Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14.März 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Racek sowie in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Friedrich und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Jelinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Norbert A wegen § 133 Abs. 1 und 2 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19.Juni 1978, GZ. 7 b Vr 2413/77-38, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Herzog sowie des Privatbeteiligtenvertreters Dr. Janek und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Strasser, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (nämlich im Schuldspruch wegen Veruntreuung von Bargeld in der Gesamthöhe von 10.700 Schilling, im Teilfreispruch sowie im Ausspruch gemäß § 366 Abs. 1 StPO) unberührt bleibt, insoweit Norbert A auch der Veruntreuung von Elektrogeräten im Gesamtwert von mindestens 10.000 Schilling bzw. des hiefür erzielten Erlöses schuldig erkannt worden ist, sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung im Umfang dieser Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Die gegen den Zuspruch an den Privatbeteiligten gerichtete Berufung wird zurückgewiesen.
Mit seiner Strafberufung wird der Angeklagte auf die obige Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 1.Februar 1939 geborene Tontechniker Norbert A des Vergehens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 und 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe sowie gemäß dem § 369
StPO zur Bezahlung des Betrages von 5.000 S an den Privatbeteiligten Friedrich B verurteilt.
Nach den Urteilsfeststellungen hatte sich der Angeklagte zwischen dem 24.August und dem 25.November 1976 als Filialleiter des Kaufmannes Friedrich B, welcher einen Handel mit Elektrogeräten betreibt, Inkassobeträge von insgesamt 10.700 S sowie 'Elektrogeräte' aus dem Geschäft seines Dienstgebers im Gesamtwert von mindestens 10.000 S bzw. den dafür erzielten Verkaufserlös mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Die nähere Bezeichnung und Bewertung der vom Angeklagten solcherart an sich gebrachten Elektrogeräte (oder deren Erlöse) im Gesamtwert von mindestens 10.000 S ist dem Ersturteil nicht zu entnehmen (vgl. S. 152, 154 f., 157 f.).
Vom Anklagevorwurf der Zueignung eines Magnetophons P*** 4417 im Wert von 7.490 S und dreier Boxenpaare im Gesamtwert von 9.260 S und eines weiteren (nicht genannten) Elektrogerätes sprach das Erstgericht den Angeklagten gemäß § 259 Z. 3 StPO frei. Zum Unterschied vom Urteilsspruch (S. 153) heißt es in den Gründen (S. 158 f.), daß der Angeklagte von der Anklage der Veruntreuung 'in bezug auf weitere' (ebenfalls ungenannte) 'Geräte' (neben dem Magnetophon und den drei /Lautsprecher- / Boxenpaaren) im Zweifel freizusprechen war.
Gegen den schuldigsprechenden Abschnitt des Urteils richtet sich die auf die Z. 5, 9 lit. a und 10 - der Sache nach auch Z. 3 - des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
Ihr kommt teilweise Berechtigung zu.
Unter Geltendmachung des erstangeführten Nichtigkeitsgrundes wendet sich der Beschwerdeführer gegen den Schuldspruch wegen Zueignung von Elektrogeräten (bzw. deren Erlösen) im Gesamtwert von mindestens 10.000 S, den er als unvollständig, undeutlich und unzureichend begründet rügt.
Den Beschwerdeausführungen (S. 172, 174) ist dahin beizupflichten, daß das Ersturteil, wie bereits angedeutet (entgegen der dem Gericht gemäß § 3 StPO obliegenden Verpflichtung zur objektiven Feststellung des Sachverhaltes) nicht erkennen läßt, welche der in der Anklage aufscheinenden Elektrogeräte oder deren Erlös dem Schuldspruch (neben dem Inkassobetrag von 10.700 S) zugrundeliegen. Der Beschwerdeführer macht daher zu Recht, der Sache nach den - Nichtigkeit des Urteils nach der Z. 3 des § 281 Abs. 1 StPO bewirkenden - Mangel einer ausreichenden Individualisierung der Tat im Sinne des § 260 Abs. 1 Z. 1 StPO geltend (LSK. 1976/357 u.a.). Denn im Hinblick darauf, daß das Erstgericht auch im freisprechenden Teil des Urteils bloß zwei Positionen des Anklagetenors (Magnetophon der Marke P*** 4417 und drei Boxenpaare) ausdrücklich anführt, es im übrigen aber ungeklärt läßt, in Ansehung welcher weiteren Geräte (oder welchen weiteren Gerätes) es keine Zueignungshandlung des Beschwerdeführers für erwiesen annimmt, kann nicht differenziert werden, welche der (unter Abzug des Wertes der im Freispruch namentlich genannten) einen Gesamtwert von 21.940 S repräsentierenden Elektrogeräte (oder deren Erlöse) Gegenstand des Schuldspruches im wertmäßigen Umfang von 'mindestens' 10.000 S und des - grundsätzlich einer Wiederaufnahme zum Nachteil des Beschwerdeführers zugänglichen (§ 355 StPO) - Freispruches sind. Damit ist auch nicht gewährleistet, daß der Beschwerdeführer wegen der ihm vom Erstgericht im Schuldspruch (ebenfalls nicht individualisierbar) angelasteten Zueignung eines oder mehrerer Geräte (oder deren Erlöse) nicht neuerlich verfolgt und verurteilt werden könnte.
Zufolge Vorliegens der Nichtigkeit nach der Z. 3
des § 281 Abs. 1 StPO im Schuldspruch wegen der Zueignung von Elektrogeräten oder deren Erlöse im Mindestgesamtwert von 10.000 S, welche in diesem Umfang die Aufhebung des Schuldspruches und demzufolge auch des Strafausspruches und des Zuspruches eines Schadenersatzes an den Privatbeteiligten nach sich zieht, erübrigt es sich, auf das weitere, diesen Ausspruch bekämpfende Beschwerdevorbringen einzugehen.
