Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 24. April 1979
unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Friedrich, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Jelinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Adolf A wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs. 1, 129 Z 1 und 15 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 22. Jänner 1979, GZ 12 a Vr 1942/
78-12, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Klee und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Melnizky, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28. Dezember 1942 geborene Bauarbeiter Adolf A des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Einbruchsdiebstahls nach § 127 Abs. 1, 129 Z 1 und 15 StGB schuldig erkannt, weil er in Au (Vorarlberg) fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S nicht übersteigenden Wert durch Einbruch, teils auch durch Einsteigen in ein Gebäude, den nachgenannten Personen gestohlen bzw. zu stehlen versucht hat, und zwar 1. am 18. Juni 1978 der Evelin B eine braune Damenstrumpfhose, eine Damenunterhose und einen Damenrock durch Wegnahme dieser Kleidungsstücke;
2. durch versuchte Wegnahme von 'Reizwäsche' a) am 25. Juni 1978 der Evelin B, b) am 14. August 1978 einem Verfügungsberechtigten des Schiklubs C.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer lediglich auf Z 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er unter Hinweis auf seine starke Alkoholisierung zur Tatzeit noch verstärkte Geistesschwäche den Schuldausschließungsgrund der Zurechnungsunfähigkeit reklamiert. Die Beschwerde ist unbegründet.
Bei der überprüfung des angefochtenen Urteils unter dem Gesichtspunkt des geltend gemachten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes ist der Oberste Gerichtshof an die tatsächlichen Feststellungen der erstgerichtlichen Entscheidung, in Ansehung welcher Begründungsmängel gar nicht behauptet werden, gebunden. Das Erstgericht ist, insbesondere gedeckt durch das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. Georg D (ON 5 in Verbindung mit S. 56 d. A), zur überzeugung gelangt, daß der wegen gleichgelagerter Taten schon wiederholt, zuletzt im Jahre 1976 abgestrafte Angeklagte mittelgradig schwachsinnig im Sinne des forensischen Begriffes einer mittleren Geistesschwäche ist, wobei außerdem durch dauernden erhöhten Alkoholkonsum bereits eine organische Gehirnschädigung, verbunden mit Abbauerscheinungen im Sinne einer beginnenden Demenz, besteht, daß dadurch aber sein Urteilsvermögen und seine Kritikfähigkeit (derzeit) noch nicht aufgehoben - allerdings beträchtlich eingeschränkt - ist. Außerdem nahm das Erstgericht als erwiesen an, daß der Angeklagte im Zeitpunkt der einzelnen diebischen Angriffe durch vorangegangenen Bierkonsum stark alkoholisiert war.
Rechtliche Beurteilung
Dafür, daß der Angeklagte etwa infolge dieses Alkoholkonsums zur Tatzeit (jeweils) volltrunken und allenfalls aus diesem Grunde zurechnungsunfähig im Sinne des dritten Anwendungsfalles des § 11 StGB gewesen wäre, bieten die Verfahrensergebnisse keinen Anhaltspunkt; das Fehlen von Erinnerungslücken des Angeklagten, sein planvolles und jeweils situationsgemäßes Handeln, das sich insgesamt als eine Art Fortsetzung seines früheren (bereits abgeurteilten) kriminellen Verhaltens darstellt, spricht vielmehr gegen eine volle Berauschung (vgl. EvBl. 1976/252 u.a.). Auch der Umstand, daß der Angeklagte ungeachtet seines erheblichen Bierkonsums nach dem Ergebnis der dem Ersturteil u.a. zugrundegelegten Gendarmerieerhebungen und seiner eigenen Verantwortung (S. 23 d. A und S. 21 in ON 7) jeweils mit dem Fahrrad zum Tatort (außer beim Diebstahlsversuch vom 14. August 1978) und von dort nach Hause fahren konnte, sowie auch die Art der Tatausführung (Einbruch, Einsteigen) stehen einer solchen - vom Erstgericht der Sache nach abgelehnten - Beurteilung entgegen. Im übrigen hat der psychiatrische Sachverständige bei seiner Begutachtung, der das Erstgericht gefolgt ist, den den Taten vorangegangenen erheblichen Alkoholkonsum des Angeklagten ebenso berücksichtigt wie die durch dauernd erhöhten Alkoholgenuß bereits eingetretenen Abbauerscheinungen, wodurch die bereits seit längerem bestehende mittelgradige Geistesschwäche des Angeklagten, der bereits vor Jahren wegen Geistesschwäche beschränkt entmündigt wurde, 'noch etwas betont' wurde.
