Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Kießwetter,nDe. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Santa als Schriftführers in der Strafsache gegen Emmerich A wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach den § 146, 147 (Abs. 2 und) Abs. 3 StGB mit Zustimmung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengerichtes vom 29.November 1978, GZ. 29 Vr 858/77-33, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Realitätenhändler Emmerich A des Verbrechens des schweren Betruges nach den § 146, 147 (Abs. 2 und) Abs. 3 StGB schuldig erkannt, weil er 'in der Zeit vom 4. Dezember 1972 bis zum 2.Juli 1975 in Friesach (Kärnten) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der Volksbank Friesach durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch Vorgabe seiner Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit sowie durch Vorlage einer Zessionsurkunde über eine nicht bestehende Forderung, zur Gewährung von Krediten in der Höhe von 1,705.548,50 S verleitete, die die Volksbank Friesach an ihrem Vermögen schädigte' (S. 467, 468).
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen wandte sich der Angeklagte, 'um die Mittel zur Abdeckung seiner großen Schulden aufbringen zu können, an die Volksbank Friesach, von der er sich die Einräumung namhafter Kredite erhoffte'; er verhandelte dabei stets 'ausschließlich mit dem (später selbst wegen des zu Lasten dieses Geldinstitutes begangenen Verbrechens der Untreue nach dem § 153 Abs. 2 StGB strafgerichtlich verfolgten) Geschäftsführer der Volksbank Friesach Hermann W***' (S. 470);
in der Folge wurde ihm auf Grund seines Kreditantrages vom 4.Februar 1972 ein Kontokorrentkredit bis zum Höchstbetrag von 60.000 S gewährt, welcher mit Kredit- und Pfandbestellungsvertrag vom 30.März 1973 bzw. 16.April 1973 für den Angeklagten und seine Ehefrau Ingeborg A als Kontokorrentkreditnehmer unter Bestellung einer ihnen gehörigen (allerdings mit Vorpfandrechten von insgesamt 808.663 S s. A. belasteten) Liegenschaft zum Pfande auf den Höchstbetrag von 1,300.000 S erweitert wurde. Als dieser Kredit bis 31.Dezember 1973 bereits mit 1,273.424,17 S aushaftete, verstand es der Angeklagte nach den weiteren Urteilsannahmen durch die Vorgabe, es stünde ihm gegen das Architektenbüro der 'Planungsgruppe Süd' eine Forderung von 1,176.000 S zu, deren Zession er der Volksbank Friesach am 6. Juni 1974 anbot, Angestellte dieses Geldinstitutes zur Einräumung weiterer Kredite zu bewegen, sodaß seine Verbindlichkeit gegenüber demselben ohne Berücksichtigung der Zinsen bis 2.Juli 1975 auf 1,705.548,50 S anwuchs (S. 471).
Der Angeklagte hat sich, wie das Erstgericht des weiteren wörtlich in allerdings sinnwidriger Weise ausführt, 'im Vertrauen auf eventuell auf ihn zukommende Luft- und Hoffnungsgeschäfte' (gemeint sind Provisionen aus Geldgeschäften 'in der Größenordnung von vielen Millionen in inund ausländischer Währung' /S. 476 /, die über die Volksbank Friesach abgewickelt werden sollten) 'sicher mit der Schädigung der Volksbank Friesach abgefunden' und zwar bis zur überziehung des Kredites mit bedingtem, ab dieser mit direktem Vorsatz (S. 482).
Nachdem der - ungeachtet seiner zehnjährigen Laufzeit - 'jederzeit nach freiem Ermessen und ohne Angabe von Gründen mit sofortiger Wirkung' aufkündbare (und daher auch danach nach Auffassung des Schöffensenates mit Schädigungsvorsatz aufgenommene /S. 477 /) Kontokorrentkredit, auf den nur eine einzige (Rück-)Zahlung (und zwar am 12.Juni 1975 in der Höhe eines Betrages von 10.015,70 S) geleistet wurde, von der Volksbank Friesach zum 10.September 1975 fällig gestellt worden war, wurde durch Zwangsversteigerung der verpfändeten Liegenschaft ein Erlös von 1,300.000 S erzielt, aus dem nach Befriedigung der vorrangigen Gläubiger der Volksbank Friesach zur teilweisen Abdeckung ihrer Gesamtforderung von 2,098,625 S s.A. lediglich ein Betrag von 390.804,73 S verblieb (S. 473). Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch mit einer ausdrücklich auf die Z. 4, 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde (und im Strafausspruch mit Berufung).
In Ausführung der Rechtsrüge wendet sich die Beschwerde unter anderem gegen die rechtliche Beurteilung des im Urteil festgestellten Sachverhaltes als Betrug, weil es am Tatbestandsmerkmal einer Täuschung der Kreditgeberin über Tatsachen fehle.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde ist hinsichtlich des die Aufnahme und Ausschöpfung des Kontokorrentkredites betreffenden Schuldspruches schon insoweit begründet, weil dem Urteil diesbezüglich Feststellungsmängel anhaften.