Unbegründet ist die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch, soweit sie den Schuldspruch wegen der Zueignung des Inkassobetrages von 10.700 S betrifft.
Der vom Beschwerdeführer unter dem Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO erhobene Einwand, es mangle 'zumindest' in Ansehung des Schuldspruches wegen der Veruntreuung der Elektrogeräte am Bereicherungsvorsatz, läßt die Deutung zu, daß der Beschwerdeführer damit dem Ersturteil den gleichen Mangel auch hinsichtlich des Schuldspruches wegen der Zueignung des Betrages von 10.700 S vorwirft.
Dieser Vorwurf vergleicht jedoch nicht, wie dies eine gesetzmäßige Darstellung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes voraussetzt, den im Urteil festgestellten Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz.
Denn das Erstgericht hat, überdies mängelfrei, und zwar ausgehend insbesondere vom Geständnis des Angeklagten (S. 47 f., 59 f., 81, 145), den aus der Verwendung dieses Betrages für eigene Zwecke hervorgehenden Bereicherungsvorsatz des Beschwerdeführers für erwiesen angenommen (S. 152, 154). Die Rechtsrüge erscheint deshalb insofern nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.
Ansonsten ist sie nicht berechtigt.
Wenn sie unter den Nichtigkeitsgründen der Z. 5, 9
lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO der Sache nach Feststellungsmängel (im Sinne der Z. 9 lit. a) darüber releviert, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Anzeigeerstattung gegen ihn über einen - in fälligen Lohnansprüchen (Lohn für November 1976 samt anteiliger Weihnachtsremuneration) von rund 12.000 S netto gegen den Anzeiger Friedrich B bestehenden - sogenannten 'präsenten Deckungsfonds' verfügt habe (S. 172 f., 176 f.), wird von der Beschwerde zunächst das Wesen eines derartigen Fonds verkannt. Ein solcher ist nämlich nur anzunehmen und damit der Bereicherungsvorsatz im Sinne des Tatbestands der Veruntreuung ausgeschlossen, falls der Täter das anvertraute Gut durch eine für ihn zur Tatzeit präsent verfügbare, binnen kurzem verwertbare gleichwertige Sache austauschen kann, zu diesem Austausch gewillt und über den Fonds unabhängig vom Willen oder der Zustimmung Dritter frei zu verfügen in der Lage ist (ÖJZ-LSK. 1977/208 u.v.a.). Offene Forderungen stellen jedoch regelmäßig keinen präsenten Deckungsfonds dar (SSt. 25/56). Gegenforderungen, wie etwa Lohnansprüche, des Täters gegen den durch sein, objektiv im Sinne der Veruntreuung tatbildliches Verhalten Geschädigten zur Tatzeit können - wiewohl einer zivilrechtlich gültigen Aufrechnung das Verbot des § 1440 (Satz 2) ABGB. entgegensteht - den Bereicherungsvorsatz zwar ausschließen, jedoch nur dann, wenn der Täter bei der Zueignung mit Kompensationswillen handelt, wofür als wesentliches Indiz die gleichzeitige Verständigung des Partners von der Tatsache der Aufrechnung gilt. Das bloße Gegenüberstehen von Forderungen allein vermag den Bereicherungsvorsatz nicht auszuschließen (ÖJZ-LSK. 1978/187, 314 u.v.a.).
Das Bestehen eines Aufrechnungswillens zu den Tatzeiten wurde vom Beschwerdeführer aber weder in erster Instanz (vgl. S. 146), noch in seinem Rechtsmittel, in welchem er lediglich von zur Zeit der Beendigung seines Dienstverhältnisses fälligen Lohnansprüchen für den (laufenden) Monat November 1976 samt Zuschlägen und anteiliger Weihnachtsremuneration spricht (S. 176 f.), behauptet und es ergaben auch die sonstigen Verfahrensergebnisse keine Anhaltspunkte hiefür. Davon abgesehen versucht der Beschwerdeführer, dessen Lohn erst am Ende des Monats November fällig war (S. 146), gar nicht darzutun, daß seine Forderung gegen den Dienstgeber schon zu den jeweiligen, früheren Tatzeiten bestand.
Da der Akteninhalt keine Grundlage für Feststellungen der vom Beschwerdeführer reklamierten Art bot, versagt die Rechtsrüge zur Gänze.
Der Angeklagte hat die Berufung ausdrücklich nur 'wegen Strafe' angemeldet (ON. 41, S. 165, 166). In der Berufungsschrift begehrt Norbert A eine Strafermäßigung, die bedingte Strafnachsicht, sowie überdies die Aufhebung des Zuspruchs an den Privatbeteiligten und dessen gänzliche Verweisung auf den Zivilrechtsweg. Mit seiner Strafberufung war der Rechtsmittelwerber auf die in Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde vorgenommene Kassierung des Strafausspruchs zu verweisen. Die gegen das stattgebende Adhäsionserkenntnis (der Angeklagte hatte einen zivilrechtlichen Schaden von 27.000 S anerkannt: S. 102) nicht angemeldete, aber ausgeführte Berufung ist verspätet. Sie war sogleich zurückzuweisen, weil es aus prozeßrechtssystematischen Gründen geboten ist, ein unzulässiges Rechtsmittel nicht gleich einem zulässigen zu behandeln.
Anmerkung
E01812European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00159.78.0314.000Dokumentnummer
JJT_19790314_OGH0002_0100OS00159_7800000_000