Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, Dr. Müller, Dr. Friedrich und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Santa als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz A wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach dem § 169 Abs. 1 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gemäß dem § 285 a Z 1 StPO ergangenen Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 28.Februar 1979, GZ. 21 Vr 2.148/78-29, den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Die Akten werden zur Entscheidung über die Berufung, ferner über die Beschwerde des Angeklagten (ON 32 d. A), soweit sie nicht bereits durch den einleitend bezeichneten Beschluß erledigt ist, dem Oberlandesgericht Linz zur weiteren Amtshandlung zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit dem Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengerichtes vom 22.Dezember 1978, GZ. 21 Vr 2.148/78-22, wurde der am 31. Dezember 1954 geborene Angeklagte Franz A, dem ein ihm gemäß dem § 41 Abs. 2 StPO, beigegebener Verteidiger zur Seite stand (ON 14 d. A), wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach dem § 169 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf die § 31, 40 StGB gemäß dem Strafsatz des § 169 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt.
Laut Niederschrift über die Hauptverhandlung behielt sich der Angeklagte nach der Urteilsverkündung Bedenkzeit offen (S 166 d. A). Innerhalb offener Frist, und zwar am 27.Dezember 1978, meldete der Verfahrenshelfer des Angeklagten beim Erstgericht gegen das zitierte Urteil die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (S 185 f d. A). Am 1.Februar 1979 wurde dem Verfahrenshelfer eine Ausfertigung des Ersturteils (zur Rechtsmittelausführung) zugestellt (S 183 d. A).
Laut der Niederschrift ON 25 d.A. gab der Angeklagte am 7.Februar 1979 dem Vorsitzenden der Hauptverhandlung zu Protokoll, daß er nach eingehender Rechtsbelehrung die von seinem Verfahrenshelfer gegen das einleitend genannte Urteil des Landesgerichtes Salzburg angemeldeten Rechtsmittel (Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung) ausdrücklich zurückziehe. Am 15.Februar 1979 überreichte der Verfahrenshelfer des Angeklagten beim Landesgericht Salzburg eine Ausführung der seinerzeit von ihm angemeldeten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung (S 191 ff d. A). Der zuständige Senatsvorsitzende des Landesgerichtes Salzburg wies in der Folge mit Beschluß vom 28.Februar 1979, GZ. 21 Vr 2.148/78- 29, die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gemäß der Vorschrift des § 285 a Z 1 StPO zurück; in der Begründung dieses Beschlusses wird ausgeführt, der Angeklagte habe nach eingehender Rechtsbelehrung dem Vorsitzenden gegenüber einen Verzicht auf Rechtsmittel gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 22. Dezember 1978, GZ. 21 Vr 2.148/78-22, abgegeben; da für Rechtsmittelerklärungen nur der Wille des Angeklagten selbst entscheide, sei die vom Verteidiger - gegen den Willen des Angeklagten - ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Verfahrenshelfer namens des Angeklagten rechtzeitig eingebrachte Beschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Zur Frage der in der Beschwerde bezweifelten Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten ist folgendes festzuhalten:
In der Hauptverhandlung vom 22.Dezember 1978 wurde der psychiatrische Sachverständige Univ.Doz.Dr.Werner B u.a. auch zur Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten gehört. Auf Grund des abgegebenen Sachverständigengutachtens gelangte das Erstgericht zur Auffassung, daß der Angeklagte - ungeachtet eines leichten Schwachsinns -
