TE OGH 1979/4/19 12Os43/79

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Veröffentlicht am 19.04.1979
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Schneider und Dr. Walenta als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Umlauft als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter Peter A wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs 1 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Jugendschöffengericht vom 18.Dezember 1978, GZ 11 Vr 2353/78-15, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufungen wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung, für den sich der Oberste Gerichtshof auch eine Maßnahme gemäß dem § 290 Abs 1 StPO vorbehält, entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22.November 1961 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Walter Peter A des 'Vergehens' (richtig: Verbrechens /siehe §§ 17 Abs 1 StGB und 11 Z 2 JGG. /) der absichtlichen schweren Körperverletzung nach dem § 87 Abs 1 StGB

schuldig erkannt, weil er am 2.Oktober 1978 in Klagenfurt Anna B durch Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten eine schwere Körperverletzung, nämlich einen Bruch des Nasenbeines und eine Trümmerfraktur des Oberkiefers, die (überdies) eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsstörung und Berufsunfähigkeit zur Folge hatte, absichtlich zufügte.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf den § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit. b und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Den Strafausspruch fechten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft mit Berufung an. Unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO, aber auch im Rahmen der Rechtsrügen wendet sich der Beschwerdeführer gegen die Abweisung der von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf 'Vernehmung des Dr. C zum Beweise der verminderten Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit, was auf eine schwere Mißhandlung vor einigen Jahren sowie unmittelbar vor der Tat zurückzuführen sei, wodurch angestaute Aggressionen freigeworden seien, sowie Einholung eines psychiatrischen Gutachtens' (S. 118).

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge kommt Berechtigung nicht zu.

Wie nämlich das Jugendschöffengericht in seinem Zwischenerkenntnis (S. 119, Begründung im Urteil nachgetragen /S. 125/126 /) richtig zum Ausdruck brachte, handelt es sich bei den vom Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Anträgen um unerhebliche Beweise. Denn die Ablehnung eines Beweisantrages begründet keine Nichtigkeit nach dem § 281 Abs 1 Z 4 StPO, wenn der unter Beweis gestellte Umstand weder für die Entscheidung über die Schuld noch für den anzuwendenden Strafsatz von Bedeutung ist. Daß der Umstand sonst die Strafe beeinflussen könnte, ist unerheblich (Gebert-Pallin-Pfeiffer III/2, Nr. 12 a zu § 281 Abs 1 Z 4 StPO). Die durch den Zeugen Dr. C und den Sachverständigen zu beweisende 'verminderte Zurechnungsfähigkeit' zur Tatzeit (wegen einer selbst erlittenen schweren Mißhandlung einige Jahre vor der Tat und unmittelbar vor derselben) kann zwar unter dem Gesichtspunkt eines Milderungsgrundes nach dem § 34 Z 1 StGB ins Gewicht fallen, keinesfalls aber den Schuldausschließungsgrund nach dem § 11 StGB herstellen. Die Annahme von Zurechnungsunfähigkeit im Sinne dieser Gesetzesstelle verlangt nämlich die Aufhebung der Dispositionsoder Diskretionsfähigkeit infolge Geisteskrankheit oder Schwachsinns oder einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen (ebenso wie jener nach dem § 10 JGG.) wurde in dem in Rede stehenden Beweisantrag gar nicht behauptet. Daß die Durchführung der abgelehnten Beweise allenfalls die 'volle Unzurechnungsfähigkeit' zur Tatzeit hätte ergeben können, wie der Beschwerdeführer (erst) in seiner Verfahrensrüge meint, ist bei Beurteilung des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO irrelevant. Denn dieser Nichtigkeitsgrund kann nur geltend gemacht werden, wenn der Antrag, dessen Ablehnung den Beschwerdepunkt bildet, nach Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles gestellt worden ist (Gebert-Pallin-Pfeiffer a.a.O., Nr. 4; Foregger-Serini, Erl. zu § 281 Abs 1 Z 4 StPO2, und die von diesen Autoren zitierte Judikatur). Ein auf den Schuldausschließungsgrund der Zurechnungsunfähigkeit lautendes Beweisthema lag aber - wie erwähnt - nicht vor, sodaß das Beschwerdevorbringen durch den Inhalt des (abgelehnten) Beweisantrages gar nicht gedeckt ist. Die Ablehnung eines (bloßen) Erkundungsbeweises vermöchte übrigens den in Rede stehenden Nichtigkeitsgrund gleichfalls nicht zu begründen.

Den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO

geltend machend, behauptet der Beschwerdeführer, das Erstgericht hätte für seinen Ausspruch, er habe Anna B absichtlich schwere Verletzungen zugefügt, das heißt, es sei ihm darauf angekommen, bei der Genannten schwere Verletzungen herbeizuführen (S. 125), keine oder nur unzureichende Gründe angegeben.

