Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Racek und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, Dr. Bernardini, Dr. Friedrich und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Jelinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Abdullah A wegen des Verbrechens nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG. und einer anderen strafbaren Handlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.November 1978, GZ 6 a Vr 5716/78-46, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Über die Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Text
Gründe:
Das Schöffengericht erkannte den nunmehr 37jährigen Kunsttischler Abdullah A des Verbrechens (wider die Volksgesundheit) nach § 6 Abs 1 SuchtgiftG. und des Vergehens nach § 9 Abs 1 Z 2 SuchtgiftG. schuldig.
Gemäß der erstangeführten Gesetzesstelle liegt ihm zur Last, daß er zwischen März 1977 und Mai 1978 in Wien an verschiedene unbekannte Personen mindestens 1300 Gramm Haschisch verkaufte und am 24.Mai 1978 der Ayse B 20 Gramm Haschisch überließ. Diesen Schuldspruch ficht der Angeklagte aus § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO an. Zunächst rügt der Beschwerdeführer die Annahme der Weitergabe von 20 Gramm Haschisch an Ayse B als offenbar unzureichend begründet, weil er sich im Verfahren dahin verantwortet hatte, in der Wohnung dieser Zeugin nur sein eigenes Haschisch geraucht zu haben (I. Band S. 257, 525), während die Zeugin B das von ihr konsumierte Haschisch von zwei anderen, in ihrer Wohnung anwesenden Personen (einem Österreicher und einem Türken) bekommen oder auch schon gehabt haben könne und weil aus der Kenntnis seiner Wohnanschrift noch nicht, wie das Erstgericht vermeine, eine engere Verbindung zwischen ihm und B folge. Indes hat sich das Gericht ohnehin mit der bezüglichen Verantwortung des Angeklagten auseinandergesetzt, ihr aber aus der Erwägung, daß die Zeugin doch keine Ursache hatte, den Beschwerdeführer zu Unrecht zu belasten, den Glauben versagt und lediglich beispielsweise darauf hingewiesen, daß sich ihre Angaben auch in einem anderen Punkt, nämlich dem daß A eine Wohnung in Meidling innehabe, als richtig erwiesen haben (I. Band S. 504). Diese Würdigung der Zeugenaussage B steht weder mit den Denkgesetzen noch mit der Lebenserfahrung im Widerspruch und ist darnach im Nichtigkeitsverfahren unbekämpfbar. In den ausschließlichen Rahmen dieser sohin zulässigen Beweiswürdigung fällt auch die hier letztlich angestellte Überlegung des Schöffensenats, daß aus den erhobenen Umständen hervorgehe, daß B und A in engerer Verbindung zueinander standen, als letzterer zugibt. Die Angabe der Zeugin, der in ihrer Wohnung aufhältig gewesene Österreicher (Franz C) sei ihr als Suchtgifthändler bekannt, verschlägt der gerügten Schlußfolgerung umso weniger, als im Urteil keineswegs festgestellt ist, B habe etwa nur vom Angeklagten Haschisch bezogen. Abweichend von der ursprünglichen Aussage des Zeugen Andon D, er habe dem Beschwerdeführer 3000 Gramm Haschisch übergeben, nahm das Gericht zu Gunsten des Angeklagten nur eine Übergabe von 300 Gramm an. Soweit der Rechtsmittelwerber auch noch die Feststellung dieser verringerten Menge wegen vermeintlich mangelhafter Begründung anzweifelt, ist er darauf zu verweisen, daß D auf der in der Beschwerde zitierten Seite 161 b im I. Aktenband die nur teilweise Übergabe an den Angeklagten (in Kommission) auf das dort behauptete Quantum von 3000 Gramm Haschisch bezog und in der Hauptverhandlung am 16.November 1978 offensichtlich gar keine klaren Angaben mehr machen wollte (I. Band S. 491). Demgegenüber hat das Gericht die Konstatierung der Übernahme von (wenigstens) 300 Gramm durch den Beschwerdeführer aus der Hand des D in Abwägung von dessen Depositionen mit der Verantwortung des Angeklagten im Sinn des § 270 Abs 2 Z 5 StPO einwandfrei begründet (I. Band S. 504, 505).
Rechtliche Beurteilung
Das gegen die Wertung der den Angeklagten entlastenden Angaben des Konstatin E durch das Erstgericht als 'Schutzbehauptung' (I. Bd. S. 506) gerichtete Beschwerdevorbringen erschöpft sich in einer unbeachtlichen Anfechtung der erstrichterlichen Beweiswürdigung. Die Feststellung, daß der Angeklagte von Konstantin E 1000 Gramm Haschisch erworben hat, stützte das Gericht auf die Zeugin Albine F, die vor den Sicherheitsorganen (Zentralstelle für die Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität) bekundet hatte, daß der Beschwerdeführer vom März 1977 bis Anfang Mai 1978 von Konstantin E insgesamt etwa 1 kg Haschisch käuflich erworben hat (I. Band S. 205). In der Hauptverhandlung wurde der Zeugin diese Angabe vorgehalten, sie versuchte, dieselbe abzuschwächen, blieb aber doch insofern dabei, als sie ihre sicherheitsbehördliche Aussage als 'nicht falsch' bezeichnete (I. Band S. 489). Umso mehr konnte der Schöffensenat für die Feststellung des Suchtgifterwerbs von E die Bekundungen der Zeugin F im Vorverfahren heranziehen. Da dem Angeklagten inhaltlich des Urteilsspruchs zur Last liegt, daß er Suchtgifte in Verkehr gesetzt hat, betrifft die Frage des privatrechtlichen Verhältnisses zwischen ihm und seinem Lieferanten E keine entscheidende Tatsache und gehen die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen samt und sonders ins Leere.
