TE OGH 1979/3/27 9Os18/79

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Veröffentlicht am 27.03.1979
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Der Oberste Gerichtshof hat am 27. März 1979

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Umlauft als Schriftführer in der Strafsache gegen Anna A wegen des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach § 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. November 1978, GZ 5 d Vr 3890/78- 18, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Berta Mühl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 8. März 1951 geborene Buchbinderin Anna A des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach § 15, 144 Abs. 1 und 145 Abs. 1 Z 1 StGB und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB schuldig erkannt.

Nach dem Urteilsspruch hat sie im Jahr 1977 in Wien I./ mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, nachgenannte Personen durch gefährliche Drohung, teilweise mit Brandstiftung und Entführung, zu Handlungen, die diese an ihrem Vermögen schädigen sollten, zu nötigen versucht, und zwar

1. Erich B in zwei Angriffen durch die schriftlichen Aufforderungen, 3.000,-- S unter dem Schmutzabstreifer der Wohnungstür zu deponieren, widrigenfalls die Wohnung angezündet werde, sowie durch eine weitere schriftliche Aufforderung, 50.000,-- S zu bezahlen, da sonst seine Tochter verschwinden werde;

2. Julius C durch die schriftliche Aufforderung, er müsse 30.000,--

S bezahlen, im Weigerungsfalle werde etwas passieren;

II./ nachgenannte Personen teilweise mit Entführung oder Brandstiftung gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar 1. Julius C in zwei Angriffen durch die schriftliche Ankündigung, es werde seine Wohnung angezündet, bzw. sein Kind entführt werden;

2. Erich B durch die schriftliche Ankündigung, er werde sein Kind nicht mehr sehen.

Dieses Urteil bekämpft die Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Als einen ihre Verteidigungsrechte beeinträchtigenden Verfahrensmangel im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 4 StPO rügt die Beschwerdeführerin die Abweisung ihres Antrages auf Beiziehung eines weiteren Schriftsachverständigen; das Gutachten des vom Erstgericht bestellten Schriftsachverständigen sei nur mangelhaft überprüfbar, weil es auf ein nicht vorliegendes Vorgutachten in einem anderen Akt Bezug nehme. Auch seien die angeblich von der Beschwerdeführerin verfaßten Drohzettel dem Gericht nicht im Original vorgelegen. Im übrigen habe der Sachverständige erklärt, 'er habe nur ungenügendes Vergleichsmaterial zur Verfügung gehabt und außer acht gelassen, daß Blockschrift viel schwerer zu identifizieren sei als normale Schreibschrift.' Selbst ein Laie könne die Unterschiede zwischen der inkriminierten Schrift und den von der Beschwerdeführerin abgegebenen Schriftproben erkennen, wozu noch komme, daß die Beschwerdeführerin zwar auch schwere orthographische Fehler mache, aber doch ganz andere als jene, die in den inkriminierten Schriftstücken enthalten seien. Der vom Erstgericht für genügend erachtete hohe Wahrscheinlichkeitsgrad für die Urheberschaft der Beschwerdeführerin an den Drohbriefen möge für einen Schuldspruch im allgemeinen ausreichen, nicht aber dann, wenn, wie hier, praktisch alle anderen Zeugen erklärt hätten, die Beschwerdeführerin nicht als Verfasserin der Drohbriefe zu verdächtigen.

In diesen Ausführungen zeigt die Beschwerdeführerin jedoch keinen der in § 125 und 126 StPO erwähnten Mängel auf, die die Zuziehung eines weiteren Schriftsachverständigen erforderlich machen. Auch vermag sie der vom Erstgericht für die Abweisung ihres Antrages gegebenen Begründung, das Gutachten sei mit Akribie ausgearbeitet worden, weise keine Widersprüche auf und sei schlüssig, nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen. Das von ihr erwähnte Erstgutachten, das der Sachverständige in der Strafsache gegen Peter D erstattete, erliegt entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Strafakt (ON 7).