Zur rechtlichen Annahme einer Täuschung im Sinne des § 146 StGB ist zwar kein besonders raffiniertes Vorgehen des Täters zur Irreführung eines anderen erforderlich, sodaß selbst die leichte (objektive) Erkennbarkeit der Unrichtigkeit einer Vorgabe eine solche nicht ausschließt. Entscheidend ist nur, daß die bezügliche Handlungsweise des Täters nach den Umständen des konkreten Falles geeignet ist, einen Irrtum hervorzurufen oder zu bestärken (vgl. SSt. 43/25; EvBl. 1976/162; LSK. 1977/99
u. a.). Die zum Betrug erforderliche - für den Irrtum des Getäuschten kausale - Täuschungshandlung muß jedoch entweder im ausdrücklichen Behaupten falscher Tatsachen, im Entstellen wahrer Tatsachen oder in zur Irreführung des anderen bestimmten (und geeigneten) schlüssigen Handlungen bestehen. Letzteres kommt insbesondere auch bei Kreditgeschäften eines zahlungsunwilligen oder zahlungsunfähigen Darlehensnehmers in Betracht. Denn in der Regel bekundet derjenige, der ein Darlehen aufnimmt, schon nach den Regeln und Gewohnheiten des redlichen Verkehrs (§ 863 ABGB.) stillschweigend, daß er den Willen und die Möglichkeit hat, seiner Zahlungsverpflichtung nachzukommen. Soweit daher bei Kreditgeschäften der Wille und die Fähigkeit, eine eingegangene Schuld zur vereinbarten Zeit zu bezahlen, entsprechend dem Grundsatz von Treu und Glauben im Geschäftsleben eine selbstverständliche Voraussetzung ist, täuscht jemand, der seinem Geschäftspartner beim Abschluß eines solchen seine mangelnde Zahlungsfähigkeit bzw. Zahlungswilligkeit verschweigt, über das Vorhandensein essentieller Geschäftsvoraussetzungen, nämlich über die Möglichkeit der Erbringung der vereinbarten Leistung durch ihn und seine Bereitschaft zur Erbringung dieser Leistung (vgl. EvBl. 1976/173 u. a.).
Anders verhält es sich allerdings bei einem Darlehensgeber, der sich in Kenntnis der die Zahlungsunfähigkeit des Darlehensnehmers begründenden Tatumstände in der ungewissen Erwartung, es werde sich die ihm bekannte, gegenwärtige ungünstige wirtschaftliche Lage des Darlehensnehmers bessern, zur Zuzählung eines Darlehens bestimmen läßt und damit entweder, ohne über Tatsachen getäuscht worden zu sein, die Realität falsch einschätzt oder bewußt auf die Gefahr hin handelt, daß der Empfänger des Darlehens seinen Rückzahlungsverpflichtungen entweder überhaupt nicht oder zumindest in einem wirtschaftlich vertretbarem Zeitraum nicht werde nachkommen können und somit dieses Risiko in seine Erwägungen einkalkuliert. In einem solchen Fall stellt sich das bloße Auftreten als Darlehensnehmer - ohne ausdrückliches Behaupten unwahrer Tatsachen oder Verschweigen wesentlicher Tatumstände - nicht als ein zur Täuschung über eine wesentliche Geschäftsvoraussetzung geeignetes Verhalten dar.
Im vorliegenden Fall reichen nun die im Urteil getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht aus, um in rechtlicher Hinsicht eine Täuschungshandlung des Angeklagten (im dargelegten Sinn) und einen durch sie hervorgerufenen, eine Tatsache betreffenden Irrtum auf Seiten der an ihrem Vermögen durch Einräumung und Duldung der Ausschöpfung des Kontokorrentkredites geschädigten Volksbank Friesach annehmen zu können. Denn das Erstgericht erblickt die durch den Angeklagten bewirkte Täuschung über Tatsachen, nämlich die 'Vorgabe seiner Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit' (S. 467), nur in der 'Aufnahme, Ausschöpfung und überziehung des ihm eingeräumten Kredites' schlechthin (S. 480), ungeachtet dessen, daß schon durch die Bestellung einer mit Vorranghypotheken schwer belasteten Liegenschaft zum Pfande dem Kreditgeber die damalige ungünstige wirtschaftliche Lage des Kreditnehmers eindringlich vor Augen geführt wurde. Ausgehend von der weiteren Annahme des Erstgerichtes, daß 'alle (also auch die Sachwalter der Volksbank Friesach) bei Zustandekommen der (Luft- und Hoffnungs-)Geschäfte einen nicht unbedeutenden Gewinn in Form von Provisionen usw. witterten', mußte wohl auch allen - insbes. den Sachwaltern der Bank und nicht nur dem Angeklagten - 'klar gewesen sein, daß von einer Bank, wie es die Volksbank Friesach ist, Kredite in der von ihm (dem Angeklagten) genannten Höhe nur mit Genehmigung des Vorstandes, des Aufsichtsrates, der Generalversammlung und nur mit Mithaftung der Zentralinstitute, wie der Volksbanken AG., sowie der Rückhaftung des betreffenden Landes, wo das Großbauvorhaben durchgeführt werden sollte, zur Durchführung von im vorhinein ganz bestimmten, vor der Realisierung stehenden und behördlich genehmigten Geschäften aufgenommen werden können', sodaß aus dem Wissen des Angeklagten, daß ' an ihn in absehbarer Zeit derart hohe Provisionen von irgendwelcher Seite ... nicht zur Auszahlung gelangen werden, die ihm die Abzahlung des Kredites ermöglicht hätten, vom Schöffengericht zwar der Schädigungsvorsatz, nicht aber eine (unter diesen Umständen auch nicht ableitbare) Täuschung (des über diese Gegebenheiten informierten Kreditgebers) über Tatsachen abgeleitet wurde (S. 476, 477).
