Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 7.März 1979 unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Friedrich, Dr. Walenta und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Jelinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Robert A wegen § 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 2 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 21.November 1978, GZ. 24 Vr 2879/77-58, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, und des Verteidigers Dr. Stöger zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach den § 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 2 StGB in Bezug auf Johann B und im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Robert A wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 16. Juni 1977 in Innsbruck in Gesellschaft von zwei unbekannten Mittätern in verabredeter Verbindung den Johann B durch Versetzen von Faustschlägen am Körper verletzt, wobei die Tat bei B eine Excoreation an der Stirn und eine Rißquetschwunde am Hinterkopf zur Folge gehabt habe, und er habe (auch) hiedurch das Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 2 StGB begangen, gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Urteils zur Last fallende, an Leopold C begangene Vergehen der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 2 StGB wird Robert A nach § 84 StGB sowie gemäß § 31 StGB unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 29.November 1977, GZ. 16 Vr 1725/77-25, zu einer (Zusatz-) Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 1/2 (sechseinhalb) Monaten verurteilt.
Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 11.Jänner 1945 geborene Hilfsarbeiter Robert A des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z. 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 16.Juni 1977 in Innsbruck in verabredeter Verbindung mit Ernst D und Manfred E den Johann B und den Leopold C durch Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten am Körper verletzt hatte, wobei B eine Excoreation an der Stirn und eine Rißquetschwunde am Hinterkopf und C eine Schwellung in der Lippengegend und Prellungen am ganzen Körper erlitten hatte. Nach den kurz zusammengefaßten Urteilsfeststellungen begaben sich der Angeklagte, Ernst D und Manfred E am 16.Juni 1977 nach entsprechender vorheriger Verabredung im Gasthof 'N***' in Innsbruck in die Leopoldstraße, wo sie nicht nur Leopold C, gegen den sie dem Tatplan gemäß gewaltsam vorgehen wollten, sondern unerwartet in dessen Begleitung auch Johann B antrafen, auf den sich die Tatverabredung nicht bezogen hatte. Es kam zu einem kurzen Wortwechsel, nach welchem D und E sich gegen B wandten, diesen niederschlugen, ihn mit den Füßen traten und ihm leichte Verletzungen zufügten. Der Angeklagte beteiligte sich an diesen gegen B gerichteten Tätlichkeiten nicht, weil er die Verfolgung des C aufgenommen hatte, der inzwischen die Flucht ergriffen hatte. Er stellte C in der Salurnerstraße, schlug mit Verletzungsvorsatz auf ihn ein und fügte ihm eine Schwellung in der Lippengegend und Prellungen zu. D und E, die dem Angeklagten nachgefolgt waren, legten ebenfalls Hand an C an.
Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde aus den Gründen der Z. 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO, der teilweise Berechtigung zukommt.
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerdeführer verweist in der Rechtsrüge zutreffend darauf, daß nach den oben wiedergegebenen Feststellungen im Urteil die zwischen dem Angeklagten, D und E zustandegekommene Tatverabredung nicht auch einen Angriff auf B, mit dessen Anwesenheit sie gar nicht gerechnet hatten, umschloß, und daß sich der Angeklagte auch nicht an den späteren Tätlichkeiten des D und E gegen B beteiligte. Die vom Erstgericht vertretene Auffassung, der Beschwerdeführer hafte wegen der verabredeten Verbindung gegen C auch für jene Verletzungen, die seine Begleiter dem B zufügten, erweist sich als rechtsirrig. § 84 Abs. 2 Z. 2 StGB qualifiziert die verabredete Verbindung zu einer Körperverletzung. Erstreckt man die Qualifikation auf eine Körperverletzung, die nicht verabredet wurde, so verstößt man gegen das Analogieverbot des § 1 Abs. 1 StGB Fehlt aber eine verabredete Verbindung, so kann jemand, der weder an den Verletzten Hand angelegt noch dazu angestiftet oder geholfen hat (§ 12 StGB), für die Verletzung nicht haften; auch das garantiert § 1 Abs. 1 StGB (Gesetzlichkeitsprinzip: nullum crimen sine lege). Soweit dem Beschwerdeführer das Vergehen der Körperverletzung auch in Ansehung des B angelastet wurde, ist der Schuldspruch sonach mit Nichtigkeit gemäß Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO behaftet. In diesem Umfang hatte daher in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde ein Teilfreispruch zu ergehen.