Die Konstatierung des Schöffengerichtes, daß die Urteils- und Kritikfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht vollständig aufgehoben war, findet schließlich nicht nur im zitierten Gutachten des Sachverständigen (ON 5), sondern auch in der Verantwortung des Angeklagten und den darin enthaltenen Bemerkungen über die befürchtete Rüge der Mutter sowie das Erwarten einer neuerlichen Verurteilung (s. S. 34 und 55 d. A), seiner Selbstanzeige bei der Gendarmerie (S. 17 oben d. A) und der Tatsache der von ihm zum Teil freiwillig geleisteten Schadensgutmachung eine entscheidende Stütze.
Ausgehend von dieser Konstatierung muß aber die Rechtsrüge versagen:
Die im § 11 StGB angeführten Ursachen der Schuldunfähigkeit (Geisteskrankheit, Schwachsinn, tiefgreifende Bewußtseinsstörung sowie andere schwere, einem dieser Zustände gleichwertige seelische Störungen) können nach dem letzten Halbsatz dieser Gesetzesstelle die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Täters nur ausschließen, wenn sie den Verlust seiner Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit zur Folge haben.
Beim Ausnahmezustand des Schwachsinns handelt es sich um eine geistige Fehlentwicklung im Sinne einer Geistesschwäche, die in Auffassungsstörungen, insbesondere in Ansehung des Kombinations- und Urteilsvermögens in Erscheinung tritt (Leukauf-Steininger, 104/105; Ch. Frank, 'Schwachsinn und Zurechnungsfähigkeit', Forensia 2 - 1978, (1), 36). Im allgemeinen vermögen nur schwere Formen des Schwachsinns (Idiotie, Imbezillität, nicht aber auch schon Debilität) das biologische Schuldelement auszuschließen. Der geistige Defekt, der vor allem als Folge von (meist angeborenen) Funktionsschädigungen des Gehirns oder aber als Auswirkung von (meist altersbedingten) Abbauprozessen auftritt, muß, um die Zurechnungsfähigkeit ausschließen zu können, so intensiv sein, daß er zu den im letzten Halbsatz des § 11 StGB genannten schuldausschließenden Folgen führt (ÖJZ-LSK 1977/274 = EvBl. 1977/259).
An diesen Voraussetzungen fehlt es aber vorliegend nach den eingangs wiedergegebenen Urteilsfeststellungen, denen zufolge der mittelgradige Schwachsinn des Angeklagten und seine Alkoholisierung im Zeitpunkt seiner diebischen Handlungsweise nur zu einer - allerdings schon beträchtlichen - Einschränkung, nicht aber zu einer Aufhebung der Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit des Angeklagten geführt haben. Wie das Erstgericht richtig erkannte, liegt mithin (bloß) eine verminderte Zurechnungsfähigkeit vor, die keinen Schuldausschließungsgrund, sondern nur einen Strafmilderungsgrund im Sinne der Z 11 des § 34 StGB darstellt. Unter diesen Umständen kommt aber auch das ersichtlich abnorme Sexualverhalten des Angeklagten, das seinen in Rede stehenden Diebstahlstaten vorliegend (abermals) als Motivation zugrundelag, nicht als schuldausschließender Anwendungsfall einer schweren seelischen Störung im Sinne des letzten Falles des § 11 StGB in Betracht (SSt. 44/ 28).
Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 129 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 7 (sieben) Monaten, wobei es als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und die Wiederholung der Diebstähle, als mildernd hingegen das Geständnis, den Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist, und die eingeschränkte Kritik- und Urteilsfähigkeit des Angeklagten wertete. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe an.
Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Das Erstgericht hat die vom Berufungswerber ins Treffen geführten mildernden Umstände ohnedies bei der Strafbemessung berücksichtigt, indem es auf die eingeschränkte Kritik- und Urteilsfähigkeit, sohin die verminderte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit Bedacht genommen hat.
Vor allem im Hinblick auf die einschlägigen Vorstrafen und die Wirkungslosigkeit der vorangegangenen Abstrafungen entspricht das vom Erstgericht gefundene Strafmaß auch nach Auffassung des Obersten Gerichtshofes dem Schuldgehalt der Taten und der Täterpersönlichkeit, weshalb der Berufung ein Erfolg versagt bleiben mußte.
Es war mithin spruchgemäß zu erkennen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
Anmerkung
E01932European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1979:0090OS00035.79.0424.000Dokumentnummer
JJT_19790424_OGH0002_0090OS00035_7900000_000