Die im Gutachten erwähnten Mängel des Vergleichsmaterials wurden vom Sachverständigen bei der Erstellung des Gutachtens berücksichtigt (S. 81 d. A). Sie könnten auch durch die Bestellung eines weiteren Sachverständigen nicht behoben werden. Dem Gutachter und dem Gericht sind dem Beschwerdevorbringen zuwider die Originale der vom Sachverständigen untersuchten Schriften zur Verfügung gestanden (S. 71 d. A); im übrigen wäre es Sache der Verteidigung gewesen, allfällige Bedenken in dieser Hinsicht bereits in der Hauptverhandlung vorzutragen und bei einer gemäß § 126 StPO anzuordnenden Befragung des Gutachters zu klären. Die Hinweise der Beschwerdeführerin auf angeblich auch dem Laien einsichtige Schrift- und Rechtschreibdivergenzen zwischen dem Untersuchungsmaterial und der Vergleichsschrift überzeugen nicht. Sie sind letztlich als Versuch einer Bekämpfung der vom Erstgericht vorgenommenen Würdigung der Beweiskraft des Gutachtens zu werten, die im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässig ist. Im übrigen hat das Schöffengericht seine überzeugung von der Urheberschaft der Beschwerdeführerin an den inkriminierten Drohbriefen ohnedies, so wie es die Beschwerdeführerin begehrt, durch den Hinweis auf eine Reihe anderer Beweisergebnisse gestützt (S. 153 d. A). Mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 5 StPO wendet sich die Beschwerdeführerin gegen die Urteilsannahme, sie habe Hausparteien gegenüber behauptet, selbst durch ein derartiges Schreiben bedroht worden zu sein und kurz darauf einen Drohbrief vorgelegt. In Wahrheit habe sie dieses Papier nach einem Gespräch geholt, in dem andere erklärten, auch sie (die Angeklagte) habe so einen Zettel erhalten, und ihn dann den übrigen Hausparteien gezeigt. Die vom Erstgericht zum Nachweis der Unglaubwürdigkeit dieser Angaben vorgebrachte Argumentation, der von der Beschwerdeführerin vorgezeigte Drohbrief sei nicht 'echt' gewesen, weil er nicht wie die anderen Drohbriefe entsprechend kleingefaltet und zerknittert war, vermögen sie (die Angeklagte) nicht zu überzeugen;

denn schon aus Gewohnheit hätte sie, wäre sie wirklich die Urheberin der anderen Drohbriefe gewesen, auch den angeblich an sie gerichteten in gleicher Weise gefaltet. Auch habe sich das Erstgericht nicht damit befaßt, daß die übrigen Mitbewohner der Beschwerdeführerin anboten, sie solle ein Geständnis der Täterschaft ablegen, dann wolle man auf die Einschaltung der Polizei verzichten. Denn in diesem Falle hätte sie, wenn sie sich wirklich schuldig gefühlt hätte, sicher diesen Rettungsanker ergriffen. Der Vorwurf des Erstgerichtes, sie hätte sich (bei der Vernehmung) sehr unsicher gezeigt und keine überzeugenden Gründe gegen das Sachverständigengutachten vorbringen können, treffe sie zu Unrecht; sie sei noch nie vor Gericht gestanden und nicht in der Lage, eine wissenschaftlich fundierte Expertise wirkungsvoll zu bekämpfen. Unerwähnt lasse das Erstgericht letztlich, daß die Beschwerdeführerin mit keinem der Bedrohten verfeindet sei.