Im übrigen erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde als unbegründet. Soweit der Beschwerdeführer in der Mängelrüge die Urteilsannahme, daß die (an Leopold C begangene) Tat in verabredeter Verbindung verübt wurde, bekämpft, zeigt er mit seinem Vorbringen keine formalen Begründungsmängel auf, wie sie zur Herstellung des erwähnten Nichtigkeitsgrunds erforderlich wären, sondern unternimmt nur den im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Versuch, die gemäß § 258 Abs. 2 StPO auf Grund einer Gesamtwürdigung der Verfahrensergebnisse vorgenomnene freie Beweiswürdigung des erkennenden Gerichts zu bekämpfen. Daß dieses nicht in der Lage war, den genauen Wortlaut der Verabredung zu klären, ist für die Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Z. 2 StGB nicht erforderlich. Da ferner bereits gesagt ist, daß es sich bei den Mängelbehauptungen um eine unbeachtliche Anfechtung der Beweiswürdigung handelt, braucht auf die Umstände, aus denen das Gericht auf die Verabredung geschlossen hat, im Nichtigkeitsverfahren nicht eingegangen werden. Genug daran, daß das Schöffengericht entgegen der Beschwerdemeinung seiner Begründungspflicht im Rahmen des § 270 Abs. 2 Z. 5 StPO entsprochen hat und daß sich der Rechtsmittelwerber im Faktum C im Sinn der Anklage schuldig bekannt hat (S. 153 in ON. 46, ferner S. 183). Das Erstgericht hat im Urteil zudem ohnedies die Gründe angeführt, aus denen es (in freier Beweiswürdigung) den seinen Feststellungen entgegenstehenden Angaben des D und des E den Glauben versagte. Die Frage, ob auch D und E an C selbst Hand angelegt haben, betrifft gar keine entscheidende Tatsache, weil Tatbegehung in verabredeter Verbindung (§ 84 Abs. 2 Z. 2 StGB) zwar voraussetzt, daß jeder der (mindestens drei) Täter den gleichen Vorsatz hat und auf dem Tatort anwesend ist, um (verabredungsgemäß) in den Ereignisablauf eingreifen zu können, nicht aber auch, daß jeder durch Handanlegung oder sonst ein verletzungsursächliches Verhalten setzt (LSK. 1976/267, 1977/192 =
EvBl. 1977/225; Kienapfel, Grundriß, Besonderer Teil I RN. 354; derselbe in ÖJZ. 1979 S. 94 oben). Insofern der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang 'allenfalls' (S. 207 unten) auch den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO geltend macht, allerdings ohne jegliche Begründung, nur unter Bezugnahme auf sein Vorbringen zur Mängelrüge, ist er auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen.
Bei der infolge Aufhebung des Strafausspruchs vom Obersten Gerichtshof vorzunehmenden Neubemessung der Strafe (S. 194) konnten die Strafzumessungsgründe der ersten Instanz übernommen werden. Allerdings kommt dem Geständnis des Angeklagten kein besonderes Gewicht zu.
Er gab wohl die Tätlichkeiten gegenüber C zu, bestritt jedoch die Tatverabredung. Ein Geständnis ist aber nur dann ein besonderer Milderungsgrund, wenn der Angeklagte dieses reumütig abgelegt oder durch seine Aussage wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat (§ 34 Z. 17 StGB). Diese Voraussetzungen liegen hier nur in sehr beschränktem Ausmaße vor. Die erschwerenden Umstände hingegen überwiegen ihrem inneren Gewicht nach beträchtlich. Sieben der insgesamt einundzwanzig Vorstrafen des Angeklagten beruhen auf der gleichen schädlichen Neigung. Die Voraussetzungen für eine allfällige Anwendung des Strafschärfungsgrunds des § 39 StGB wären bei ihm gegeben. Abgesehen von diesem getrübten Vorleben des Angeklagten, der noch dazu seinen Lebensunterhalt vorwiegend als Zuhälter verdient, ist aber auch der Unrechtsgehalt der gegenständlichen Straftat beträchtlich.
Der Angeklagte wurde mit Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 29. November 1977, GZ. 16 Vr 1725/77-25, nach § 84 Z. 1 StGB (unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 28.April 1977, AZ. 16 E Vr 547/77) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 1/2 Monaten verurteilt, weil er durch Versetzen von Faustschlägen am 31.Jänner 1977 eine Person schwer und am 17.März 1977 eine andere Person leicht verletzt hatte. Die zeitlichen Voraussetzungen des § 31 StGB liegen vor, weshalb auf diese Verurteilung Bedacht zu nehmen und die Zusatzstrafe gemäß § 40 StGB so zu bemessen war, daß die Summe der Strafen jener Strafe entspricht, die bei gemeinsamer Aburteilung zu verhängen gewesen wäre. Im Hinblick auf die von der Staatsanwaltschaft an sich berechtigt erhobene Berufung konnte hiebei ohne Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot eine strengere Strafe als im Ersturteil verhängt werden. Bei gemeinsamer Aburteilung aller dem Angeklagten zur Last fallenden Straftaten wäre nämlich eine Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr dem Schuld- und Unrechtsgehalt angemessen gewesen. Es war daher eine Zusatzstrafe in der Dauer von 6 1/2 Monaten zu verhängen, wobei mit Rücksicht auf das Milieu, in welchem sich der Angeklagte bewegt, auch dem Gesichtspunkt der Generalprävention Rechnung zu tragen war.
Mit ihren dadurch gegenstandslos gewordenen Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E01845European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00009.79.0307.000Dokumentnummer
JJT_19790307_OGH0002_0100OS00009_7900000_000