Diesem Vorbringen ist zu erwidern, daß das Jugendschöffengericht in freier Beweiswürdigung auf der Basis der Verfahrensergebnisse die Annahme der (eben dargelegten) Absicht denkrichtig und im Sinne des § 270 Abs 2 Z 5 StPO

ausreichend begründete, indem es auf die Verantwortung des Beschwerdeführers über sein Bewußtsein 'vor den Fußtritten ins Gesicht' und die Ausführungen des Sachverständigen Dr. Siegfried D über die 'erhebliche Gewalteinwirkung' hinwies und diese Umstände auch unter dem Gesichtspunkt der 'üblichen Lebenserfahrung' bei einer derartigen Gewaltanwendung gegen das Gesicht prüfte (vgl. S. 124/125).

Dem angefochtenen Urteil haftet mithin auch kein den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO verwirklichender Umstand an.

Insoweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Mängelrüge, der Sache nach jedoch den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO relevierend, ausführt, es seien keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, daß er 'von vornherein' die Absicht gehabt hätte, Anna B schwer zu verletzen, und es fehlten Urteilsfeststellungen, wonach er die genannte Frau deswegen aufgesucht habe, um sie absichtlich schwer zu verletzen, ist ihm zu erwidern, daß das Schöffengericht nicht nur feststellte, der Beschwerdeführer habe sich (zunächst) zu Anna B begeben, um sie wegen Anzeigeerstattungen gegen ihn zur Rede zu stellen, sondern auch, daß der Genannte, nachdem er mit der Frau unter einem Vorwand ins Gespräch gekommen war, auf Anna B losging, ihr mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzte, durch welche sie zu Boden stürzte, worauf er der am Boden Liegenden mit dem rechten beschuhten Fuß drei- bis viermal mit voller Kraft ins Gesicht trat (S. 123), und 'daß es ihm darauf ankam, schwere Verletzungen herbeizuführen' (S. 125).

Wenn nun der Beschwerdeführer ungeachtet dieser Urteilsannahmen, auch unter ausdrücklicher Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z 10 des § 281 StPO Möglichkeiten aufzeigt, welche - abstrakt - gegen die Annahme der Absichtlichkeit im Sinne des § 5 Abs 2 StGB bei Zufügung der schweren Körperverletzung, sohin gegen die Tatbestandsmäßigkeit des Verbrechens nach dem § 87 StGB sprechen könnten, sodaß - wie der Beschwerdeführer vermeint - nur das (für ihn günstigere) Vergehen der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB

gegeben sei, bringt er die Rechtsrüge nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Denn er vergleicht nicht den vom Erstgericht - wie dargelegt, mängelfrei - festgestellten, übrigens zur Annahme der objektiven und insbesondere auch der subjektiven Tatseite des Verbrechens nach dem § 87 Abs 1

StGB ausreichenden Sachverhalt mit dem darauf anzuwendenden Strafgesetz, sondern bekämpft - die bezüglichen Urteilsfeststellungen ignorierend - lediglich in unzulässiger und daher unbeachtlicher Weise die schöffengerichtliche Beweiswürdigung. Die Rechtsrüge gelangte aber auch insoweit nicht zur gesetzmäßigen Darstellung, als der Beschwerdeführer unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z 9 lit. b des § 281 Abs 1 StPO (abermals) die Ablehnung der schon erörterten Beweisanträge bemängelt und zu dem Ergebnis gelangt, die zu beweisende seelische Störung infolge (früher und unmittelbar) vorangegangener Mißhandlungen (von dritter Seite) hätte zur Annahme der Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 11 StGB geführt. Die Rüge der Ablehnung der Beweisanträge wurde bereits bei Erledigung des Vorbringens zur Verfahrensrüge erörtert. Von den - bei Prüfung einer Rechtsrüge zugrunde zu legenden - erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen ausgehend (vgl. dazu insbesondere S. 125/126), ergibt sich aber kein Anhaltspunkt für die Annahme des reklamierten Schuldausschließungsgrundes.

Mithin war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, soweit sie auf den Nichtigkeitsgründen des § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO basiert, gemäß dem § 285 d Abs 1 Z 2 StPO als unbegründet, soweit sie sich aber auf jene der Z 9 lit. b und 10 des § 281 Abs 1 StPO bezieht, gemäß dem § 285 d Abs 1 Z 1 in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO als nicht gesetzmäßig ausgeführt schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen. Über die beiderseitigen Berufungen wird bei einem gemäß dem § 296 Abs 3 StPO mit gesonderter Verfügung anzuberaumenden Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung, für den sich der Oberste Gerichtshof auch eine Maßnahme gemäß dem § 290 Abs 1 StPO vorbehält (§ 285 d Abs 2 StPO), entschieden werden.

Anmerkung

E02040

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1979:0120OS00043.79.0419.000

Dokumentnummer

JJT_19790419_OGH0002_0120OS00043_7900000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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