Rechtliche Beurteilung

Mit diesem Vorbringen wird jedoch kein Begründungsmangel des Ersturteils aufgezeigt, sondern nur in unzulässiger und damit auch unbeachtlicher Weise die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes bekämpft und dargetan, daß aus den Ergebnissen des Beweisverfahrens auch andere, für die Beschwerdeführerin günstigere Schlüsse gezogen werden können; auf eine solche Behauptung aber kann der Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO nicht gestützt werden. Den gegen Denkgesetze und Erfahrungen des täglichen Lebens nicht verstoßenden und überdies in den Ergebnissen des Beweisverfahrens gedeckten Feststellungen des Schöffengerichtes haftet sohin kein Nichtigkeit begründender Mangel an. Mit ihrem Einwand, es hätten die festgestellten Drohungen mit Rücksicht auf die gesamten Tatumstände nicht als durch Drohung mit Entführung und Brandstiftung begangene schwere Erpressung (§ 145 Abs. 1 Z 1 StGB) und als durch Androhung derselben übel qualifizierte gefährliche Drohung nach § 107 Abs. 2 StGB, sondern nur nach § 144 Abs. 1 und 107 Abs. 1 StGB beurteilt werden dürfen, ist die Beschwerdeführerin gleichfalls nicht im Recht. Denn es läßt sich auch bei der gebotenen objektiven Beurteilung der Drohungen auf ihre Eignung in den Bedrohten Furcht vor einer Brandstiftung oder Kindesentführung zu erwecken, aus der Tatsache, daß die Briefe ersichtlich von einer primitiven Person stammten, keineswegs die von der Beschwerdeführerin behauptete mangelnde Ernstlichkeit der Drohung und Unfähigkeit der Drohenden, das angedrohte übel zu verwirklichen, ableiten. Solcherart ist sohin dem Erstgericht kein Rechtsirrtum im Sinne der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO unterlaufen, wenn es die von der Beschwerdeführerin geäußerten Drohungen zumindest teilweise als qualifiziert nach § 145 Abs. 1 Z 1 StGB bzw. nach § 107 Abs. 2

StGB ansah.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Anna A war

deshalb zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte die Angeklagte nach § 145 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, die es gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Es wertete hiebei als erschwerend die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art und als mildernd den bisherigen ordentlichen Lebenswandel sowie den Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist.

Mit ihrer Berufung strebt die Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe unter Anwendung des § 41 StGB an. Der Berufung kommt jedoch keine Berechtigung zu.

Ausgehend von den im wesentlichen richtig erfaßten und zutreffend gewürdigten Strafzumessungsgründen erscheint die verhängte Strafe nach Lage des Falles tat- und schuldangemessen; sie trägt den im § 32 StGB für die Strafbemessung aufgestellten allgemeinen Grundsätzen voll und ganz Rechnung.

In ihrer Berufung zeigt die Beschwerdeführerin keine weiteren Milderungsgründe auf. Davon, daß es sich um eine 'kaum ernst zu nehmende' Vorgangsweise der Angeklagten bei den Drohungen gehandelt hat, kann keine Rede sein, weil sich die Bedrohten nach ihren vom Erstgericht für glaubhaft erachteten Angaben tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt fühlten. Dem Umstand aber, daß kein (materieller) Schaden entstanden sei, kommt insofern keine Bedeutung zu, als die von der Angeklagten begangenen strafbaren Handlungen teils den Eintritt eines materiellen Schadens zu ihrer Vollendung nicht erfordern (§ 107 Abs. 1 und 2 StGB) und zum anderen (§ 15, 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z 1 StGB) im Vesuchsstadium steckengeblieben sind, weshalb der Angeklagten ohnedies der Milderungsgrund nach § 34 Z 13 StGB vom Erstgericht zugute gehalten wurde. Da letztlich mit Rücksicht auf die Tatzeit (im Verlaufe des Jahres 1977) auch nicht davon gesprochen werden kann, daß die Taten bereits vor längerer Zeit begangen wurden und sich die Angeklagte seither wohlverhalten hat, liegen die Voraussetzungen des § 41 StGB nicht vor, weshalb der Berufung ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

Anmerkung

E01862

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00018.79.0327.000

Dokumentnummer

JJT_19790327_OGH0002_0090OS00018_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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