Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14.März 1979 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Racek, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Friedrich und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Jelinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerald A wegen des Verbrechens des Diebstahls nach § 127 ff. StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 14.Dezember 1978, GZ. 25 Vr 3161/78-16, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Wlaka und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 1 (ein) Jahr herabgesetzt. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
520 Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22.März 1955 geborene beschäftigungslose Schlossergehilfe Gerald A des in mehreren Teilfakten verübten Verbrechens des Diebstahls nach § 127 Abs. 1, 129 Z. 1 StGB. und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB. schuldig erkannt. Dem Angeklagten liegt laut dem allein mit seiner - auf die auf Z. 9 lit. a und 10, der Sache nach auch 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten - Nichtigkeitsbeschwerde bekämpften Punkt I 6 des Urteilssatzes zur Last, daß er im September 1978 in Innsbruck einem Unbekannten Turnschuhe ('Turnpatschen') im Wert von ca. 50 S mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern (Punkt I 6 des Urteils). Mit dem Ziel, eine Beurteilung dieser Tat als Fundverheimlichung (ersichtlich gemeint als Unterschlagung gemäß § 134 Abs. 1 StGB.) oder als Entwendung (§ 141 StGB.) zu erreichen, allenfalls sogar überhaupt freigesprochen zu werden, bringt der Beschwerdeführer vor, ebenso, wie nach Ansicht des Schöffengerichts jeglicher Hinweis darauf fehle, daß es sich bei den Turnschuhen um herrenloses Gut gehandelt habe, ermangle es umgekehrt (aber auch) jeden Anhaltspunkts dafür, daß - wovon das Urteil ausgehe - die Turnschuhe bloß vergessen worden seien; es habe nicht erwiesen werden können und es enthalte auch das Urteil keine Feststellung darüber, daß der Beschwerdeführer nicht der Ansicht gewesen sei, bei den Turnschuhen handle es sich um eine herrenlose Sache. Die Rechtsrüge ist unbegründet.
Das Erstgericht hat festgestellt, daß die gegenständlichen Turnschuhe hinter einem (Fußball-) Tor auf dem Wacker-Sportplatz abgelegt waren und der Beschwerdeführer mit der Wegnahme gewartet hat, bis sich niemand mehr auf dem Gelände befand. Nach Auffassung des Schöffengerichts fehlte es bei dieser Sachlage (vgl. auch die - mit der allgemeinen Anschauung im Einklang stehende - Regelung des § 388 ABGB., wonach eine Preisgabe des Eigentums im Zweifel nicht zu vermuten ist und daher kein Finder eine gefundene Sache für verlassen ansehen und sich dieselbe zueignen darf) an Hinweisen auf eine - vom Angeklagten im Verfahren erster Instanz gar nicht behauptete - Herrenlosigkeit der Turnschuhe (S. 101). Insoweit die Beschwerde etwa eine Bekämpfung der Negierung der Herrenlosigkeit in tatsachenmäßiger Hinsicht im Auge hat (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO.), stellt die sinngemäß aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer habe eine solche Herrenlosigkeit angenommen, eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige und damit unbeachtliche Neuerung dar (s. auch S. 11, 31 und 91 f.).
Die gegenteilige Urteilsannahme, diese Sache sei weder herrenlos noch verloren gewesen, sondern habe sich vor der Wegnahme durch den Beschwerdeführer im Besitz ihres rechtmäßigen Benützers befunden, ist in tatsächlicher wie rechtlicher Beziehung einwandfrei; denn es kommt immer wieder vor, daß Sportutensilien auf Sportplätzen einige Zeit unbeaufsichtigt liegen bleiben, mag dies nun aus Bequemlichkeit oder, worauf das Erstgericht hier abstellt (S. 101), aus Vergeßlichkeit geschehen. Keinesfalls wird dadurch der Gewahrsam des bisherigen Eigentümers aufgehoben und die Sache verloren oder gar herrenlos. Darüber besonders abzusprechen, ob ihr der Beschwerdeführer (subjektiv) eine derartige Eigenschaft zumaß, bestand schon deshalb kein Anlaß, weil er sich im erstinstanzlichen Verfahren in dieser Richtung gar nicht verantwortet hatte. Es haftet demnach dem angefochtenen Schuldspruch weder der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. noch jener nach der Z. 10 dieser Gesetzesstelle an.
Warum die in Rede stehende Tat aber - anders als die übrigen (Diebstahls-) Fakten - bloß als Entwendung nach § 141 StGB. gewertet und der Angeklagte sohin mangels Vorliegens der im Abs. 2 dieser Vorschrift geforderten Ermächtigung des - hier nicht bekannten - Verletzten freigesprochen hätte werden sollen, ist den Beschwerdeausführungen nicht zu entnehmen. Diese heben nur ganz allgemein den (objektiv) geringen Wert der Turnschuhe von 50 S hervor, gehen aber auf die subjektiven Voraussetzungen überhaupt nicht ein und führen keinen der für eine solche Subsumtion über die Geringwertigkeit des entfremdeten Guts hinaus nötigen Beweggründe (Not, Unbesonnenheit oder Befriedigung eines Gelüstes) zugunsten des Angeklagten ins Treffen; die insofern sachlich aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO. erhobene Rechtsrüge erweist sich schon deshalb als nicht zielführend.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde war mithin zu verwerfen. Das Schöffengericht verurteilte Gerald A gemäß § 28, 129 StGB. zu 15 Monaten Freiheitsstrafe. Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die Wiederholung der diebischen Angriffe und die einschlägigen Vorstrafen als erschwerend, hingegen das Geständnis, in dessen Rahmen - wie das Urteil besonders hervorhebt - der Angeklagte vor der Polizei auch aus eigenem Diebstähle zugegeben hatte (S. 24). Mit seiner Berufung strebt Gerald A eine Strafherabsetzung an. Der Berufung kommt Berechtigung zu.
Wohl weist der Berufungswerber insgesamt vier Vorstrafen wegen auf gleicher schädlicher Neigung (§ 71 StGB.) beruhenden Taten (§ 171 ff.; 468 StG.; § 133 StGB.) und eine bisherige Gesamtstrafdauer von rund einem Jahr und fünf Monaten auf. Dennoch kann nicht übersehen werden, daß der von ihm verursachte Schaden gering ist und alle ihm zur Last gelegten Straftaten im Bereich der Kleinkriminalität liegen. Gerald A hat außerdem ein umfassendes Geständnis abgelegt und, weil er von sich aus zwei der gegenständlichen Diebstahlsfakten eingestand, durch seine Aussage wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen. Namentlich diesem besonderen Milderungsgrund im Sinne des § 34 Z. 17 StGB. wurde vom Erstgericht offenkundig zu geringe Bedeutung beigemessen.
Aus den Urteilsfeststellungen (S. 100) ergibt sich schließlich, daß der Berufungswerber die Tat im Faktum 1
(Diebstahl zum Nachteil der Fa. B am 2.September 1978) in alkoholisiertem Zustand (jedoch ohne zurechnungsunfähig zu sein) verübte. Dieser Umstand tritt dem Geständnis als weiterer Milderungsgrund hinzu.
Der Oberste Gerichtshof ist der Ansicht, daß bei Abwägung all' dieser Erschwerungs- und Milderungsgründe eine Freiheitsstrafe in der aus dem Spruch ersichtlichen Höhe dem Schuld- und Unrechtsgehalt der dem Berufungswerber zur Last gelegten Straftaten entspricht.
Anmerkung
E01848European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00021.79.0319.000Dokumentnummer
JJT_19790319_OGH0002_0100OS00021_7900000_000