Im selben Zusammenhang bringt der Rechtsmittelwerber vor, es hätte mangels ausdrücklicher Feststellung einer kommissionsweisen Übergabe der 1000 Gramm Haschisch seitens des E hier (nur) der Tatbestand des § 9 SuchtgiftG. (offenbar gemeint: Erwerb nach Abs 1 Z 2 dieser Gesetzesstelle) als verwirklicht angesehen werden dürfen, und erblickt, weil das nicht geschehen, im Schuldspruch wegen § 6 Abs 1 SuchtgiftG. eine Nichtigkeit gemäß der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO
Damit verläßt der Beschwerdeführer aber den Boden der erstrichterlichen Tatsachenfeststellung, daß er etwa 1000 Gramm Haschisch von E zum Weiterverkauf übernommen (I. Band S. 502 unten) und in Verkehr gesetzt hat (I. Band S. 503 oben). Indem er diese ihn bei der Ausführung einer Rechtsrüge bindenden Sachverhaltskonstatierungen (deren zweite, rechtlich gesehen, mit einem Tatbestandsrequisit des § 6 Abs 1 SuchtgiftG. korrespondiert) vernachlässigt, bringt er den geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Den Vorwurf unzureichender Begründung erhebt der Beschwerdeführer sodann gegen das Urteil, weil darin auf die sicherheitsbehördlichen Angaben des Karl G (I. Band S. 135, 143), die dieser nicht unterfertigt und später widerrufen hat, Bezug genommen und daraus einerseits ein Gewinn der Zeugin B an Glaubwürdigkeit andererseits ein Hinweis auf die Händlereigenschaft des Angeklagten abgeleitet wird (I. Band S. 506). Abgesehen davon, daß die angeführten Bekundungen des G im Rahmen der Beweiswürdigung nur unterstützend herangezogen werden, kann nach ständiger Rechtsprechung als Beweismittel alles verwertet werden, was geeignet ist, im Richter die Überzeugung von einer Tatsache herzustellen.
Daß die Niederschrift einer Aussage nicht unterfertigt und daß diese Aussage in der Folge widerrufen wurde, vermag ihr also die Verwertbarkeit als Beweismittel nicht zu nehmen; dies umso weniger, wenn, wie hier, das Gericht die Tatsachen der Unterschriftverweigerung und des Widerrufs in seine urteilsmäßigen Erwägungen einbezog und, durchaus in Übereinstimmung mit den Verfahrensergebnissen, mit der Furcht des G vor den von ihm belasteten Personen erklärte (I. Band S. 506).
Der nächste Beschwerdeeinwand richtet sich gegen den vom Erstgericht gezogenen Schluß, daß der Angeklagte die von D und E erhaltenen Haschischmengen weitergegeben hat, weil er nach eigener Angabe (I. Band S. 255) selbst nur sehr wenig, nämlich innerhalb von drei Jahren bloß ungefähr zehn bis zwölf Gramm Haschisch geraucht und diese geringen Mengen für den Eigenbedarf auf der Mariahilfer Straße gekauft habe (I. Band S. 507). Dagegen verweist der Beschwerdeführer auf seine späteren Angaben in der Hauptverhandlung, wonach er für den Eigenbedarf offensichtlich mehr, nämlich dreimal bis viermal im Jahr eingekauft (I. Band S. 484) und außerdem in der vom Gericht zitierten Einlassung im Vorverfahren (I. Band S. 255) nur eine 'Schutzbehauptung' gegenüber dem Vorwurf nach § 9 SuchtgiftG. (gemeint: Erwerb und Besitz gemäß Abs 1 Z 2 dieser Gesetzesstelle) produziert habe (II. Band S. 5). Der Nichtigkeitswerber übersieht hiebei, daß, wenn ein Verfahrensresultat mehrere Auslegungen oder Schlußfolgerungen zuläßt, das Gericht keineswegs gehalten ist, sich die für den Angeklagten günstigste der sich anbietenden Varianten zu eigen zu machen, es sich vielmehr auf Grund des den gesamten Strafprozeß beherrschenden Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) aus den im Verfahren gewonnenen Eindrücken jede Meinung bilden kann, die den Denkgesetzen und der Lebenserfahrung nicht widerspricht (SSt. 45/23 = RZ 1974/123 u.a.), um letztlich nach seiner freien, aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider den Angeklagten vorgebrachten Beweismittel gewonnenen Überzeugung darüber zu entscheiden, welche Tatsachen es als erwiesen annimmt. Demnach versagt auch diese Mängelrüge.
Die übrigen Beschwerdeausführungen (II. Band S. 5 unten) verlieren sich vollends im Bereich willkürlicher Annahmen und unzulässiger Angriffe auf die untergerichtliche Tatsachenfeststellung, ohne Begründungsmängel in der technischen Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO
aufzeigen zu können. Gänzlich fehl geht schließlich auch die Kritik (II. Band S. 7) an dem mit März 1977 angenommenen Beginn des Tatzeitraums laut Punkt A I des Urteils (§ 6 SuchtgiftG.), zumal diese Zeitbestimmung, wie schon erwähnt, in den Angaben der Albine F über den Haschischerwerb des Beschwerdeführers von E (I. Band S. 205) eine hinreichende Grundlage findet und darüber hinaus für die Tatbestandserfüllung gar nicht entscheidend ist.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt gemäß § 285 d Abs 1 Z 1 StPO in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO
schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen. Für die Verhandlung und Entscheidung über die Berufung wird ein Gerichtstag anberaumt werden (§ 296 Abs 3 StPO).
Anmerkung
E01995European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0100OS00046.79.0328.000Dokumentnummer
JJT_19790328_OGH0002_0100OS00046_7900000_000