Anders als die Einräumung und die Duldung einer Ausschöpfung des Kontokorrentkredites führte das Erstgericht die Gestattung der überziehung desselben über den Höchstbetrag von 1,300.000 S hinaus bis zu einem Betrag von 1,705.548,50 S ursächlich (auch) auf die Vortäuschung einer dem Angeklagten gegen die 'Planungsgruppe Süd' zustehenden Forderung von 1,176.000 S und deren Zession an die Volksbank Friesach durch Vorlage einer 'Zessionsurkunde' vom 6.Juni 1974 zurück (S. 480). Abgesehen davon, daß der Zeitpunkt der ersten überziehung des Kontokorrentkredites sich nicht mit dem der Vorlage dieser 'Zessionsurkunde' deckt, stellt das Erstgericht hiezu fest, daß dem Angeklagten bekannt gewesen sei, daß (auch) Kreditüberziehungen nicht nur durch den Geschäftsführer einer Bank, sondern auch durch den Vorstand und Aufsichtsrat genehmigt werden müssen, was im gegenständlichen Fall nicht geschehen sei und nimmt sogar erkennbar an, daß der Angeklagte den Geschäftsführer B zur eigenmächtigen Gewährung einer Kreditüberziehung an ihn geradezu verleitet habe (S. 485), ohne allerdings daraus die Konsequenz zu ziehen, sein Verhalten insoweit materiellrechtlich als Beteiligung nach dem § 12 StGB an dem von Hermann B zu verantwortenden Verbrechen der Untreue nach dem § 153 Abs. 2 StGB zu beurteilen. Erst nach Klärung der Fragen, ob das Tatverhalten des Angeklagten nach den Umständen des Falles und getrennt für die Einräumung und die Duldung einer Ausschöpfung des Kontokorrentkredites einerseits und die Gestattung seiner überziehung andererseits geeignet war, bei den von ihm für vertretungsbefugt gehaltenen Sachwaltern der Volksbank Friesach unter Berücksichtigung seiner diesen erkennbaren wirtschaftlichen Verhältnisse eine Täuschung über seine Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit zu begründen, und ob zwischen seinem Verhalten und dem Irrtum allenfalls Getäuschter ein ursächlicher Zusammenhang besteht, ferner, ob hinsichtlich der Gestattung einer überziehung des Kontokorrentkredites eine Täuschung von Sachwaltern der Volksbank Friesach, insbesondere des Geschäftsführers Hermann B, durch den Angeklagten oder aber eine (bewußte) Verleitung des Geschäftsführers zur Untreue anzunehmen ist, wird eine abschließende materiellrechtliche Beurteilung des Sachverhaltes möglich sein. Das Urteil erweist sich sohin als mit auf einem Rechtsirrtum beruhenden Feststellungsmängeln im Sinne des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a und Z. 10 StPO behaftet, die eine Urteilsaufhebung unvermeidbar erscheinen lassen.
Da sich zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat, war der Nichtigkeitsbeschwerde - mit Zustimmung der Generalprokuratur - gemäß dem § 285 e StPO bereits in nichtöffentlicher Sitzung Folge zu geben und wie im Spruche zu erkennen, wobei es sich erübrigte, auf das weitere Beschwerdevorbringen, das gleichfalls nur auf eine Urteilsaufhebung abzielt - die übrigen Beschwerdeausführungen zum Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 StPO entbehren nämlich, weil sie in Verneinung des Schädigungsvorsatzes von den Urteilsfeststellungen abweichen, der gesetzmäßigen Darstellung - näher einzugehen.
Mit seiner durch die Urteilsaufhebung gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen. Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht nach Ergänzung und abermaliger Prüfung der Verfahrensergebnisse im dargelegten Sinn alle erforderlichen, für die rechtliche Beurteilung des Tatbestandsmerkmals der Täuschung über Tatsachen und der übrigen Voraussetzungen des Betruges (unter ausdrücklicher Anführung der Schadenshöhe) bzw. einer Beteiligung an einer Untreue - insbesondere im Hinblick auf das dem Angeklagten zugebilligte Vertrauen auf das Zustandekommen lukrativer Geschäfte auch zum Schädigungsvorsatz mängelfrei begründeten - entscheidungswesentlichen Feststellungen zu treffen haben.
Anmerkung
E01842European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0130OS00013.79.0322.000Dokumentnummer
JJT_19790322_OGH0002_0130OS00013_7900000_000