TE Vwgh Erkenntnis 2005/4/26 2002/21/0073

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Veröffentlicht am 26.04.2005
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §105 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs3;
MRK Art6;
StGB §1 Abs1;
StGB §73;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Thurin, über die Beschwerde des I, vertreten durch Mag. Herwig Holzer, Rechtsanwalt in 1170 Wien, Geblergasse 95/12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 5. Oktober 2001, Zl. Fr 4228/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen rumänischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1, Abs. 2 Z 1 und Abs. 3 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot.

Diese Maßnahme begründete sie im Wesentlichen folgendermaßen:

Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Amtsgerichtes Laufen (BRD) vom 13. Juli 2000 wegen des Einschleusens von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verurteilt worden. Dieser Verurteilung sei zu Grunde gelegen, dass der Beschwerdeführer am 12. Juni 2000 drei namentlich genannte afghanische Staatsangehörige mit zwei minderjährigen Kindern in die Bundesrepublik Deutschland gegen Entgelt geschleust habe. Diese Verurteilung wegen "Schlepperei" sei gemäß § 73 StGB einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht gleichzusetzen. Der Beschwerdeführer sei "in keinster Weise" bereit, österreichische Rechtsnormen zur Kenntnis zu nehmen. Seine kriminellen Handlungen zeigten, dass eine Integration seiner Person in die österreichische Gesellschaft nicht möglich sei.

Der Beschwerdeführer sei am 23. Juni 1990 illegal eingereist und habe einen Asylantrag gestellt. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 28. Juni 1990 sei festgestellt worden, dass dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes "1955" nicht zukomme. Auch sei festgestellt worden, dass sich sein weiterer Aufenthalt gemäß § 5 Abs. 3 leg. cit. nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes richte. Sein Asylantrag sei letztlich mit Bescheid vom 30. Juli 1992 in zweiter Instanz rechtskräftig negativ entschieden worden. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 14. September 1992 habe er seinen ersten bis 31. August 1993 gültigen Sichtvermerk erhalten. Der Beschwerdeführer habe die strafbare Handlung bereits am 12. Juni 2000 begangen, also nach nicht einmal achtjährigem rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet. Deshalb sei gemäß § 35 Abs. 1 FrG ein Aufenthaltsverbot sehr wohl zulässig. Die belangte Behörde sehe sich auch unter Ermessensgesichtspunkten außer Stande, von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes abzusehen.

Es seien der belangten Behörde keine Beziehungen des Beschwerdeführers zu in Österreich lebenden Personen zur Kenntnis gebracht worden. "Auch bei etwaigen privaten Interessen wären die öffentlichen Interessen höher zu werten gewesen. Angesichts der massiven Gewichtung Ihres rechtswidrigen Verhaltens (Delikt der Schlepperei) liegt das Dringend-geboten-sein des Aufenthaltsverbotes gemäß § 37 leg. cit. eindeutig auf der Hand."

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. Februar 2002, B 1641/01-6, nach Ablehnung ihrer Behandlung abgetretene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

§ 36 FrG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 134/2000 lautet auszugsweise:

     "(1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen

werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme

gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

     1.        die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit

gefährdet oder

     2.        anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten

öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

     (2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat

insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

     1.        von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten

Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

...

5. Schlepperei begangen oder an ihr mitgewirkt hat;

...

(3) Eine gemäß Abs. 2 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Eine solche Verurteilung liegt jedoch vor, wenn sie durch ein ausländisches Gericht erfolgte und den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht."

Gemäß § 73 StGB stehen, sofern das Gesetz nicht ausdrücklich auf die Verurteilung durch ein inländisches Gericht abstellt, ausländische Verurteilungen inländischen gleich, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist und in einem den Grundsätzen des Art. 6 EMRK entsprechenden Verfahren ergangen sind. Gemäß § 1 StGB darf eine Strafe oder eine vorbeugende Maßnahme nur wegen einer Tat verhängt werden, die unter eine ausdrückliche gesetzliche Strafdrohung fällt und schon zur Zeit ihrer Begehung mit Strafe bedroht war (Abs. 1), wobei eine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe nicht verhängt werden darf (Abs. 2 erster Satz).

Den insoweit unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid zufolge wurde der Beschwerdeführer von einem deutschen Gericht wegen entgeltlicher Schlepperei von fünf Personen verurteilt.

Im Zeitpunkt der Begehung der dem Beschwerdeführer angelasteten Straftat (12. Juni 2000) war gemäß § 105 Abs. 1 FrG in der Fassung vor der (am 1. Juli 2000 in Kraft getretenen) Novelle BGBl. I Nr. 34/2000 Schlepperei dann gerichtlich strafbar, wenn jemand um seines Vorteils willen Schlepperei begeht und

1. damit die gemeinsame rechtswidrige Ein- oder Ausreise von mehr als fünf Fremden fördert oder

2. innerhalb der letzten fünf Jahre schon einmal wegen einer solchen Tat von einem Gericht verurteilt oder von einer Verwaltungsbehörde bestraft worden ist oder

3. innerhalb der letzten fünf Jahre schon einmal wegen einer solchen Tat von einem ausländischen Gericht in einem den Grundsätzen des Art. 6 EMRK entsprechenden Verfahren verurteilt worden ist.

Nach dem Gesagten war die Tat, derentwegen der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Deutschland verurteilt worden ist, zum Zeitpunkt ihrer Begehung in Österreich nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht. Diese Verurteilung steht daher im Sinn des § 73 StGB einer inländischen Verurteilung nicht gleich und sie vermag den von der belangten Behörde herangezogenen Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG nicht zu erfüllen. Dies hat die belangte Behörde verkannt und ihren - nicht auch auf § 36 Abs. 2 Z 5 FrG gestützten - Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 26. April 2005

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002210073.X00

Im RIS seit

02.06.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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