straftaten des Berufungswerbers nicht übermäßig hoch; seine
kriminelle Tätigkeit erschöpft sich im Bereich der
Kleinkriminalität.
Bei der dem Schuldspruch zum Punkt I zugrundeliegenden Handlung übrigens der einzigen gravierenderen Tat mit mehreren Qualifikationen, war der Angeklagte nur als Aufpasser tätig. Bei Abwägung und Wertung sämtlicher Strafzumessungsgründe erscheint demnach die über den Rechtsmittelwerber im Ausmaß von zwei Jahren verhängte Freiheitsstrafe überhöht, weshalb sie in Stattgebung der Berufung schuldangemessen wie eingangs ersichtlich herabzusetzen war.
Anmerkung
E01822European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00013.79.0307.000Dokumentnummer
JJT_19790307_OGH0002_0100OS00013_7900000_000