strafrechtlich verantwortlich sei, und zwar in übereinstimmung mit der Auffassung des psychiatrischen Sachverständigen selbst (S 164, 181 f d. A). Dem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag der Verteidigung auf Beiziehung eines zweiten gerichtspsychiatrischen Sachverständigen hatte das Schöffengericht abschlägig beschieden, weil das vorliegende psychiatrische Gutachten schlüssig, widerspruchslos und erschöpfend abgefaßt sei (S 164 d. A). Diese Ansicht des Erstgerichtes findet in der Aktenlage Deckung, die Beiziehung eines zweiten Sachverständigen war hier nicht indiziert:
Maßgebend für die psychiatrische Untersuchung eines Angeklagten ist die Vorschrift des § 134 Abs. 1 StPO: Ob die dort vorausgesetzten Zweifel vorhanden sind, haben die Richter unter Berücksichtigung des vom Angeklagten persönlich gewonnenen Eindrucks in freier Beweiswürdigung zu entscheiden; die Grundsätze des § 134 Abs. 1 StPO gelten, weil sie ihrer Natur nach nicht als in der Hauptverhandlung unausführbar erscheinen (§ 248 Abs. 1 StPO), auch für die Beurteilung der Prozeßfähigkeit, das ist die Eignung, selbständig vor Gericht als Partei zu handeln (vgl. auch § 1 ZPO), sowie der Verhandlungsfähigkeit, das ist die Eignung, als mit allen Rechten der Strafprozeßordnung ausgestattetes Prozeßsubjekt an Haupt- und Rechtsmittelverhandlungen sowie an allen anderen parteiöffentlichen Gerichtsverhandlungen teilzunehmen (s. auch EvBl. 1971/15, 9 Os 36/76, 13 Os 80/76). Dem Erstgericht kann den Umständen nach keineswegs entgegengetreten werden, wenn es der Auffassung anhing, daß unter den obwaltenden Verhältnissen keinerlei Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers sowohl in der Verhandlung als auch bei Abgabe des bezeichneten (ausdrücklichen, bindenden und unwiderruflichen) Rechtsmittelverzichtes bestanden, zumal es diese seine Auffassung nicht allein auf seinen persönlichen Eindruck, sondern - wie dargetan - auch auf Befund und Gutachten des ohnedies beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen Dr. B stützte.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde, auf welche der Angeklagte demgemäß bereits gültig verzichtet hatte, wurde darum am 28.Februar 1979 sachlich zutreffend gemäß § 285 a Z 1 StPO zurückgewiesen, weil der Verfahrenshelfer zur Aufrechterhaltung und Ausführung dieses Rechtsmittels gegen den Willen des - prozeß- und verhandlungsfähigen - Angeklagten nicht berechtigt ist. Daran ändert auch nichts, daß, wie die Beschwerde an sich richtig hervorhebt, der Beistand eines beschränkt entmündigten Angeklagten die Nichtigkeitsbeschwerde auch gegen dessen Willen ergreifen darf (SSt. 11/22). Denn es steht - unbeschadet des Umstandes, daß das Strafgericht einen Antrag des Verfahrenshelfers auf Bestellung eines Beistands offensichtlich unzuständigerweise abwies - fest, daß der Angeklagte nach unbedenklicher Meinung des Erstgerichtes weder im Zeitpunkt der Abgabe des Rechtsmittelverzichts noch zur Zeit der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde beschränkt entmündigt war, sodaß hier die Vorschrift des § 282 Abs. 1 StPO - wonach Nichtigkeitsbeschwerde auch der Vormund gegen den Willen des Angeklagten ergreifen kann - nicht zum Zuge kommt. Auch ein übergang der Rechte des gesetzlichen Vertreters, wenn ein solcher (noch) nicht bestellt wurde, auf den Verteidiger kommt vorliegend nicht in Frage, weil eine solche Regelung nur für das Verfahren zu einer Maßnahme nach § 21 Abs. 1 StGB vorgesehen ist (§ 431 Abs. 3 StPO).
Aus diesen Erwägungen mußte über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß auf Zurückweisung seiner Nichtigkeitsbeschwerde spruchgemäß entschieden werden.
Zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten waren die Akten gemäß dem § 285 b Abs. 6 StPO dem zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz zuzuleiten. Dieser Gerichtshof wird auch über die Beschwerde ON 32 d. A, soweit sie nicht bereits durch den Beschluß des Obersten Gerichtshofes erledigt ist, zu befinden haben.
Anmerkung
E01849European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0130OS00051.79.0330.000Dokumentnummer
JJT_19790330_OGH0002_0130OS00051_7900000_000